Verschärfte Exportkontrollen

Handelskrieg brockt Nvidia Milliardenbelastung ein

Nvidia wird zum Spielball im Handelskonflikt zwischen Washington und Peking. Neue Beschränkungen von Halbleiterexporten ins Reich der Mitte setzen das Unternehmen unter Druck, und die nächsten Hindernisse drohen.

Handelskrieg brockt Nvidia Milliardenbelastung ein

Nvidia muss Milliardenbelastung schultern

Verschärfte Exportkontrollen wirbeln China-Geschäft durcheinander – Härtere Konkurrenz im Reich der Mitte droht

xaw New York

Washingtons Handelskrieg mit China stürzt Amerikas Börsenliebling in tiefe Verunsicherung. So hat Nvidia am Dienstag vor einer Sonderbelastung im Volumen von 5,5 Mrd. Dollar gewarnt, die im Ende April abzuschließenden Quartal auf die Bilanz durchschlagen werde. Im frühen New Yorker Handel am Mittwoch brach die Aktie, die mit einer beispiellosen Rally ab Ende 2022 zum größten Profiteur des Booms um künstliche Intelligenz (KI) wurde, im laufenden Jahr aber unter Druck geraten ist, auf die Mitteilung hin ein.

Neue Lizenzen benötigt

Grund für die Ankündigung sind verschärfte Exportkontrollen für Halbleiter. Für den Verkauf des für den chinesischen Markt hergestellten H20-Chips, der aufgrund bestehender Ausfuhrbeschränkungen deutlich weniger leistungsfähig ist als in den USA verwendete Prozessoren, benötigt Nvidia nun eine Sonderlizenz. Das geht aus Dokumenten hervor, die das kalifornische Unternehmen bei der US-Wertpapieraufsicht SEC vorlegte. 

US-Präsident Donald Trump baut harte Barrieren für den Handel mit China auf. Foto: picture alliance / Middle East Images | Andrew Thomas.

Washington habe angedeutet, mit der Anordnung dem Risiko begegnen zu wollen, „dass die betroffenen Produkte in einem Supercomputer in China verwendet oder in die Entwicklung eines solchen umgeleitet werden“. Die Lizenzanforderung gelte auf unbestimmte Zeit. Die Milliardenbelastung komme durch Rückstellungen zustande, mit denen Nvidia sich auf Ansprüche aus verletzten Kaufvereinbarungen für die H20-Chips einstelle. Das US-Handelsministerium bestätigte unter Verweis auf die „nationale und ökonomische Sicherheit“, dass die neuen Lizenzanforderungen auch für die Halbleiterreihe MI308 von Advanced Micro Devices (AMD), dem schärfsten Rivalen von Nvidia am Markt für KI-fähige Prozessoren, und vergleichbare Produkte gilt.

Kapazitäten gebunden

Bereits der ehemalige US-Präsident Joe Biden hatte mit dem Chips and Science Act 2022 umfangreiche Exportbeschränkungen für Chips und Fertigungstechnik erlassen. Diese haben die Vereinigten Staaten seither mehrfach verschärft. Nicht nur benötigt Nvidia für die Ausfuhr hochleistungsfähiger Halbleiter nach China Sondergenehmigungen. Sie muss die US-Regierung auch bei Ausfuhren sogenannter Grauzonen-Chips, die knapp unterhalb der höchsten Performance-Schwelle liegen, benachrichtigen, worauf Washington ablehnende Bescheide stellen kann. 

Die Analysten von Insider Intelligence kritisierten bereits bei Ankündigung der für den chinesischen Markt entwickelten Halbleiter, dass Nvidia so Kapazitäten binde, die andernorts benötigt würden – schließlich müssen die in den Datenzentren der US-Tech-Riesen eingesetzten Chips zunehmend höhere Leistungsanforderungen erfüllen. Ihr zunehmend komplexer Aufbau lastet dabei auf der viel beachteten Produktionsrendite.

