Ukraine-Krise

Geschäftlicher Schaden für Unternehmen zunächst gering

Deutsche Unternehmen dürften mit wenigen Ausnahmen zunächst nur geringfügigen geschäftlichen Schaden nehmen, falls Russland die Ukraine angreift. Das ist ein Ergebnis der Umfrage der Börsen-Zeitung unter deutschen Konzernen zur Ukraine-Krise.

Geschäftlicher Schaden für Unternehmen zunächst gering

BZ Frankfurt

Deutsche Unternehmen dürften mit wenigen Ausnahmen zunächst nur geringfügigen geschäftlichen Schaden nehmen, falls Russland die Ukraine angreift. Das ist ein Ergebnis der Umfrage der Börsen-Zeitung unter deutschen Konzernen zur Ukraine-Krise. Die erzielten Umsätze in dem bedrohten Land halten sich demnach in Grenzen. Deutlich schwerwiegender könnten die Folgen von Sanktionen werden, die nach einer Invasion gegen Russland verhängt werden dürften. Darüber hinaus ähneln sich die Unternehmensaussagen zur Krise sehr: Man verfolge die Entwicklungen in und um die Ukraine genau und hoffe noch auf eine rasche Deeskalation und auf einen konstruktiven Dialog zwischen allen Parteien sowie eine diplomatische Lösung.

Metro und Stada trifft es

Zu den deutschen Unternehmen, die besonders stark in Russland engagiert sind, gehört der Handelskonzern Metro. Auf Russland entfiel im Geschäftsjahr 2020/21 mit 2,4 Mrd. Euro ein Umsatzanteil von 10%; betrieben werden dort 93 Märkte mit etwa 10000 Beschäftigten. Weitere 3% vom Konzernumsatz oder 790 Mill. Euro erlöste Me­tro in der Ukraine. An den 26 Standorten werden 3400 Beschäftigte gezählt.  

Stark in Russland und in der Ukraine im Geschäft ist auch der Arzneimittelkonzern Stada. Das Unternehmen hat seine Präsenz über zahlreiche Akquisitionen in Osteuropa ausgebaut. Zuletzt war Ende 2019 die Übernahme des traditionsreichen ukrainischen Pharmaherstellers Biopharma mit 300 Mitarbeitern und Produktionsanlagen in der Region Kiew abgeschlossen worden. Es sei eine der bisher größten Finanzinvestitionen im ukrainischen Pharmasektor gewesen. Wenig später erwarb Stada für 660 Mill. Dollar ausgewählte Produkte des japanischen Wettbewerbers Takeda, die primär in Russland und osteuropäischen Ländern verkauft werden. Im Segment der frei verkäuflichen Markenprodukte ist Russland mit den sowjetischen Nachfolgestaaten ein bedeutender Markt für Stada mit einem Umsatz von 400 Mill. Euro im Jahr 2020. Von möglichen politischen Sanktionen westlicher Staaten sieht sich Stada nicht betroffen, weil in der Ukraine und in Russland lokal für die regionalen Märkte produziert werde, erläutert ein Unternehmenssprecher. Deshalb habe man auch keine Beschäftigten zur Ausreise veranlassen müssen.

Die Lufthansa teilt auf Anfrage mit, die Sicherheit der Fluggäste und Besatzungsmitglieder habe zu jeder Zeit oberste Priorität. Aktuell bediene die Lufthansa ihre Ziele in der Ukraine. Dies entspreche auch der Behördeneinschätzung. Der Airline-Konzern müsse und könne je nach Entwicklung kurzfristig reagieren. Der Hamburger Hafenlogistikkonzern HHLA, der außer in Hamburg, Tallinn und Triest auch ein Containerterminal im ukrainischen Schwarzmeerhafen von Odessa betreibt, teilt mit, derzeit gebe es keine Störungen bei Hafenbetrieb und Hinterlandverkehr. Auswirkungen wären bei einem Anteil der internationalen Containerterminals in Odessa, Tallinn und Triest von zusammen 8,6% am gesamten Containerumschlag des börsennotierten Teilkonzerns Hafenlogistik „eher begrenzt“, wie die HHLA mit Blick auf mögliche Folgen eines Konflikts der Ukraine mit Russland erklärt.

