Baywa kämpft mit Sanierungshindernissen, BaFin prüft mögliche Transparenzverstöße
Baywa kämpft mit Sanierungshindernissen
Gläubiger und Eigentümer-Kreditgenossen ringen um Zerschlagungsplan von Roland Berger – Verhandlungen mit Betriebsrat
sck München
Nach zwei Finanzspritzen im Sommer von insgesamt 1 Mrd. Euro treten die Verantwortlichen bei der Rettung des in Schieflage geratenen Agrarhandelskonzerns Baywa auf der Stelle. Eineinhalb Monate nach Bekanntgabe des Sanierungsplanentwurfs der Beratungsgesellschaft Roland Berger haben die verantwortlichen Gremien immer noch keine endgültige Entscheidung darüber gefällt, wie die Neuordnung des einstigen SDax-Mitglieds in die Praxis umgesetzt werden soll. Im Kern läuft es auf eine Zerschlagung des Konglomerats hinaus. Diese beinhaltet auch einen Stellenabbau.
Nach Informationen der Börsen-Zeitung werden die Konzernmitarbeiter möglichst behutsam auf die bevorstehenden radikalen Änderungen vorbereitet. Das Management informierte sie Ende Oktober hausintern über den Stand der Dinge. Vor einer Woche sprachen Finanzvorstand Andreas Helber und Marketing-Vorständin Marlen Wienert auf einer Betriebsversammlung.
Cefetra-Gruppe soll bleiben
Ende dieser Woche sollen Verhandlungen zwischen dem Vorstand und den Arbeitnehmervertretern beginnen. Allerdings dürften diese sich noch schwieriger gestalten als die desaströse Lage des Unternehmens ohnehin zu erwarten lässt. Denn beide Seiten führen Gespräche ohne faktisch zu wissen, wie schlussendlich die kreditgenossenschaftlichen Eigentümer und die zahlreichen Gläubiger des Konzerns die Baywa zusammenstutzen wollen.
Eine Trennung von der verlustreichen Solar- und Windkraftanlagenprojekttochter Baywa r.e. gilt als ausgemachte Sache. Die für den internationalen Getreidehandel zuständige Cefetra-Gruppe aus Rotterdam soll indes Bestandteil der Baywa bleiben.
Chefrestrukturierer im Dilemma
Dadurch befindet sich der von den Gläubigerbanken und dem Aufsichtsrat installierte Restrukturierungschef Michael Baur in einem Dilemma. Einerseits muss er Kraft seiner Führungsrolle die Sanierung auch auf operativer Ebene voranbringen, andererseits sind ihm die Hände gebunden, da noch der Beschluss zur Zerschlagung des Unternehmens aussteht.
Faktisch sind die beteiligten Personen immer noch nicht genau im Bilde darüber, in welche Richtung die Neustrukturierung der Baywa im Detail geht. Das hindert Baur daran, in der entscheidenden Phase zur Rettung des Konzerns strukturiert und entschlossen voranzukommen.
Der von Alix Partners kommende Sanierungsfachmann ist seit Anfang November offiziell Mitglied des Vorstands. Baur ist seit Mitte Juli bei der Baywa aktiv. In dieser Funktion übt er faktisch die Rolle des CEO aus.
Umfangreiches Gutachten
Vorstandschef Marcus Pöllinger verließ Baywa vor kurzem. Er war nur 19 Monate CEO des Unternehmens. Der Langzeit-CFO Helber geht Ende März kommenden Jahres. Darauf verständigten sich beide Manager zuvor mit Chefaufseher Gregor Scheller. Der Kreditgenosse leitet das Kontrollgremium seit Mai.
Das Sanierungsgutachten von Roland Berger umfasst rund 600 Seiten. Es soll in seiner endgültigen Fassung erst im Dezember vorliegen. Das heißt, bis Jahresende dürfte es noch dauern, bis die Gläubiger und Haupteigentümer auf ein für alle Seiten tragbares Konzept absegnen.
Kontoverse Debatte
Ein wesentlicher Grund dafür, dass sich die Entscheidung so hinauszögert, ist die große Zahl der involvierten Gläubigerbanken, der Gläubiger aus Leasinggeschäften und die umfangreiche Gruppe der Volks- und Raiffeisenbanken aus Bayern, die mit einem Anteil von zusammen über 38% den größten Einzelaktionär stellen. Insgesamt umfasst diese heterogene Einheit rund 300 Gesellschaften, die sich auf einen gemeinsamen Nenner einigen müssen. Das nimmt sehr viel Zeit in Anspruch.
