ESG und Sachwerte – Herausforderungen und Lösungen
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg soll das weltweit nach ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) verwaltete Vermögen bis 2025 auf mehr als 53 Bill. Dollar steigen – das wären mehr als ein Drittel des global angelegten Kapitals. Dabei betrifft der Wunsch nach Nachhaltigkeit längst nicht mehr nur Aktien- und Anleiheinvestments, sondern zunehmend auch den Sachwertebereich. So hat das Analysehaus Scope in einer aktuellen Umfrage unter 30 Assetmanagern mit einem Immobilienvermögen von rund 300 Mrd. Euro festgestellt, dass fast 90 % der Gesellschaften inzwischen eine ESG-Due-Diligence im Anlageprozess umsetzen.
Mittlerweile Mainstream
Dass nachhaltige Geldanlage in allen Segmenten immer mehr zum Mainstream wird, hat verschiedene Ursachen. Eine ist sicherlich, dass der Klimawandel aufgrund von Dürren, Hitzewellen, Waldbränden oder abschmelzenden Gletschern auch in Europa spürbar wird. Das scheint das Bewusstsein breiter Bevölkerungsschichten dem Thema gegenüber zu erhöhen, was sich beim Konsum, bei der Wahl des Energieträgers oder eben auch bei der Geldanlage zunehmend widerspiegelt.
Der wichtigste Treiber indes ist im Investmentbereich die Regulatorik. Maßnahmen wie die Transparenzverordnung, die EU-Taxonomie oder dass Finanzberater seit Anfang August laut einer Änderung der Mifid-II-Richtlinie künftig dazu verpflichtet sind, in Beratungsgesprächen gezielt die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kundschaft abzufragen, sollen mehr privates Kapital in nachhaltige Anlagen lenken. Schließlich ist es das erklärte Ziel der Europäischen Union, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden und das Pariser Abkommen, das die Begrenzung der weltweiten Erwärmung auf zwei Grad und im Idealfall auf 1,5 Grad vorsieht, einzuhalten.
Ansatzpunkt Immobilien
Im Sachwertesegment sind gerade Immobilien ein wichtiger Ansatzpunkt. Laut dem Umweltbundesamt machen Gebäude hierzulande 35 % des Endenergieverbrauchs aus und verursachen rund 30 % der Kohlendioxidemissionen. Und das gilt in ähnlichem Umfang auf europäischer Ebene. Folglich sind Immobilien auch im Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung ein wichtiger Bestandteil. Zudem ist im Rahmen des europäischen Green Deals die Förderung der Renovierung und Dekarbonisierung von Gebäuden vorgesehen.
Dass ESG-spezifische Kriterien immer häufiger integraler Bestandteil von Anlagestrategien und des Risikomanagements bei institutionellen Investoren werden, kann deshalb nicht überraschen. Außerdem erweist sich gerade im Immobiliensegment, aber auch bei anderen Sachwerten die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien aufgrund der vergleichsweise langen Investitionszyklen als sinnvoll. Schließlich lässt sich so eine langfristige Wertstabilität gewährleisten, wodurch Miet- und damit Ertragspotenziale gesteigert werden können.
So gut und einfach dies alles klingt, bei Sachwerten wie Immobilien gilt es für Assetmanager auch eine ganze Reihe von Herausforderungen zu meistern, um sicherzustellen, dass ein Objekt auch wirklich den Nachhaltigkeitsanforderungen der Anlegerinnen und Anleger entspricht. Eine wichtige Rolle spielt dabei, dass es bis heute keine branchenweit einheitlichen Definitionen der Nachhaltigkeitskriterien gibt. Bei Immobilieninvestments gibt es zwar in manchen Bereichen detaillierte Vorgaben, wie in der Taxonomie oder im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung. Doch mangelt es zugleich an einer umfassenden einheitlichen Ausgestaltung und Etablierung von ESG-Kriterien und entsprechenden Benchmarks.
Mangel an Daten
Das, was für die gesamte Fondsbranche gilt, nämlich der weit verbreitete Mangel an gemeldeten oder sonstigen verlässlichen Daten für die Bewertung von Investitionen, gilt auch für Sachwerte. Bei Immobilien fehlen einheitliche und branchenweite Standards, wie Nachhaltigkeitsmerkmale zu erfassen und nachzuweisen sind und wie die notwendigen Daten erhoben werden sollen. Dazu kommt bei Gebäuden, dass die Daten, die für die ESG-Beurteilung relevant sind, aus sehr unterschiedlichen Quellen zusammengetragen, transparent gemacht und dann für Investorinnen und Investoren leicht erfassbar aufbereitet werden müssen. Diese Daten kommen beispielsweise von Mietparteien, Dienstleistungsunternehmen aus den Bereichen Energie- und Abfallmanagement oder von Versicherern und Handwerksbetrieben. Dazu kommen Standortinformationen oder Energieausweise.
