Logistik und Onlinehändler

Steigende Kraftstoff­kosten führen zu Preis­erhöhungen

Die Dienstleistung Transport hat den größten Anteil am deutschen Logistikmarkt. Eine kräftige Erhöhung der Kraftstoffpreise wirkt sich daher stark auf die Kosten aus. Die Unternehmen reagieren mit Preisaufschlägen.

Steigende Kraftstoff­kosten führen zu Preis­erhöhungen

Von Martin Dunzendorfer und Helmut Kipp, Frankfurt

Logistikunternehmen kümmern sich neben dem Transport von Waren und Gütern auch um Lagerung, Umschlag und Verpackung. Die Dienstleistung Transport hat aber den größten Anteil am deutschen Logistikmarkt, der trotz des global agierenden Branchenriesen Deutsche Post DHL mittelständisch geprägt ist. Daher wirkt sich eine Erhöhung der Benzin-, Diesel-, Strom- und Kerosinpreise (Straßen-, Schiffs- und Schienengüterverkehr sowie Luftfracht) stark auf die Kosten der Logistiker aus. Dies führt üblicherweise, wenn ein kräftiger Anstieg der Kraftstoffpreise absehbar nur von relativ kurzer Dauer ist, nicht oder kaum zu Preisanhebungen für Logistikdienstleistungen. Das ist jetzt anders. Die internationalen Sanktionen gegen den bedeutenden Öl- und Gasexporteur Russland nach dem Einmarsch in das Nachbarland Ukraine haben die Treibstoffpreise in die Höhe getrieben, und sie dürften ohne staatliche Einflussnahme zumindest mittelfristig nicht mehr auf die Vorkriegsniveaus sinken. Vielleicht sogar nie mehr.

Wenn selbst in hochkompetitiven Branchen wie dem Lebensmittel-Einzelhandel aufgrund des Kostendrucks die Preise für Basisartikel wie Brot, Butter, Fleisch/Wurst oder Gemüse signifikant angehoben werden, dann steht außer Frage, dass auch die Logistiker spürbar höhere Entgelte fordern werden. Der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) macht darauf aufmerksam, dass bereits in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres die Sendungskosten der Stückgutlogistik (Sendungen mit einem Gewicht zwischen 30 Kilogramm und 3 Tonnen) im Vergleich zur Vorjahreszeit um 9% gestiegen sind. „Angesichts der rasanten Entwicklung der Energiekosten infolge des Kriegsgeschehens in der Ukraine wird dieser Trend nicht abflachen“, prognostiziert der DSLV.

Schon im zweiten Halbjahr 2021 basierte der drastische Anstieg der Sendungskosten maßgeblich auf einem Steigflug der Kraftstoffkosten um 31,2%, berichtet der DSLV in der jüngsten Ausgabe seines halbjährlich ermittelten Kostenindex Sammelgutspedition. Ende des Jahres betrug deren Anteil 10,8% an den gesamten Sendungskosten und damit 2,8 Prozentpunkte am neunprozentigen Gesamtkostenanstieg. Zusätzlich verzeichneten die Systemlogistiker einen spürbaren Anstieg der Personalkosten (+6,5%) und Sachkosten (+8,1%). Die gestiegenen Kraftstoffkosten lagen damit 2021 als Gesamtkostentreiber knapp hinter den Personalkosten und den Kapazitätserweiterungen an dritter Stelle. Das dürfte sich im laufenden Halbjahr ändern: Steigende Kraftstoffkosten werden mit Abstand der stärkste Gesamtkostentreiber sein.

Der von Statista ermittelte Preisindex der Frachtraten in Deutschland verzeichnete im ersten Quartal 2022 im Vergleich zum Schlussviertel 2021 einen kräftigen Anstieg. Das Statistische Bundesamt stellt klar, dass der Krieg in der Ukraine und die dadurch nochmals steigenden Preise für Kraftstoffe der Grund dafür sind, dass der Preisindex den höchsten Wert seit Jahren erreicht hat. Für die Indexermittlung wurde dabei ausschließlich der Straßengüterverkehr in Deutschland betrachtet.