Auf der jüngsten Gläubigerversammlung soll es dem Vernehmen nach sehr kontrovers zugegangen sein. Das zeigt, dass selbst unter den Gläubigern noch keine einheitliche Linie besteht.
Schuldenberg von 11,1 Mrd. Euro
Zu den größten Gläubigerbanken gehören die ebenfalls zum Genossenschaftssektor gehörende DZ Bank, die LBBW, die Commerzbank und die Unicredit-Tochter HypoVereinsbank. Der Schuldenberg der hochdefizitären Baywa-Gruppe betrug Ende Juni 11,1 Mrd. Euro. Davon machten Finanzschulden 5,4 Mrd. Euro aus, Leasingverbindlichkeiten 1,1 Mrd. Euro. Baywa veröffentlicht am Donnerstag ihre Zahlen zum dritten Quartal.
Ursprünglich war vorgesehen, dass die Baywa bis Ende Oktober Beschlüsse auf Basis des Sanierungsgutachtens der Öffentlichkeit vorstellen kann. Darüber berichtete zuvor die Börsen-Zeitung.
Widerstand im eigenen Lager
Derweil stößt auch Chefaufseher Scheller im eigenen Gremium auf Widerstand. So kann er auf der Kapitalseite keinen personellen Wandel herbeiführen, wenn jene Aufsichtsräte aus dem kreditgenossenschaftlichen Sektor keine Bereitschaft zeigen, ihr Mandat vorzeitig niederzulegen, um anderen Personen in der schwierigen Lage Platz zu machen. In einer turnusmäßigen Wahl hat die Hauptversammlung vom Juni viele Mitglieder abermals in ihren Ämtern betätigt. Deren Mandate laufen bis 2028.
Dazu gehören u.a. die beiden Volksbanken-Funktionäre Wolfgang Altmüller (Vorstandsvorsitzender der Meine VR eG in Rosenheim) und Wilhelm Oberhofer (Vorstand der Raiffeisenbank Kempten-Oberallgäu). Beide gehören dem Baywa-Aufsichtsrat seit 2014 (Altmüller) bzw. 2015 (Oberhofer) an. Aufgrund ihrer Funktion tragen sie eine Mitverantwortung für die Misere.
Fremdfinanzierte Expansion führt in die Krise
Die Baywa geriet im Frühsommer 2024 ins Trudeln, als die Bedienung der Schulden mit ausreichend liquiden Mitteln nicht mehr möglich war. Zuvor expandierte der Konzern überwiegend kreditfinanziert in Übersee unter Pöllingers Amtsvorgänger Klaus Josef Lutz.
Das trug entscheidend dazu bei, dass sich die Verbindlichkeiten vor allem in der zurückliegenden Zinstiefphase anhäuften. Als die Marktzinsen stiegen, explodierten die Zinsaufwendungen für die Baywa. Das sorgt seit Mitte 2023 für hohe Verluste.
Baywa kämpft mit Sanierungshindernissen
Gläubiger und Eigentümer-Kreditgenossen ringen um Zerschlagungsplan von Roland Berger – Verhandlungen mit Betriebsrat
sck München
Verdacht auf Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften
Derweil teilte die deutsche Finanzaufsicht BaFin mit, wegen des Verdachts auf Verstöße gegen Transparenzpflichten bei der Darstellung der Finanzlage des Unternehmens angeordnet zu haben, den Konzernabschluss der Baywa AG für 2023 und den zugehörigen Konzernlagebericht zu prüfen. Die Behörde begründete ihre Entscheidung datiert vom 29. Oktober dieses Jahres damit, dass „konkrete Anhaltspunkte“ vorlägen für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften.
Im Detail führte die BaFin aus, dass „die Darstellung der Finanzlage und der Risiken aus der Finanzierung des Konzerns sowie die Darstellung der Risikomanagementziele und -methoden im Konzernabschluss und im Konzernlagebericht möglicherweise fehlerhaft sind“. Die Finanzaufsicht wies darauf hin, dass Unternehmen in der Darstellung ihrer Finanzlage auch das Liquiditätsrisiko beschreiben müssen. Darin sei das Refinanzierungsrisiko eingeschlossen. Rechtsgrundlage der Sonderprüfung der BaFin ist § 107, Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes. Erhärtet die Prüfung den Verdacht, droht der Baywa je nach Einordnung des Sachverhalts (fahrlässig, grob fahrlässig oder vorsätzlich) mindestens eine Geldbuße. Im Extremfall kann das zu einem Strafverfahren führen.
