Testat für den Agrarhandelskonzern

PwC als Abschlussprüfer der angeschlagenen Baywa in Erklärungsnot

PricewaterhouseCoopers (PwC) ist als Abschlussprüfer des angeschlagenen Agrarhandelskonzerns Baywa in die Kritik geraten. In ihrem uneingeschränkten Testat zum Geschäftsbericht 2023 verzichtet PwC auf Hinweise zur angespannten finanziellen Lage des Unternehmens, obwohl seinerzeit die Probleme des Münchner SDax-Mitglieds bereits bekannt waren.

PwC als Abschlussprüfer der angeschlagenen Baywa in Erklärungsnot

Abschlussprüfer der Baywa in Erklärungsnot

PwC verzichtet im Testat zur Bilanz 2023 auf Hinweise und Warnungen zur finanziellen Lage des Agrarhandelskonzerns

Von Stefan Kroneck, München

Für die Beinahe-Pleite des Agrarhandelskonzerns Baywa sind an erster Stelle die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats verantwortlich. Offensichtlich versäumte es die zweigliedrige Verwaltung der AG, frühzeitig beim hochverschuldeten Münchner Unternehmen konsequent gegenzusteuern, um eine Schieflage zu verhindern. In diesem Zusammenhang spielt indes auch der Jahresabschlussprüfer der börsennotierten Publikumsgesellschaft eine große Rolle.

Lässt man die Entwicklung in der Zeit vom November 2023 bis Ende März dieses Jahres Revue passieren, so ergeben sich einige fragwürdige Aspekte, die die Arbeit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) bei der Baywa in ein wenig schmeichelhaftes Licht rücken.

Zuvor jahrelang Deloitte

Der zu den weltweit großen vier Adressen gehörende Dienstleister durchleuchtet die Bücher des zum Genossenschaftsverbund zählenden weiß-blauen Konglomerats seit 2021. Seinerzeit folgte PwC auf den Wettbewerber Deloitte, der die Konzernbilanzen zuvor jahrelang prüfte und uneingeschränkt testierte. PwC knüpfte an diese „Tradition“ an. Auch aus Sicht der Fachleute von PwC gab es bisher beim SDax-Mitglied nichts zu beanstanden. PwC versah den Konzernabschluss 2023 ebenfalls mit einem uneingeschränkten Testat, datiert vom 26. März 2024. Der zwei Tage darauf veröffentlichte Konzernfinanzbericht 2023 enthält den siebenseitigen Bestätigungsvermerk, in dem PwC erklärt, wie sie bei der Abschlussprüfung vorging und welche Schwerpunkte sie dabei setzte.

Kritische Anmerkung fehlt

Zu Letzteren zählten vor allem die Konzernaktivitäten auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien. Die Baywa betreibt Solar- und Windkraftanlagenprojekte mit dem Ziel, ihr Geschäftsmodell zu diversifizieren. Zuletzt geriet aber insbesondere das Geschäft mit Solarpanelen in die roten Zahlen aufgrund von Dumpingangeboten aus China. Windkraftanlagenprojekte sind schwankungsanfälliges Geschäft, einige Projekte im Ausland erwiesen sich als Rohrkrepierer.

In dem langen Bestätigungsvermerk, welchen zwei PwC-Wirtschaftsprüfer abzeichneten, findet sich allerdings keine kritische Anmerkung über die finanzielle Lage der Baywa, die zu diesem Zeitpunkt bereits als angespannt galt. Denn zwei Wochen zuvor meldete das Unternehmen ad hoc, die Dividende für 2023 zu streichen. Der Vorstand unter Leitung von CEO Marcus Pöllinger begründete dies damit, dass „die Zinsbelastung und die Steuerquote das Konzernergebnis deutlich belastet haben“. Die ausgesetzte Dividende diene dazu, die Eigenkapitalbasis zu stärken.