Markt zittert vor „Tariffs“

Die nun anstehende Sonderbelastung im China-Geschäft verdeutlicht laut Analysten, wie stark Nvidia geopolitischen Spannungen ausgesetzt ist. Zudem werde deutlich, in welchem Umfang die Trump-Administration bereit ist, Probleme für die heimische Wirtschaft in Kauf zu nehmen, um Peking mit Handelsbarrieren unter Druck zu setzen. Für sämtliche Einfuhren aus dem Reich der Mitte – ausgenommen sind nur elektronische Geräten wie Smartphones und PCs – haben die Vereinigten Staaten Zölle von 145% verhängt. Die Volksrepublik wehrt sich mit Gegenzöllen. Der Markt zittert indes vor neuen Strafmaßnahmen. Am Montag startete Washington eine neue nationale Sicherheitsprüfung, die zu spezifischen „Tariffs“ auf Chips führen könnte. Das Weiße Haus fordert China mit Nachdruck auf, eine neue Handelsvereinbarung mit den Vereinigten Staaten zu schließen.

Bisher treffen die H20-Chips in der Volksrepublik trotz ihrer reduzierten Kapazitäten auf eine robuste Nachfrage. Laut Bernstein Research erwirtschaftet Nvidia mit diesen Chips 70% ihres China-Umsatzes, der sich im Ende Januar abgeschlossenen Fiskaljahr 2025 auf 17,1 Mrd. Dollar belief. Die Analysten betonen, dass derzeit noch unklar sei, ob Nvidia und Konkurrenten die geforderten Exportlizenzen überhaupt erhielten oder ihre Produktreihen nun ganz vor dem Aus stünden.

Kunden im Dunkeln

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet unter Berufung auf Insider, dass große chinesische Cloud-Unternehmen noch bis Jahresende mit H20-Lieferungen geplant hätten. Nvidia habe diese vor der Veröffentlichung der bei der SEC eingereichten Dokumente nicht über die verschärften Exportkontrollen informiert, obwohl das Unternehmen schon seit einer Woche von diesen gewusst habe. Auch das eigene Vertriebsteam habe das Unternehmen angeblich nicht informiert.

Nvidia-CEO Jensen Huang sucht den Dialog mit Washington. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Nic Coury

Nvidia-Chef Jensen Huang hatte sich zuletzt erst unter die Tech-Köpfe eingereiht, die Trumps Nähe suchen. Bei einem Treffen im Weißen Haus sprach der CEO im Februar mit dem Präsidenten über „Tariffs“ für Chips – der Großteil der Nvidia-Produkte wird von TSMC in Taiwan gefertigt. Trump will die Produktion durch mögliche „Einfuhrzölle über 25, 50 oder sogar 100%“ in die USA holen und damit heimische Konzerne wie die angeschlagene Intel stärken. Nvidia versucht den Präsidenten zu beschwichtigen und kündigte an, über die kommenden vier Jahre bis zu 500 Mrd. Dollar in den Ausbau der KI-Infrastruktur in den Vereinigten Staaten investieren zu wollen.

Neue Hemmnisse drohen

Im Mai drohen jedoch die nächsten Hemmnisse für den Prozessordesigner. Dann soll eine in den letzten Tagen der Biden-Administration beschlossene „KI-Diffusionsregel“ in Kraft treten. Diese beinhaltet ein stufenweises Lizenzsystem für US-Halbleiterexporte, das Ausfuhren der leistungsfähigsten Chips in fast alle Abnehmermärkte mit Beschränkungen belegt. Zuletzt forderten republikanische Senatoren Handelsminister Howard Lutnick auf, die Regel zu kippen. Nvidia hofft nun zumindest in diesem Punkt auf Entgegenkommen aus Washington.

Nvidia wird zum Spielball im Handelskonflikt zwischen Washington und Peking. Neue Beschränkungen von Halbleiterexporten ins Reich der Mitte setzen das Unternehmen unter Druck. Die eigens für den chinesischen Markt hergestellte Chipreihe H20 steht vor dem Aus. Die nächsten Hindernisse drohen bereits.

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