Medienbranche

Silvio Berlusconi beunruhigt die Aktionäre

Der italienische Großaktionär Media for Europe (MFE) war das zentrale Thema auf der Hauptversammlung von ProSiebenSat.1. MFE selbst verzichtete auf einen Wortbeitrag, verweigerte aber dem Aufsichtsrat die Entlastung.

Silvio Berlusconi beunruhigt die Aktionäre

jh München

Der italienische Großaktionär Media for Europe hat auf der Hauptversammlung von ProSiebenSat.1 gegen die Entlastung des Aufsichtsrats gestimmt. Bei einer Präsenz von 52% des Grundkapitals ergab dies einen Anteil an Nein-Stimmen von 48%. Dagegen wurde der Vorstand mit den Stimmen von Media for Europe (MFE), früher Mediaset, mit 99,45% entlastet.

MFE trat auf der Hauptversammlung weder mit einer Videobotschaft noch als Fragesteller auf. Die Verweigerung der Entlastung für den Aufsichtsrat begründete das Unternehmen tags zuvor in einer Pressemitteilung damit, dass der „Nachfolgeprozess“ für den Aufsichtsrat „nicht den Mindeststandards in Hinblick auf Transparenz und der üblichen Corporate-Governance-Praxis“ entspreche. Im Dezember des vergangenen Jahres hatte ProSiebenSat.1 bekannt gegeben, Andreas Wiele, ehemaliger Vorstand der Axel Springer SE, sei als künftiger Aufsichtsratsvorsitzender vorgesehen. Wiele, Jahrgang 1962, wurde im Februar vom Gericht als Mitglied bestellt, auf der Hauptversammlung mit 99,3% Ja-Stimmen gewählt und nach der Veranstaltung zum Nachfolger von Werner Brandt (68) bestimmt.

MFE hatte zuvor angekündigt, die Wahl Wieles zu unterstützen, sich aber für die Berufung des früheren RTL-Chefs Bert Habets und in der Wiederwahl von Rolf Nonnenmacher zu enthalten. Das Angebot von ProSiebenSat.1, einen eigenen Kandidaten vorzuschlagen, schlug MFE aus, wie das deutsche Fernseh- und Internetunternehmen vor sechs Wochen mitteilte. Habets wurde mit 98,7% gewählt, Nonnenmacher mit 97,9% bestätigt. MFE hatte sich dabei wie angekündigt enthalten.

Partys, Steuern und Putin

Auf der virtuellen Hauptversammlung wurden zwei Videobotschaften von Anteilseignern gezeigt. Daniela Bergdolt, die Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, wandte sich gegen die europäische Ausrichtung des Geschäfts von MFE: „Das ist nicht die Strategie, die ProSiebenSat.1 gefahren hat.“ MFE könnte eine Richtung auslösen, die das Unternehmen nicht brauche. 2021 sei ein gutes Jahr für ProSiebenSat.1 gewesen, auch wenn sich dies nicht im Aktienkurs widerspiegle.

Die Aktionärin Caterina Steeg zeigte sich besorgt über einen Einfluss von Silvio Berlusconi, dessen Familie MFE kontrolliert. Die Bunga-Bunga-Partys des ehemaligen italienischen Premierministers seien mehr als geschmacklos, zudem sei Berlusconi wegen Steuerhinterziehung verurteilt und habe den russischen Präsidenten Wladimir Putin als Politiker von Weltformat und wahren Anführer bezeichnet. Ein Einfluss Berlusconis sei deshalb und auch aus gesellschaftsrechtlicher Sicht abzulehnen. Nach Steegs Meinung könnte eine Übernahme von ProSiebenSat.1 für die Aktionäre wie im Fall der Verschmelzung von Mediaset mit Mediaset España bezogen auf das Umtauschverhältnis Nachteile bringen.

Auf die Frage, wie die Mitarbeiter auf Berlusconi reagierten, antwortete der Vorstandsvorsitzende Rainer Beaujean, das Interesse von MFE am Unternehmen werde sehr aufmerksam beobachtet. Auch Stellenbewerber fragten danach, zum Beispiel Kandidaten für die Nachrichtenredaktion, mit der ProSiebenSat.1 im nächsten Jahr starten will.

Beaujean betonte in seiner Rede, die Meinung und die Beiträge von MFE würden begrüßt und ernst genommen. Er sagte aber auch, eine europäische Konsolidierung sei zwar scheinbar der einfache Weg, aber nicht der richtige: „Es gibt keine relevanten länderübergreifenden Synergien.“

Fragen gab es auch zu den Stimmrechten von MFE. Das Unternehmen hatte im März mitgeteilt, die Schwelle von 25% überschritten zu haben. ProSiebenSat.1 ist dies bisher nicht gemeldet worden. Nach der letzten Stimmrechtsmitteilung vom 25. Februar sind es 21,6%.

Wertberichtigt Seite 8