JSA24Sorge um US-Fiskalstabilität

Globalen Bondinvestoren droht unter Trump ein heftiger Schauer

Die Explosion der amerikanischen Staatsverschuldung stellt die Anleihemärkte vor große Herausforderungen. Der Machtwechsel in Washington droht die Probleme noch zu verschärfen.

Globalen Bondinvestoren droht unter Trump ein heftiger Schauer

Bondinvestoren drohen heftige Schauer

Die Explosion der amerikanischen Staatsverschuldung stellt die Anleihemärkte vor große Herausforderungen. Der Machtwechsel in Washington droht die Probleme noch zu verschärfen.

Von Alex Wehnert, New York

Noch sind auf der Wetterkarte der Finanzmärkte nur Tröpfchen zu erkennen. Doch im Westen braut sich ein Regensturm zusammen, der Investoren bis auf die Knochen zu durchnässen droht. Denn die Zweifel an der fiskalischen Stabilität der USA wachsen – und damit auch die Ängste vor Turbulenzen im 28 Bill. Dollar schweren Treasury-Markt, dem sicheren Hafen des globalen Finanzsystems. „Die Vereinigten Staaten fahren mit Blick auf Verschuldung und Haushaltsfinanzierung in absehbarer Zeit auf Autopilot“, sagt Brian Gardner, Washington-Chefstratege bei Stifel. Und Jan Hatzius, Chefvolkswirt von Goldman Sachs, schlägt gegenüber der Börsen-Zeitung in die gleiche Kerbe: „Der US-Haushalt befindet sich fraglos auf einem nicht nachhaltigen Weg.“

Alarmglocken schrillen

Was den Experten so große Bauchschmerzen bereitet: Während die Teilnehmer an den Finanzmärkten über eine gelockerte Geldpolitik jubeln, ist die Verschuldung der Vereinigten Staaten auf über 36,1 Bill. Dollar ins Kraut geschossen. Nach Prognosen des Congressional Budget Office (CBO) dürfte sie innerhalb der kommenden Dekade in Richtung von 140% des Bruttoinlandsprodukt klettern. Damit könnte die USA bald in einer Liga mit Japan und Italien spielen, wie Jan Viebig, Chief Investment Officer von Oddo BHF, gegenüber der Börsen-Zeitung bereits im Spätsommer warnte.

Spätestens der lang gezogene Streit um die Anhebung der Schuldengrenze in Washington 2023, in dessen Folge sich das US-Finanzministerium de facto über Monate kein Geld über neue Wertpapiere leihen konnte und den Markt im Anschluss fluten musste, hat auch bei den Ratingagenturen die Alarmglocken schrillen lassen. Fitch senkte ihre Bonitätseinstufung 2023 bereits von „AAA“ auf „AA+“ und kritisierte die „Erosion des staatlichen Ordnungsrahmens“ der USA in den vergangenen beiden Jahrzehnten, Moody's stellt einen negativen Ausblick.

Bereits unter der demokratischen Regierung von Präsident Joe Biden haben sich die Defizite auf Niveaus aufgebläht, die vor der Finanzkrise 2008 nie auch nur in Reichweite waren. Doch ab dem 20. Januar, erwarten Politikbeobachter, droht in Washington neuer fiskalischer Wirbel. Zwar soll die vom designierten Präsidenten Donald Trump geplante Effizienzkommission unter Führung seines Verbündeten Elon Musk den Verwaltungsapparat verschlanken, Ausgaben streichen und somit angeblich bis zu 2 Bill. Dollar einsparen. Doch will der Republikaner nach seinem Antritt im Oval Office nicht nur Abgabensenkungen für Unternehmen aus seiner ersten Amtszeit verlängern, sondern winkt auch mit einer Kürzung der Steuer für Inlandsproduzenten auf 15%.

Verpflichtungen explodieren

„Während das an sich noch keine extrem expansive Fiskalmaßnahme darstellt, besteht das größere Problem darin, dass das Defizit mit rund 6% des Bruttoinlandsprodukts bereits sehr groß ist“, sagt Hatzius. Um die Haushaltslücken zu finanzieren, ist das US-Finanzministerium gezwungen, in Rekordvolumina neue Anleihen an den Markt zu werfen – und das trotz Zinssenkungen der Federal Reserve zu den höchsten Renditeniveaus seit der Finanzkrise.