Ressortverantwortung beim CFO
Die Vorwürfe fallen in die Ressortverantwortung des CFO, also von Helber. Allerdings haftet für die Richtigkeit und die Klarheit der Angaben laut Gesetz der gesamte Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft als Kollegialorgan. Im Fall der Baywa unterschrieben sämtliche Vorstandsmitglieder den Konzernabschlussbericht per 25. März 2023. Abschlussprüfer war zu diesem Zeitpunkt PricewaterhouseCoopers (PwC).
Die Börsen-Zeitung berichtete zuvor mehrfach über mögliche Transparenzmängel im Konzernabschlussbericht 2023. So wies PwC in ihrem uneingeschränkten Testat unter anderem nicht auf die bereits seinerzeit bekannte angespannten finanzielle Lage des Unternehmens hin. PwC versah den Konzernabschluss und -lagebericht mit Unterschriften zweiter Senior-Abschlussprüfer, datiert vom 26. März 2023. PwC steht derzeit unter großem Druck. So verhängten chinesische Behörden und die Wertpapieraufsicht des Landes im September gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Geldbußen von insgesamt umgerechnet 56 Mill. Euro und versahen zudem einen mehrmonatigen Geschäftsverbot. Grund dafür waren Versäumnisse bei der Prüfung des insolventen Immobilienkonzerns China Evergrande.
Folgenschweres Fehlurteil des Vorstands
Laut Konzernlagebericht war die angespannte finanzielle Lage den zuständigen Organen des Unternehmens und dem Abschlussprüfer spätestens im November 2023 bekannt. Wie der Aufsichtsrat im Geschäftsbericht ausführte, fand in jenem Monat eine Sitzung des Kontrollgremiums statt, bei dem auch PwC und CEO Pöllinger sowie CFO Helber teilnahmen. Darin besprachen die Teilnehmer unter anderem, welche Bereiche der Abschlussprüfer durchleuchten werde. Wie in den Jahren zuvor prüfte PwC vor allem die Aktivitäten rund um die Baywa r.e. Wenige Tage darauf berichtete die Baywa über tiefrote Zahlen im dritten Quartal 2023 aufgrund deutlich gestiegener Zinsaufwendungen.
Im Risikobericht des Konzernlageberichts kommt der Vorstand bei der Gesamtbeurteilung der Chancen- und Risikosituation zu einem glatten Fehlurteil. Auf Seite 75 unten heißt es dazu wörtlich: „Die Gesamtbeurteilung der gegenwärtigen Chancen- und Risikosituation ergibt, dass weder Einzelrisiken noch Risiken im Zusammenwirken bestehen, die den Fortbestand des Konzerns gefährden. Die Gesamtbeurteilung ist damit unverändert zum Vorjahr. Auch für die Zukunft sind bestandsgefährdende Risiken gegenwärtig nicht erkennbar. Insgesamt sind die Risiken des Baywa-Konzerns begrenzt und überschaubar.“
Versäumnisse des Abschlussprüfers PwC
Zwei Seiten davor räumt die Baywa-Führung unter dem Kriterium Zinsänderungsrisiken allerdings ein, dass der durchschnittliche Zinssatz für variabel verzinsliche Finanzverbindlichkeiten um 267 Basispunkte auf 4,43% gesprungen sei. Die wieder gestiegenen Marktzinsen nach dem Ende des langen Zinstiefs entfalteten also ihre volle negative Wirkung auf die Firma.
Dieser Fehleinschätzung schloss sich PwC via uneingeschränktem Testat an. Dreieinhalb Monate danach, genau am 12. Juli dieses Jahres, erklärte sich die Baywa per Ad-hoc-Warnung zu einem Sanierungsfall. Erst daraufhin wurden die Gläubigerbanken aktiv. Zusammen mit den kreditgenossenschaftlichen Miteigentümern der Baywa AG entsandten sie den Restrukturierungsexperten Baur als Helfer in die oberste Führungsetage des Unternehmens.
Der nach finanziellen Stützungsmaßnahmen vor der Pleite gerettete Agrarhandelskonzern Baywa kämpft mit Verzögerungen bei der Umsetzung des Sanierungskonzepts von Roland Berger. Die zahlreichen Gläubiger und Kreditgenossen-Eigentümer ringen immer noch um den Plan, der Einschnitte vorsieht.