Regulierung

China zieht die Schrauben an

Lange florierte das Wall-Street-Geschäft chinesischer Technologiefirmen. Doch dem setzt Peking nun ein Ende. Die chinesische Regulierungsoffensive ließ zuletzt die Aktie von Didi abstürzen.

China zieht die Schrauben an

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Das seit Jahren florierende Wall-Street-Geschäft mit chinesischen Technologiefirmen, die für ihr Initial Public Offering (IPO) bevorzugt New York ansteuern, droht im Zuge einer neuen Regulierungsoffensive auszutrocknen. Markteilnehmern zufolge bereitet die chinesische Wertpapieraufsichtsbehörde CSRC gegenwärtig eine Regelrevision für Genehmigungen zum Listing heimischer Firmen in den USA oder am Hongkonger Offshore-Markt vor.

Konkret geht es darum, ein Schlupfloch zu stopfen, das die Pekinger Behörden, anders als bei IPOs auf dem chinesischen Festland, daran hindert, Einfluss auf die Börsenpläne von heimischen Techfirmen zu nehmen. Die neue Regeloffensive steht im direkten Zusammenhang mit den Ereignissen rund um den jüngsten Börsengang des Fahrdienstriesen und Uber-Rivalen Didi Global. Dieser wurde nur wenige Tage nach dem Börsengang an der New York Stock Exchange vom 30. Juni mit einem Verfahren wegen Datenschutzverletzungen seitens der chinesischen Internetregulierungsbehörde konfrontiert und mit einer sofortigen App-Store-Sperre belegt, die eine Aufnahme von Neukunden verhindert.

Die Pekinger Attacke gegen Didi und zwei weitere frisch an New Yorker Börsen gekommene chinesische Internetplattformen hat deren Notierungen abstürzen lassen. Didis US-An­teilscheine, die am Dienstag um 20% eingeklappt waren, büßten am Mittwoch weitere 6% ein und liegen nun etwa 16% unter dem Emissionspreis (siehe Chart). Auch an der Hongkonger Börse sah man in den letzten Tagen eine Abverkaufswelle für chinesische Techwerte. Wie mittlerweile durchgesickert ist, wurde Didi bereits vor drei Monaten von der CSRC über ein anstehendes Verfahren informiert und dazu aufgefordert, den geplanten Börsengang in New York aufzuschieben. Allerdings haben die Behörden derzeit keine rechtliche Handhabe, Techfirmen an einem solchen Vorhaben zu hindern. Entsprechend wartete Peking den Börsenstart von Didi ab, um dann mit der App-Sperre nach außen zu gehen und dem Börsenneuling sowie Wall-Street-Investoren einen Denkzettel zu verpassen.

Hintergrund für die Pekinger Verrenkungen ist ein seit über 20 Jahren praktiziertes System, nach dem sich chinesische Techfirmen, die eine ausländische Börse ansteuern wollen, eine Registrierung in einem Offshore-Zentrum wie den Cayman-Inseln oder British Virgin Islands als eine sogenannte Variable Interest Entity (VIE) zulegen und ihre Gewinne auf sie verlagern. Rechtlich gesehen verbriefen die American Depositary Shares chinesischer Internetfirmen damit nur einen Anteilsanspruch an diesen VIE-Gesellschaften und ihrer Profitzuordnung, nicht aber an der auf dem Festland beheimateten Gesellschaft. Dies liegt daran, dass die Techfirmen in einem Sektor tätig sind, der für ausländische Investoren grundsätzlich gesperrt ist.

Genehmigung für IPOs

Dem Vernehmen nach plant die CSRC, das seit 1994 unveränderte Regime für Listings außerhalb des chinesischen Festlands so umzugestalten, dass auch Unternehmen, die mit dem VIE-Schlupfloch hantieren, eine förmliche Genehmigung brauchen, um ein IPO in den USA oder Hongkong anzugehen. Dazu braucht es ein Edikt des chinesischen Staatsrates, der bezeichnenderweise am Dienstag angekündigt hatte, die Überwachung von Datenschutzbestimmungen und ausländischen Listings von chinesischen Technologiefirmen zu verstärken. Damit dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis der Staat volle Kontrolle über die IPO-Vorhaben chinesischer Techfirmen erhält und entsprechend auch ihren Zustrom an die New Yorker Börsen zügeln kann.