Das Containerterminal in Odessa, das größte in der Ukraine, betreibt die HHLA seit 2001. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden Konzernangaben zufolge mehr als 170 Mill. Dollar investiert, um die Effizienz des Betriebs zu verbessern und die Umschlagskapazitäten zu erhöhen. Dazu gehören auch Investitionen, die die Kapazität des Bahnverkehrs verdoppeln, um den Container-Bahnverkehr in der Ukraine zu unterstützen. Die HHLA teilte weiter mit, dass die Führungs- und Fachkräfte aus dem Konzernsitz Hamburg angehalten seien, nur absolut notwendige Dienstreisen in die Ukraine anzutreten. In der Ukraine sind den Angaben zufolge fast ausschließlich ukrainische Mitarbeiter beschäftigt.

Die größte deutsche Containerreederei Hapag-Lloyd erklärte, man betreibe ein vergleichsweise überschaubares Geschäft in der Ukraine. Demnach gibt es einen wöchentlichen Dienst, der den Schwarzmeerhafen Odessa mit einem gecharterten Schiff anfährt. Das Unternehmen unterhält in Odessa ein lokales Büro mit rund 20 Beschäftigten. Alle seien ukrainische Staatsbürger, erklärte ein Sprecher auf Anfrage.

Einschnitte im Geschäft in Russland und der Ukraine wären für Volkswagen gemessen an den Fahrzeugauslieferungen nicht schwerwiegend. Der Konzern brachte 2021 in Russland etwa 216000 Fahrzeuge und in der Ukraine rund 15000 Fahrzeuge zu Kunden, wie ein Sprecher mitteilte. Der jeweilige Anteil an den weltweiten Fahrzeugauslieferungen belief sich auf rund 2,4% bzw. 0,17%. Einige Modelle lässt der Konzern auch in Russland bauen.

BMW teilte auf Nachfrage mit, in Russland und der Ukraine mit Vertriebsaktivitäten präsent zu sein. „In Russland ist dies eine eigene Tochtergesellschaft. In der Ukraine sind wir über einen unternehmerisch unabhängigen Importeur vertreten. Dort sind keine Mitarbeiter unseres Unternehmens involviert“, berichtet BMW. Für den Münchner Autokonzern sind Russland und die Ukraine sehr kleine Märkte. In Bezug auf den Pkw-Absatz befinden sich beide Staaten auf den hinteren Rängen.

Aus Sicht von Continental wären die Folgen eines Konflikts zwischen Russland und der Ukraine für das Geschäft begrenzt. In der Ukraine unterhält der Dax-Konzern keinen Standort. Der Anteil des Geschäfts in der Ukraine und in Russland am Gesamtumsatz liege zusammen bei weniger als 1%, teilt ein Konzernsprecher mit. In Russland beschäftigt Continental rund 1300 Mitarbeiter.

Adidas hat nach Angaben einer Sprecherin Notfallpläne, wenn es eine russische Invasion in der Ukraine geben sollte. Deutsche Mitarbeiter seien nicht in der Ukraine. Am Umsatz gemessen ist das Geschäft in Russland und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) mit einem Anteil in der Größenordnung von 3% nicht groß. 2020 waren es 584 Mill. Euro des Konzernerlöses von 19,8 Mrd. gewesen. Seit 2021 wird die Region in den Zahlen für EMEA (Europa, Mittlerer Osten und Afrika) zusammengefasst. Relativ groß ist die Präsenz von Adidas mit eigenen Läden in Russland und der GUS: Es sind rund 500 von insgesamt etwa 2 200. Die Ukraine hat die GUS zwar 2018 verlassen, Adidas zählte das Land aber weiter zu dem Wirtschaftsgebiet.

Sonderfall Gesundheit

Fresenius ist sowohl in Russland als auch in der Ukraine vertreten. Das Engagement in der Ukraine sei verhältnismäßig klein. Es würden einige Dialysezentren betrieben, und man sei dort Anbieter von Medizinprodukten. Die Beschäftigten in der Ukraine sind fast ausschließlich einheimische Mitarbeitende. Was etwaige Sanktionen gegen Russland betrifft, möchte Fresenius „nicht spekulieren“. „Unsere Erfahrung mit Sanktionen gegen andere Länder zeigt aber, dass der Gesundheitsbereich üblicherweise davon ausgenommen ist“, so die Hoffnung.

Für den Biopharmazulieferer und Laborausrüster Sartorius spielt das Geschäft in der Ukraine und in Russland keine wesentliche Rolle. Gut 2% des Konzernumsatzes, etwas über 80 Mill. Euro, entfallen auf diese beiden Länder, wie eine Sprecherin mitteilt.

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