„Perspektivisch ist mit weiter steigenden Betriebskostenverläufen und deshalb mit einer Verteuerung logistischer Prozesse zu rechnen“, so DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster. Allein in den ersten vier Wochen nach Ausbruch des Ukraine-Krieges am 24. Februar seien die Dieselpreise um mehr als 30% gestiegen. Huster kritisiert die seiner Ansicht nach unzureichende Reaktion des Staates: „Der von der Bundesregierung angekündigte Steuernachlass von 14 Cent pro Liter Diesel und 6 Cent je Kilogramm LNG (verflüssigtes Erdgas; die Red.) wird nicht entscheidend zur Entlastung vom hohen Kostendruck beitragen.“ Deshalb sei es umso wichtiger, dass es gelingt, die Kostenlast z.B. durch eine Anpassung vertraglicher Preisgleitklauseln auf den Güterverkehrsmärkten zu überwälzen.

Letztes Wegstück betroffen

Eine große Rolle spielt der Lieferaufwand für die Online-Händler. So absorbierten beim Modeverkäufer Zalando die sogenannten Fulfillment-Kosten 2021 ein Viertel des Umsatzes. Beim Konkurrenten About You waren es 19,4%, bezogen auf die ersten neun Monate des Geschäftsjahres 2021/22. Der Online-Möbelhändler Home24 weist einen Fulfillment-Kostenanteil von 16% aus, die E-Commerce-Plattform für Inneneinrichtungsprodukte Westwing von 20,5%. Der Kochboxenversender Hellofresh kommt sogar auf eine Quote von 40,9%, was damit zusammenhängt, dass auch die Weiterverarbeitung der Zutaten für die Kochboxen in den Vertriebszentren erfolgt, diese also eher Produktions- als Lagerstätten sind.

Neben dem Warentransport zum Kunden gehören zur Logistik auch der Betrieb der Distributionszentren sowie Verpackung und Zahlungsabwicklung. Neben den Konditionen der Spediteure spielen Faktoren wie durchschnittliche Bestellwerte, Retourenquote und Auslastungsgrad wirtschaftlich eine Rolle. Mit Details zu den Auswirkungen der Kostensteigerungen halten sich die Unternehmen allerdings zurück. In der Granularität könne man die gestellten Fragen nicht beantworten, stellt die Hellofresh-Sprecherin klar: „Das Einzige, was ich sagen kann, ist, dass es zum jetzigen Zeitpunkt keine Pläne gibt, Liefergebühren anzupassen.“ Diese Gebühren sind Teil des ausgewiesenen Preises pro Kochbox.

Zalando räumt ein, dass die gesamte E-Commerce-Branche seit Längerem von steigenden Kosten im Transportsektor betroffen sei, insbesondere auf dem letzten Wegstück vom Depot des Paketdienstleisters zur Haustür des Kunden. Die Berliner verfügen nach eigenen Angaben über ein „diversifiziertes Portfolio an Versandpartnern“. Zudem arbeite man weiter daran, die Logistik effizienter zu machen, etwa mit dem Ein-Paket-Prinzip, das mehrere Bestellungen bündelt. Das spare Kosten und sei umweltfreundlicher. Home24, die ihre Möbel in Asien, Europa und Brasilien einkauft, begegnet den Störungen in den Lieferketten mit einer Aufstockung der Lagerbestände. „Eine entsprechende Erhöhung des Working Capital haben wir seit Ende vergangenen Jahres eingeplant“, sagt Chief Operating Officer Brigitte Wittekind. Alle Online- und Offline-Händler seien von momentan sehr hohen Frachtraten, Containerengpässen, teilweise geschlossenen Häfen, coronabedingten Personalausfällen und steigenden Rohstoffkosten etwa für Holz – für Home24 ein wichtiges Vorprodukt – betroffen.

Auf Engpässe in der Auslieferlogistik reagiert Home24 mit dem Aufbau eigener Kapazitäten. Vor allem bei Möbelstücken, die von zwei Personen zu den Kunden transportiert werden müssen, werde zunehmend der eigene Lieferservice eingesetzt. „Damit machen wir uns unabhängiger von einem angespannten Markt“, sagt Wittekind. Von den höheren Energiepreisen sei der stationäre Handel eher noch stärker betroffen.

Den Trend zum Online-Handel wird die immense Rohstoff- und Energieverteuerung keinesfalls aufhalten, ist der Berater und Handelsexperte York von Massenbach überzeugt. Die Menschen hätten sich an den Online-Einkauf gewöhnt und wollten nicht mehr darauf verzichten. Vor allem große Player wie Amazon könnten höhere Logistikkosten an ihre Kunden weitergeben, für kleinere sei das eine Herausforderung, sagt der Direktor der Managementberatung Atreus.

Zuletzt erschienen: Glasindustrie – Ein Traditionshandwerk droht zu zerbrechen (20. April)

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