Zwar gibt es mit DGNB, BREEAM und LEED drei Zertifizierungssysteme zur ökologischen Nachhaltigkeit von Gebäuden, doch hilft das nur bedingt. Denn auch wenn sie umfangreiche Kriterienkataloge zur Vergabe ihrer Siegel nutzen, so unterscheiden sie sich doch stark voneinander und lassen sich deshalb kaum vergleichen.
Fehlende Transparenz
Diese fehlende Transparenz bei Immobilien hat verschiedene Konsequenzen. So fällt das ESG-Reporting bislang zum Teil sehr unterschiedlich aus, und zwar sowohl mit Blick auf den Inhalt als auch in Form und Gestaltung. Das erschwert Investorinnen und Investoren und anderen beteiligten Interessengruppen den Vergleich von Daten und Verfahren. Mit der Folge, dass es aufgrund dieser Divergenzen und des Fehlens einheitlicher Standards leicht zum Vorwurf des Greenwashings kommen kann.
Die gute Nachricht: Dieses Risiko lässt sich zumindest reduzieren, und zwar mit verlässlichen und umfassenden ESG-Daten, die transparent und nachvollziehbar aufbereitet werden. Sie sind für Assetmanager eine maßgebliche Entscheidungsgrundlage und unterstützen bei der Entwicklung und Steuerung nachhaltiger Sachwertefonds. Aus diesem Grund arbeiten Service-KVGs an Lösungsmöglichkeiten, um die Auflegung und Administration von ESG-Fonds im Sachwertebereich zu verbessern.
Toolbox für ESG-Kriterien
Hilfreich kann aus diesem Grund eine umfassende Aufstellung der verschiedenen Daten, geordnet nach ökologischen, sozialen und die Governance betreffenden Kriterien, in einer Art Toolbox sein. Sie sollte auf der Regulatorik der Offenlegungsverordnung und der Taxonomie sowie den sogenannten Principal Adverse Impact Indicators (PAIs) beruhen und muss den regulatorischen Änderungen entsprechend laufend weiterentwickelt werden. Daraus können Assetmanager die individuell benötigten Nachhaltigkeitskriterien spezifisch auswählen und Grenzwertdefinitionen an ihre Bedürfnisse anpassen.
Erfolgsfaktor ESG-Reporting
Immer mehr zum Erfolgsfaktor wird auch ein umfassendes ESG-Reporting, das für die nötige Transparenz sorgt. Eine Voraussetzung dafür ist eine ausreichende technische Infrastruktur. Schließlich müssen alle ESG-relevanten Daten zu einem Gebäude aus den unterschiedlichen Quellen erfasst und mit Hilfe von Smart-Data-Lösungen mit den intern vorhandenen Daten zusammengebracht werden. Dabei werden Attribute zu ESG-Merkmalen und -Zielen, -Grenzwertdefinitionen sowie -Normen und -Standards in einer Art Instrumentenkasten gesammelt und zur Verfügung gestellt. Mit einer solchen Reporting-Lösung lässt sich der ESG-Status-quo darstellen, die Performance kann entlang eines Fünf-Sterne-Ratings visualisiert werden, und Entwicklungspotenziale lassen sich auf Fonds- sowie auf Objektebene vergleichen.
Ergänzend dazu können Rahmenvereinbarungen mit ausgewählten ESG-Datenanbietern sinnvoll sein. Dabei werden Assetmanagern Messdaten für die Anlagengrenzprüfung mit Fokus auf umweltbezogene Daten geliefert.
Konkret geht es um die Datenerfassung, -bereitstellung und -auswertung, die Überwachung und das Reporting sowie Potenziale und Maßnahmen, die sich daraus ergeben. Dadurch lassen sich potenzielle Vorteile wie die Steigerung der Effizienz oder die Optimierung der Kosten nutzen. Zudem können damit Maßnahmenszenarien erstellt werden.
Und schließlich sollte die Überführung der notwendigen Daten für die Anlagengrenzprüfung gemäß den jeweiligen Anlagenrichtlinien sowie dem ESG-Reporting möglich gemacht werden. Ein solches Instrumentarium bietet aber nicht nur Fondsinitiatoren und Assetmanagern den gesamten Prozess der Datenbeschaffung und -auslieferung aus einer Hand. Sondern vor allem profitieren die Anlegerinnen und Anleger, da sie so mehr Transparenz bezüglich der Nachhaltigkeit von Sachwerten bekommen.