Italiens Regierung droht Stellantis
Streit zwischen Rom und Stellantis eskaliert
Regierung droht dem Autokonzern mit dem Entzug von Mitteln, wenn die auf Eis gelegte Batteriefabrik nicht gebaut wird
bl Mailand
Der Streit zwischen Italiens Regierung und dem französisch-italienischen Autohersteller Stellantis eskaliert. Industrieminister Adolfo Urso droht dem Autoproduzenten mit dem Entzug von öffentlichen Hilfen, sollte Stellantis die Batteriefabrik im süditalienischen Termoli nicht bauen. Das Projekt des Joint Ventures ACC aus Stellantis, Mercedes-Benz und Total wurde im Juni vorläufig gestoppt. Rom will das Vorhaben, für das Investitionen von 2,3 Mrd. Euro veranschlagt sind, mit bis zu 1 Mrd. Euro unterstützen. Davon sollen 600 Mill. Euro aus dem europäischen Wiederaufbauprogramm „Next Generation“ kommen.
Urso wirft Stellantis vor, eingegangene Verpflichtungen nicht einzuhalten. Rom habe die Forderungen von Stellantis-CEO Carlos Tavares, die strengere Abgasnorm Euro 7 zu verhindern und Anreize für den Erwerb von Elektro- und schadstoffarmen Fahrzeugen zu schaffen, erfüllt. Nun sei Stellantis an der Reihe. Ohne eine schnelle und klare Entscheidung für das Projekt würden die Mittel aus Europa anderweitig verwendet. Stellantis müsse klar sagen, wie man das Ziel erreichen wolle, die Produktion bis 2030 auf über eine Million Einheiten zu erhöhen. Der Autokonzern erklärte, eine neue Technologie für die Batteriefabrik zu prüfen.
Die Stellantis-Fertigung in Italien ist im ersten Halbjahr um 25% auf 303 410 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge zurückgegangen. Die Gewerkschaften erwarten eine Produktion von nur noch einer halben Million Fahrzeugen im Gesamtjahr.
Premierministerin Giorgia Meloni war schon als Oppositionspolitikerin gegen die Bildung des französisch-italienischen Autokonzerns im Jahr 2021. Die Zahl der Mitarbeiter in den italienischen Stellantis-Werken ging seither von 51.000 auf knapp über 40.000 zurück. In allen sechs Werken wird kurzgearbeitet. Die Gewerkschaften fürchten, dass nach Auslaufen der Kurzarbeiterregelungen 2025 bis zu 25.000 Arbeitsplätze wegfallen könnten.
Meloni wirft der Familie Agnelli/Elkann einen Ausverkauf an die Franzosen vor. Über die Holding Exor ist die Familie mit 14,4% größter Stellantis-Anteilseigner. Familienoberhaupt John Elkann ist Chairman. Meloni fordert, dass Rom eine Beteiligung erhält. So wie Frankreich.
Bei ihrem jüngsten Staatsbesuch in China bemühte sich die Premierministerin intensiv um die Ansiedlung eines chinesischen Autoherstellers. Dabei stand sie China in der Vergangenheit stets sehr kritisch gegenüber. Nachdem zuvor BYD und Chery abgesagt hatten, ruhen die Hoffnungen nun vor allem auf Dongfeng. Angeblich sind die Gespräche weit fortgeschritten. Doch bis heute gibt es kein konkretes Projekt.
Die Bemühungen Roms erfolgen vor dem Hintergrund eines jahrzehntelangen Niedergangs der italienischen Autoindustrie. Bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts kämpfte sie mit Deutschland um die Führungsposition in Europa. Tempi passati.
Das Werk in Turin-Grugliasco ist Ende 2023 geschlossen worden. Die Fertigungszahlen in den Werken Turin-Mirafiori, Melfi und Modena gingen im ersten Halbjahr um 63,4%, 57,6% bzw. 68,2% zurück. Nur in Pomigliano d’Arco, wo der Panda gefertigt wird, und im Nutzfahrzeugwerk Atessa gab es Zuwächse.
Dass Stellantis die Mehrheit der Ex-Fiat-Robotik-Tochter Comau an den US-Investor One Equity Partners verkaufen will, sorgte für ein weiteres Beben. Die Regierung droht mit einem Veto. Fast alle künftigen Modelle der Marken Fiat, Alfa Romeo und Lancia werden nicht in Italien gebaut. Gerüchte, Stellantis plane die Schließung oder den Verkauf des Luxuswagenproduzenten Maserati, der im Halbjahr einen Verlust von 82 Mill. Euro einfuhr, heizten die Stimmung auf. Stellantis dementierte solche Pläne.
Rom zahlt in den nächsten drei Jahren 2,75 Mrd. Euro an Hilfen etwa in Form von Anreizen zum Kauf von Elektro- und schadstoffarmen Fahrzeugen. Tavares kritisiert jedoch angeblich ineffiziente italienische Fabriken, zu wenige Ladesäulen, hohe Energiekosten und eine zu geringe staatliche Förderung.