Donald Trumps geplante Steuersenkungen verstärken Sorgen um die US-Fiskalstabilität. Foto: picture alliance / zz/Andrea Renault/STAR MAX/IPx | zz/Andrea Renault/STAR MAX/IPx.

In der Folge explodieren die US-Zinsverpflichtungen: Um 37 Mrd. Dollar sind die laufenden Zahlungen der Treasury auf ihre Kredite im dritten Quartal 2024 gegenüber dem Vorjahr in die Höhe geschnellt, und die Quote „Interest Payments to Tax Receipts“ hat mit 37,8% Ende November den höchsten Stand seit 1996 erreicht. Der Sprung des vom Zinsdienst aufgefressenen Anteils der Staatseinnahmen über die vergangenen beiden Jahre ist in der modernen amerikanischen Geschichte beispiellos.

Schleichender Anstieg der Laufzeitprämien

„Um auf Dauer ein Primärdefizit von 3 % des BIP aufrechtzuerhalten, braucht man eine Kombination von extrem starkem Wirtschaftswachstum und extrem niedrigen Realzinsen“, prognostiziert Hatzius. Dies sei aber unwahrscheinlich, weil Wachstum und Zinsen in der Regel zusammen auf und ab gingen. Ab einem gewissen Punkt werde das wohl in einer Krise resultieren. „Dieser Zeitpunkt liegt angesichts der finanziellen Kapazität der Vereinigten Staaten und der globalen Nachfrage nach US-Staatsanleihen wahrscheinlich noch in einiger Ferne“, sagt der Goldman-Ökonom. „Doch die Laufzeitprämien werden sich weiter nach oben bewegen.“

Der amerikanische Staat muss auf langfristige Verbindlichkeiten also überproportional höhere Zinsen berappen als auf kurzfristige. Tatsächlich hat die Inversion der US-Zinsstrukturkurve zuletzt begonnen, sich aufzulösen. Die Rendite dreimonatiger Schatzwechsel ist Mitte Dezember auf ein Jahrestief bei 4,33% gefallen, während der zehnjährige Titel trotz der Lockerungen der Fed unter Druck steht. In den drei Monaten nach dem großen Zinsschnitt der Währungshüter aus dem September trieben Sorgen um die fiskalische Nachhaltigkeit die T-Note-Rendite um rund 70 Basispunkte. Wie Hatzius betont, hat dies signifikante Folgen für Hypothekenschuldner und Kreditnehmer aus dem Unternehmenssegment und droht die gesamtwirtschaftliche Aktivität zu belasten.

Volatilität zieht an

An den Bondmärkten hat die Furcht vor einer Erosion der Finanzstabilität rund um die Präsidentschaftswahlen bereits deutliche Schwankungen nach sich gezogen. Der ICE BofAML Move Index, ein viel beachtetes Maß für die Volatilität von US-Anleihe-Futures, markierte Anfang November mit über 135 Punkten den höchsten Stand seit Mitte 2023.

Seither ist die Schwankungsbreite der Fixed-Income-Kurse zwar wieder zurückgegangen. Doch der Finanzdienstleister State Street erwartet langfristige Volatilitätsanstiege – auch, weil die Fed infolge ihres Bilanzabbaus als Ankerinvestor im Treasury-Markt wegfällt und preissensitivere Teilnehmer in der neuen Finanzmarktwelt ein größeres Gewicht einnehmen. „Die höhere Empfindlichkeit von US-Staatsanleihen gegenüber Marktschwankungen und makroökonomischen Daten stellen die traditionelle Sicht auf Treasuries als Safe-Haven-Assets in Frage“, kommentieren die Analysten. Und können Investoren den sicheren Hafen nicht mehr ansteuern, drohen sie bei Verwerfungen in anderen Assetklassen schnell schutzlos im Sturm zu treiben.


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