Trump jagt Luftfahrtsektor in schweren Sturm
Trump jagt Luftfahrtsektor in schweren Sturm
Amerikas Airlines streichen reihenweise ihre Ausblicke zusammen, während den ohnehin kriselnden Flugzeugbauer Boeing Sorgen im China-Geschäft plagen. Als Auslöser all dieser Unsicherheiten gilt wie so oft in diesen Tagen Donald Trump. Seine Handelspolitik schlägt unter anderem auf die Reiselust von Verbrauchern.
Von Alex Wehnert, New York
Der US-Luftfahrtsektor hat sich auf einen ruhigen Flug eingestellt – und wird nun von schweren Turbulenzen überrascht. Denn der von Präsident Donald Trump losgetretene Handelskrieg dämpft die Reiselust von Amerikanern und internationalen Touristen. So haben Fluggesellschaften um Delta, Southwest, United und Alaska Airlines ihre Jahresprognosen zusammengestrichen. Erstgenanntes Unternehmen war zuvor davon ausgegangen, 2025 ihre stärkste finanzielle Performance jemals abliefern zu können.
„Chaotische Phase“
„Aktuell sieht es so aus, als würde das Wachstum zum Erliegen kommen“, sagte Delta-CEO Ed Bastian nach der Verkündung von Trumps Strafzöllen gegen US-Handelspartner Anfang des Monats. Die Handelspolitik Washingtons habe „eine chaotische Phase geschaffen, die wir nun durchmachen müssen“. Der Vorstandschef brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass „sich die Vernunft durchsetzen wird“.

Zuletzt haben sich die Aussichten auf eine Verhandlungslösung im Zollkonflikt zwar aufgehellt: Trump setzte die Anfang April in Kraft getretenen reziproken „tariffs“ gegen einen Großteil der Länder für 90 Tage aus und schlug gegenüber China sanftere Töne an, nachdem er Importe aus dem Land mit einer Abgabenlast von 145% belegt hatte. Doch wenngleich Vertreter der G20 großes Interesse an einer Einigung mit Washington signalisieren, geben Analysten zu bedenken, dass Lösungen innerhalb der von Trump gesetzten Frist kaum wahrscheinlich sind.
Komplexe Verhandlungen
Torsten Slok, Chefökonom beim Private-Equity-Riesen Apollo Global, betont unter Verweis auf Daten des Peterson Institute for International Economics, dass es in der Vergangenheit durchschnittlich 18 Monate dauerte, bis die USA neue Handelsvereinbarungen ausgefeilscht hatten – und dann weitere 45 Tage, um diese zu implementieren. „Die Verhandlungen benötigen Zeit, da sie komplex sind“, schreibt Slok in einer Analyse.
Derweil hängen Verbraucher, die neuerliche Inflationssprünge infolge von Trumps Handelspolitik befürchten und ihr Erspartes vorsorglich lieber zusammenhalten, in der Luft. In einer aktuellen, vom auf Tourismus spezialisierten Analysedienst Future Partners veröffentlichten Umfrage geben 70% der mehr als 4.000 Teilnehmer an, aufgrund wirtschaftlicher Bedenken in den kommenden sechs Monaten mindestens eine Anpassung an ihrem Reiseverhalten vornehmen zu wollen. Dazu zählen ein Verzicht auf Flüge, Urlaube an weniger weit entfernten Destination, Stornierungen bereits gebuchter Reisen und andere Sparmaßnahmen.
Auch die Buchungsaktivität bei für Airlines lukrativen Geschäftsreisen verlangsamt sich bereits. Dabei sorgt auch das noch vom Tech-Milliardär Elon Musk geführte Department of Government Efficiency mit Kostenkürzungen dafür, dass Regierungsvertreter weniger fliegen. Die Fluggesellschaften haben daher schon an Preismacht eingebüßt und kommen mit neuen Angeboten auf Kunden zu, um ihre Maschinen auslasten zu können.
Enttäuschte Erwartungen
Der nach Passagieraufkommen fünftgrößte Carrier Nordamerikas, Alaska Airlines, hat bereits im ersten Quartal trotz eines Erlösanstiegs um 41% auf 3,14 Mrd. Dollar die Erwartungen der Wall Street enttäuscht, die mit 3,17 Mrd. Dollar gerechnet hatte. Für das zweite Jahresviertel erwartet das Unternehmen, das jüngst die Übernahme der Konkurrentin Hawaiian abgeschlossen hat, nun einen bereinigten Gewinn von 1,15 bis 1,65 Dollar pro Aktie. Die vom Analysedienst Factset ermittelte Konsensprognose lautete im Vorfeld auf 2,38 Dollar.
