Kapitalschnitt

Auch Gasimporteur Sefe vor Verstaat­lichung

Die Energiekrise spitzt sich weiter zu. Nach der Verstaatlichung von Uniper prüft die Bundesregierung nun auch die Option einer De-facto-Enteignung der ehemaligen Gazprom-Tochter Sefe per Kapitalschnitt.

Auch Gasimporteur Sefe vor Verstaat­lichung

cru Frankfurt

Nach der Verstaatlichung von Uniper richtet sich das Augenmerk der Bundesregierung auf milliardenschwere Liquiditätshilfen für den Gaseinkauf der Stadtwerke und auf die Rettung des nächsten Gasimporteurs. Zwei Insider sagten der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag, eine Verstaatlichung sei auch bei Sefe (Securing Energy for Europe) eine Option. Allerdings dürfte dies noch einige Wochen dauern. Die Bundesnetzagentur, die vorübergehend die Kontrolle bei Sefe ausübt, äußerte sich genauso wie das Ministerium.

Mitte Juni hatte der Bund das Unternehmen mit einem Milliardenbetrag über die KfW gestützt, um eine Pleite zu verhindern. Damals hieß es, in einem nächsten Schritt prüfe die Bundesregierung Möglichkeiten, das Darlehen in Eigenkapital umzuwandeln, um so auch langfristig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Im Umfeld von Sefe heißt es, eine Option sei, dass das Unternehmen einen Kapitalschnitt vorbereite, um dem Staat einen günstigen Einstieg zu ermöglichen. Der Schritt würde Gazprom de facto enteignen – wovor der Staat bislang aus Sorge vor Vergeltungsmaßnahmen­ zurückgeschreckt ist. In Regierungskreisen hieß es zuletzt, die Treuhandlösung sei auf Dauer schwierig. Anders als bei Uniper plant die Regierung einem Insider zufolge aber keine Verstaatlichung des Gasimporteurs VNG. Das Leipziger Unternehmen ist eine Tochter des baden-württembergischen Energiekonzerns EnBW.

Am Mittwoch hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angesichts von Milliardenverlusten bei Uniper die Reißleine gezogen und die Übernahme von 99 % der Anteile angekündigt. Der Deal soll bis zum Jahresende über die Bühne gehen. Insgesamt umfasst die Rettung des größten deutschen Gaskonzerns 29 Mrd. Euro.

Weil Gaslieferungen aus Russland ausbleiben, sind die Importeure massiv unter Druck geraten. Sie müssen am Spotmarkt teuren Ersatz beschaffen, um ihre Kunden wie vereinbart zu beliefern. Das setzt auch der Leipziger VNG und Sefe zu. VNG hatte kürzlich einen Antrag auf Staatshilfe gestellt. Habeck hatte angekündigt, darüber rasch zu entscheiden.

Die Preisexplosion schafft auch Probleme für die Zukunft – wie kürzlich Eon-Chef Leonhard Birnbaum im „Spiegel“ erläuterte: „Stromproduzenten oder Gashändler, die Mengen im Voraus verkaufen, müssen bei einer Bank Geld als Sicherheit hinterlegen. Das schützt den Käufer für den Fall, dass die Lieferung ausfällt und er die Mengen anderweitig beschaffen muss. Je höher die Preise steigen, umso mehr Geld muss der Anbieter hinterlegen. Wer derzeit vorverkaufen will, muss deshalb sehr viel Geld zur Hand haben. Die Alternative ist: Er verkauft nicht im Voraus, sondern schiebt die Mengen lieber in den Spotmarkt. Gleichzeitig versuchen verzweifelte Vertriebe und Speicherbetreiber, sich vorausschauend einzudecken. Doch weil das Angebot so begrenzt ist, schießen die Preise auf dem Forward-Markt in die Höhe.“

Die Bundesregierung prüft derweil Insidern zufolge milliardenschwere Hilfsmaßnahmen für die durch die Energiekostenexplosion unter Druck geratenen Regionalversorger und Stadtwerke. Einem Insider zufolge geht es um Liquiditätshilfen für den Gaseinkauf. Diese seien dringend nötig, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU), Ingbert Liebing. „Wir brauchen Liquiditätshilfen für die Stadtwerke, die jetzt zum Zehnfachen der bisher üblichen Preise einkaufen müssen, bevor sie verkaufen können.“ Das stelle viele Stadtwerke vor gewaltige Schwierigkeiten. „Auch deshalb, weil bei den Banken dann teilweise nicht mehr die Finanzierung möglich ist.“ Es gehe um einen bis zu mittleren zweistelligen Milliardenbetrag. „Ob das nun 20, 30 oder 50 Milliarden sind, ist für mich die zweitrangige Frage.“

„Die Städte fordern vom Bund einen Rettungsschirm für die Stadtwerke“, sagt der Präsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister von Münster, Markus Lewe. Dieser müsse dafür sorgen, dass sie am Markt agieren könnten. „Wenn Stadtwerke in existenzielle Schief­lage geraten, drohen sehr viele Leistungen der Daseinsvorsorge in den Städten wegzubrechen, wie Wasser, Abwasser, Müllentsorgung und ÖPNV.“ Deshalb müssten Bund und Länder ein Sicherungsnetz spannen.

VKU-Fachmann Liebing verweist darauf, dass die Stadtwerke immer häufiger zur Absicherung ihrer Geschäfte hohe Kautionen hinterlegen müssen. „Das bindet alles Liquidität, und dafür brauchen wir Unterstützung.“