Vertrauensverlust am Kapitalmarkt

Die Baywa meldete dann Ende März für 2023 einen Konzernfehlbetrag von 93 Mill. Euro. Das war der erste Jahresverlust in ihrer über 100-jährigen Firmengeschichte. Der Zinsaufwand von 362 Mill. Euro entsprach zum Jahresultimo dem Eineinhalbfachen der liquiden Mittel (233 Mill. Euro). Im ersten Quartal weitete sich das Defizit auf 108 Mill. Euro aus. Es war daher für Bilanzexperten absehbar, dass das hochverschuldete Unternehmen wegen der steigenden Zinskosten infolge höherer Marktzinsen in eine Existenzkrise geraten könnte. Am 12. Juli - einen Monat nach der ordentlichen Hauptversammlung - erklärte sich die Baywa ad hoc zu einem Sanierungsfall, nachdem es der Firma zuvor nicht mehr gelungen war, am Kapitalmarkt über die geplante Emission einer 250 Mill. Euro umfassenden Anleihe neue frische Mittel einzusammeln. Hier offenbarte sich ein tiefer Vertrauensverlust der Investoren gegenüber der Baywa. Nach der Warnung brach die Aktie um nahezu 60% ein.

Das Unternehmen, welches über Jahre einen Schuldenberg von über 11 Mrd. Euro anhäufte, davon über 5 Mrd. Euro Finanzverbindlichkeiten, riss dem Geschäftsbericht zufolge ihr selbst gestecktes Limit für das Verhältnis der Nettofinanzschulden zum operative Ergebnis. Zugleich entfernte sich die Eigenkapitalquote immer weiter von der Konzernvorgabe von mindestens 20%. Zuletzt waren es 12,3%.

Gesetzliche Vorschriften

Angesicht dieser, schon im März extrem schwierigen Situation ist es merkwürdig, dass die PwC-Prüfer in ihrem Testat auf Hinweise und Warnungen zur finanzielle Lage der Baywa verzichteten. Dabei hat der Gesetzgeber solche schriftlichen Hinweise in einem Bestätigungsvermerk vorgeschrieben. In § 322, Absatz 2, des Handelsgesetzbuchs (HGB) heißt es dazu, dass im Testat „auf Risiken, die den Fortbestand der Kapitalgesellschaft oder eines Konzernunternehmens gefährden“, gesondert „einzugehen“ sei. Ein Testat gilt nicht nur für den jeweiligen Emittenten, sondern auch für Aktionäre als Gütesiegel.

In einem, ausschließlich für die Konzernverwaltung vorgesehenen, internen Prüfungsbericht muss der Abschlussprüfer nochmals auf solche Gefährdungsaspekte eingehen (§321, Absatz 1 HGB).

„Ein erhebliches Manko“

Erfüllt man diese Pflichten nicht, ergäbe sich daraus ein Haftungsrisiko gegenüber dem Mandanten, in diesem Fall also der Baywa AG. Den im Testat fehlenden Hinweis auf die schwierige Situation des Unternehmens beurteilt der Corporate-Governance-Experte Christian Strenger kritisch. „Die Nicht-Erwähnung der Finanzsituation im Testat wäre ein erhebliches Manko“, sagte er der Börsen-Zeitung.

„Ein wesentlicher Teil der Prüfung auch für 2023 hätte sein müssen, ob die Fortführung des Betriebes gesichert ist. Das wäre zweifelhaft, wenn Darlehen aller Art abliefen und ihre Verlängerung unwahrscheinlich ist“, erklärte Max Gutbrod dieser Zeitung. Der Jurist lehrt an der juristischen Fakultät der Universität Potsdam.

PwC äußert sich nicht

Der frühere Partner bei der Kanzlei Baker McKenzie sorgte zuletzt mit einer Anfechtungsklage gegen die Baywa beim Landgericht München für Aufsehen. Gutbrod beantragte, den Beschluss der Hauptversammlung vom 11. Juni, den Aufsichtsrat zu entlasten, für nichtig zu erklären. Er begründete dies damit, dass der frühere Chefaufseher Klaus Josef Lutz (Juni 2023 bis Januar 2024), der die Baywa von 2008 bis 2023 als CEO führte, Amtspflichten verletzt habe.

Auf Nachfrage konnte ein Unternehmenssprecher von PwC sich zu diesem Thema nicht näher äußern. Er begründete dies damit, dass man aufgrund gesetzlicher Vorschriften grundsätzliche über Mandanten keine Auskunft geben dürfe. Er verwies auf das Strafgesetzbuch (StGB). Demnach ist es u.a. Wirtschaftsprüfern untersagt, Internes von Unternehmen wegen des Betriebsgeheimnisses an Dritte weiterzugeben.

