Jahrelange Belastungsprobe für Bondmärkte
Die Staatsanleihemärkte der Eurozone stehen in den kommenden Jahren vor einer enormen Belastungsprobe, und ob sie diese letzten Endes bestehen, ist alles andere als sicher. Nicht nur Deutschland und die EU schnüren voluminöse Verteidigungs- und Infrastrukturpakete, auch andere Staaten werden hier noch nachziehen. Da die Kassen ja überwiegend doch recht leer sind, Verteidigungsgüter und Infrastrukturprojekte also nicht aus dem Haben-Saldo bestritten werden können, muss finanziert werden, was den Anleihemarkt entsprechend stark beanspruchen wird. Prinzipiell dürften die soliden Staatsadressen der Eurozone keine Probleme haben, ihre Staatspapiere am Markt zu platzieren. Das sind die drei verbliebenen Triple-A-Staaten im Euroraum – neben dem Bund das Großherzogtum Luxemburg und die Niederlande, wobei im Fall von Luxemburg wohl kaum mit umfangreichen Bond-emissionen zwecks Verteidigungsausgaben zu rechnen ist. Diese drei Staaten dürften immer noch die geringsten Renditen entlang ihrer Kurven behalten, allen voran der Benchmark-Emittent der Eurozone, der Bund.
Satz nach oben
Dennoch hatten sogar die Bundrenditen unmittelbar nach Ankündigung der Milliardenpakete einen Satz nach oben gemacht, wie dies seit der Wiedervereinigung 1990 nicht der Fall war. Insgesamt werden die Staatsanleiherenditen nach oben gehen, wenn in Summe Hunderte von Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufgenommen werden. Natürlich muss erst einmal abgewartet werden, was in anderen Ländern an Verteidigungs- und Infrastrukturpaketen geschnürt wird und über welche Zeiträume das dann letztlich finanziert werden soll, bevor sich verlässlicher abschätzen lässt, welche Marktauswirkungen damit einhergehen. Feststehen dürfte aber, dass die schwächeren Länder, die der Markt ohnehin schon im Blick hat, am ehesten Probleme bekommen könnten.
Die Probleme bestehen nicht nur darin, höhere Renditen für die Anleihen berappen zu müssen, was die Haushalte in den nächsten Jahren mit höheren Zinskosten für erhebliche Kapitalvolumina belasten wird. Diese Länder könnten sich auch mit der Schwierigkeit konfrontiert sehen, dass ihre Platzierungsfähigkeit abnimmt, wenn Anleger das Risiko als zu groß einstufen und dem Emittenten auch mal die kalte Schulter zeigen – also trotz höherer Renditen nicht zugreifen. Da würde ein Aufschrei durch die Märkte gehen, wenn Single-A-Staaten auf einmal ihre Bondvolumina nicht mehr zusammenbekommen. So weit ist es noch nicht, aber mit immer höheren Volumina sollte der Fall zumindest nicht vom Tisch gewischt werden.
Und was könnte passieren, wenn der Fall eines Käuferstreiks zutage tritt und das Problem sich sogar auf mehrere Länder ausweitet? Dann könnte mal wieder die Europäische Zentralbank (EZB) gefordert sein. Sie könnte – wie in der Staatsschuldenkrise – neue Kaufprogramme für Bonds auflegen und darüber den Staaten das Platzierungsrisiko abnehmen.
Zinsanstieg schwächt die Wirtschaft
Die Flut lässt bekanntlich alle Boote steigen, und die höheren risikolosen Staatsanleiherenditen haben natürlich auch Auswirkungen auf andere Adressen am Markt: Banken, Versicherer, Industrieunternehmen, die mit Infrastruktur und Rüstung nichts zu tun haben, sehen sich ebenfalls mit höheren risikolosen Sätzen konfrontiert. Das bedeutet: Auch ihre Finanzierungskosten steigen und wirken damit belastend. Kurzum: Der Zinsanstieg am Markt schwächt die Wirtschaft. Fragt sich nur, in welchem Ausmaß.
Ein Aspekt wird den Zinsanstieg hingegen deckeln. Steigen die Renditen beim Bund, dann werden diese Verzinsungen für viele Anleger attraktiv. Diese Investoren werden dann zugreifen und sich das Niveau sichern wollen. Allein ihre Käufe bremsen den Renditeanstieg wiederum ab. Da die Anleger dann zugreifen, sichert es umgekehrt den Emittenten auch die Platzierbarkeit ihrer Bonds. Das gilt für die soliden Ratings. Neben dem Bund und den Niederlanden dürfte somit auch die EU selbst kaum Probleme bekommen, ihre Anleihen loszuwerden. Denn wenn ein Käuferstreik bei EU-Anleihen tatsächlich der Fall werden sollte, hat Europa ein Riesenproblem.
Anleihemärkte
Jahrelange Belastungsprobe
Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur werden fremdfinanziert. Die hohen Summen stellen die Anleihe-märkte vor eine Belastungsprobe, und zwar über Jahre.