Alaska sah sich ebenso wie größere Rivalen nicht in der Lage, über den Juni hinauszublicken. „Inmitten der aktuellen makroökonomischen Unsicherheit machen es die kurzlebigen Buchungstrends sehr schwierig, Prognosen aufzustellen“, heißt es bei Southwest, die ihre vorher abgegebenen operativen Gewinnziele von 1,7 Mrd. Dollar für 2025 und 3,8 Mrd. Dollar für 2026 nicht mehr bestätigen will.
Zwei Prognosen von einer Airline
United Airlines gab sogar zwei Prognosen ab: Für den Fall einer Rezession in den USA rechnet das Unternehmen mit einem Umsatzrückgang von 5% im Gesamtjahr und einem bereinigten Gewinn von 7 bis 9 Dollar pro Aktie. Im Januar hatte United 11,50 bis 13,50 Dollar in Aussicht gestellt – diese Spanne will der Carrier immer noch erreichen, falls die Wirtschaft stabil bleibt und die Treibstoffpreise sich auf den aktuellen Niveaus halten.

Vom Handelskrieg sind indes nicht nur die Airlines betroffen. Die von Abstürzen, technischen Pannen und einem Maschinistenstreik gebeutelte Boeing plagen Sorgen im China-Geschäft. Flugzeugbauer sehen das Reich der Mitte eigentlich als größten Zukunftsmarkt, Boeing war dabei jahrelang der amerikanische Top-Industrie-Exporteur. Im vergangenen Jahr führte die US-Wirtschaft laut der International Trade Administration Flug- und Raumfahrtvehikel sowie Teile im Gegenwert von 12 Mrd. Dollar nach China aus und importierte praktisch nichts von dort.
Nun hat die chinesische Regierung heimische Airlines allerdings angewiesen, keine neuen Bestellungen für Boeing-Flugzeuge abzugeben und um offizielle Freigabe zu ersuchen, bevor sie Lieferungen des US-Herstellers entgegennehmen. Zuletzt haben chinesische Abnehmer drei bereits ausgelieferte Maschinen zurückgeschickt, die ihnen zu teuer geworden waren. Boeing-CEO Kelly Ortberg polterte in TV-Interviews und Analystenschalten, sein Unternehmen werde keine Flugzeuge mehr für den chinesischen Markt herstellen, wenn die dortigen Airlines diese nicht abnähmen. Für zurückgewiesene Jets könne er andere Käufer finden.
Verluste eingedämmt
„Wir werden uns die Finger wund arbeiten, um sicherzustellen, dass die China-Probleme unsere Erholung nicht gefährden“, sagte Ortberg. Im ersten Quartal dämmte Boeing die Verluste deutlich stärker als erwartet auf 31 Mill. Dollar ein, nachdem sie sich im Vorjahr noch auf 355 Mill. Dollar summiert hatten. Der Aktie verlieh dies Auftrieb, doch der Handelskrieg wirft lange Schatten voraus.
Zudem wecken von der Trump-Administration angepeilte US-Einreisebeschränkungen für Passagiere aus zahlreichen Herkunftsländern im Luftfahrtsektor Sorgen. Das Vertrauen der Verbraucher in die Flugsicherheit ist ohnehin angeschlagen, nachdem es am Himmel über Amerika zuletzt gehäuft zu Un- und Zwischenfällen kam. Im Zuge der Einsparmaßnahmen des DOGE setzte die Luftfahrtaufsicht FAA im Februar 400 Mitarbeiter vor die Tür, die weniger als ein Jahr lang bei der Behörde beschäftigt waren.
Verkehrsminister erntet Widerspruch
US-Verkehrsminister Sean Duffy beeilte sich darauf, resultierende Sorgen vor einer Unterbesetzung in der Flugsicherung zu dämpfen. „Kein einziger Fluglotse oder sicherheitsrelevanter Mitarbeiter wurde entlassen“, schrieb der ehemalige Reality-TV-Star auf Social Media. Die Gewerkschaft Professional Aviation Safety Specialists widersprach dem unmittelbar: Mehr als 130 der ausgemusterten Beschäftigten hätten Fluglotsen und die für die Luftfahrtfahrtsicherheit zuständigen Technologien direkt oder indirekt unterstützt.
Der Luftfahrtsektor fliegt infolge dieser politischen Entwicklungen also auf einen schweren Sturm zu. Zumindest den Airlines bleibt die vage Hoffnung, dass sich die Wolken in der Hauptreisesaison im Sommer wieder etwas lichten.