Ähnlich reagierte das in Düsseldorf residierende Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW). Ein IDW-Sprecher betonte, dass man sich grundsätzlich nicht zu einzelnen Mitgliedern und Sachverhalten äußere.

PwC war in die wachsende Problematik bei der Baywa den öffentlich zugänglichen Dokumenten zufolge spätestens im November 2023 umfassend eingeweiht. Das geht aus dem neunseitigen Bericht des Aufsichtsrats im Konzernfinanzbericht 2023 hervor.

Aufsichtsrat billigt Prüfergebnis

In seiner regulären Sitzung am 7. November vergangenen Jahres erörterte der Prüfungsausschuss des Baywa-Kontrollgremiums unter anderem die Geschäftsentwicklung, das Risikoprofil und die bevorstehende Abschlussprüfung mit Schwerpunktsetzungen. Dabei seien der Abschlussprüfer, der Vorstandsvorsitzende und der Finanzvorstand (Andreas Helber) anwesend gewesen. Zwei Tage darauf meldete die Baywa nach einem tiefroten Sommerquartal für die ersten neun Monate 2023 einen Nettoverlust von 17 Mill. Euro nach einem Gewinn von 244 Mill. Euro im Jahr zuvor.

Am 27. März dieses Jahres billigte das Kontrollgremium nach Durchsicht des Prüfungsausschusses den Konzernabschluss „in Gegenwart des Abschlussprüfers“. Der Aufsichtsrat habe sich zudem „dem Ergebnis der Abschlussprüfung in der Sitzung angeschlossen“. Damit nahm das Kontrollgremium implizit die Nicht-Erwähnung der Finanzlage im Testat billigend zur Kenntnis. Der Jurist Moritz Pöschke, Privatdozent an der Universität zu Köln, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es zu den Kernaufgaben des Aufsichtsrats zählt, den Prüfungsbericht des Abschlussprüfers kritisch zu hinterfragen und dabei insbesondere eigenes Wissen über die Geschäftslage des Unternehmens einzubringen.

Honorar springt um ein Drittel

Nähere Einblicke in der Causa Baywa dürften die Protokolle des Aufsichtsrats über die Sitzungen vom November 2023 und März 2024 liefern.

Für ihre Dienste bei der Baywa bezog PwC laut Geschäftsbericht ein fürstliches Honorar von insgesamt 2,4 Mill. Euro. Das waren 0,6 Mill. Euro mehr als 2022; ein sattes Plus von einem Drittel. Darunter entfielen auf die Abschlussprüfungen 1,8 (i.V. 1,6) Mill. Euro und auf andere Bestätigungsleistungen 0,6 (0,2) Mill. Euro.

Zur Bilanzvorlage kündigte CEO Pöllinger eine Restrukturierung an. Das Drama nahm seinen Lauf. Im August mussten die Haupteigentümer, die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken, und die Gläubigerbanken ein 550 Mill. Euro umfassende Überbrückungshilfe leisten, um eine drohende Insolvenz der Firma wegen Zahlungsunfähigkeit abzuwenden.

Umbau steht bevor

Der Konzern steht nun vor einer Umstrukturierung der Schulden und einer Zerschlagung. Darüber entscheiden die beiden genossenschaftlichen Ankeraktionäre und die Gläubigerbanken voraussichtlich Ende September. Bis dahin soll der Entwurf des Sanierungsgutachtens inklusive einer Fortbestandsprognose der mandatierten Berater von Roland Berger vorliegen. Zugleich will die Baywa am 27. September ihren zuvor um neun Wochen verschobenen Zwischenbericht für das erste Halbjahr 2024 veröffentlichen.

PricewaterhouseCoopers (PwC) ist als Abschlussprüfer des angeschlagenen Agrarhändlers Baywa in die Kritik geraten. In ihrem uneingeschränkten Testat zur Bilanz 2023 verzichtet PwC auf Hinweise zur angespannten finanziellen Lage des Unternehmens, obwohl seinerzeit die Probleme des SDax-Mitglieds bereits bekannt waren.

Von Stefan Kroneck, München