EU verhängt Strafe von 875 Mill. Euro gegen deutsche Autobauer
In einem Kartellverfahren wegen des Verdachts auf wettbewerbswidrige Absprachen auf technischer Ebene hat die EU-Kommission gegen deutsche Autohersteller ein Bußgeld von insgesamt 875 Mill. Euro verhängt. Im Detail kommen Absprachen über die Größe von Tanks für den Kraftstoffzusatz namens AdBlue den Dax-Unternehmen BMW und Volkswagen teuer zu stehen. Während der Münchner Konzern die Strafe von 373 Mill. Euro akzeptierte, erwägt der Wolfsburger Mehrmarkenkonzern, gegen die Strafe von 502 Mill. Euro rechtliche Schritte einzuleiten.
Die Brüsseler Wettbewerbshüter betrat mit ihrer Entscheidung juristisches Neuland. Denn die EU-Kommission erließ erstmals Bußgelder für rein technische Absprachen, bei denen es nicht um Preise oder die Aufteilung von Märkten geht. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager warf BMW, VW und Daimler vor, sie hätten mit den Gesprächen „einen Wettbewerb darüber vermieden, das volle Potenzial dieser Technologie (zur Abgasreinigung von Schadstoffen) zu nutzen“.
Daimler entgeht als Kronzeuge einer Strafe
Daimler hatte die – nach Angaben der Autobauer nie umgesetzte – Vereinbarung an die EU gemeldet und ersparte sich damit eine Kartellstrafe von 727 Mill. Euro. VW halbierte die Strafe als zweiter Kronzeuge um mehr als die Hälfte. Das Verfahren hatte im Frühjahr 2019 für Schlagzeilen gesorgt. Seinerzeit bildete BMW wegen der Vorwürfe Rückstellungen von 1,4 Mrd. Euro. Als sich abzeichnete, dass das Urteil viel milder ausfällt, lösten der blau-weiße Hersteller im Mai mit 1 Mrd. Euro den überwiegenden Teil der Rückstellung wieder auf.
Die Ingenieure der drei Autobauer hatten sich über mehr als fünf Jahre immer wieder getroffen, um über die Entwicklung der SCR-Technologie zu sprechen, mit der Diesel-Abgase über einen Harnstoffzusatz (AdBlue) sauberer werden sollten. Dabei ging es um den erwarteten Verbrauch des Zusatzes und die Größe des Tanks, die darüber entschied, ob die Fahrer den Stoff selbst nachfüllen müssen oder ob das bei der Inspektion in der Werkstatt geschehen könnte. Laut EU waren sie sich dabei einig, die politischen Vorgaben für die Stickstoff-Emissionen nicht übererfüllen zu wollen. „Damit schränkten sie den Wettbewerb um für Kunden relevante Produktmerkmale ein“, erklärte die EU-Kommission.
Volkswagen erwägt Klage
BMW verweigerte ein Schuldeingeständnis. Man habe bei den Gesprächen „ein zu hohes Maß an Transparenz hergestellt“, räumte der Autobauer ein. BMW legt wert auf die Festellung, dass die EU-Kommission einen Großteil der ursprünglichen Vorwürfe fallengelassen habe. Zunächst hatte im Raum gestanden, dass die drei Autobauer gemeinsam eine Software zur Dosierung von AdBlue entwickelt und die Einführung eines Partikelfilters für Benzinmotoren verzögert hätten. Das hatte in der Debatte um die Manipulation von Abgaswerten für Aufsehen gesorgt. Die EU-Kommission betonte nun aber laut Reuters: „Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Parteien Absprachen über die Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen zur Manipulation von Abgastests getroffen haben.“
Volkswagen prüft dagegen, gegen die Höhe der Geldbuße zu klagen. Eine Entscheidung muss bis Mitte September fallen. „Statt eines Bußgeldes wäre für die Automobilindustrie der Erlass klarer Richtlinien zielführender gewesen, wie Kooperationen im Rahmen der Forschung und Entwicklung (…) kartellrechtskonform ausgestaltet werden können“, erklärte VW.