Weshalb ein kleiner Versorger viel Potenzial in der Energiewende erkennt
Serie Zuversicht statt German Angst: Ove Petersen im Gespräch (6)
GP Joule sieht viel Potenzial durch die Energiewende
Versorger hat gesamte Energie-Wertschöpfungskette im Blick – Kritik an starrer Schuldenbremse – Börsengang eine Option
Bei der ganzheitlichen Energiewende geht es nicht nur um die Erzeugung von Strom, sondern auch um die Nutzung, die Umwandlung in Wärme und Wasserstoff sowie um Verteilung und Vermarktung der Energieträger. Das habe man früh erkannt, sagt Ove Petersen. Der CEO von GP Joule sieht viel Potenzial für seine Firma.
Von Carsten Steevens, Hamburg
Zuletzt erschienen: Trumpf hat durch Forschung die Nase vorn (23.10) Brüninghoff trotzt der Krise am Bau (16.10.) BMZ Group verschreibt sich der Elektrifizierung (9.10.)
Die Energieversorgung in Deutschland soll nachhaltiger werden. Wasserstoff soll fossile Energieträger ersetzen und wesentlich zum klimafreundlichen Wandel der CO2-intensiven Industrie beitragen. Branchenexperten erwarten, dass Wasserstoff eine zentrale Rolle spielen wird, um zur Mitte des Jahrhunderts Klimaneutralität in Europa zu erreichen. Doch der Auf- und Ausbau der Wasserstoffwirtschaft ist von zahlreichen Faktoren abhängig, er könnte sich länger hinziehen als erhofft.
Ove Petersen, CEO des Energieversorgers GP Joule aus Reußenköge in Schleswig-Holstein, hadert mit aktuellen Debatte. Die Diskussion um die Produktion von grünem, aus erneuerbaren Energien erzeugtem Wasserstoff kreise noch immer viel zu sehr um die Frage, was irgendwelche Abnehmer irgendwann womöglich an Wasserstoff brauchen könnten – und wo man diesen dann vielleicht beziehen könne. „Dabei geht leider unter, wofür die Elektrolyse mit ihrer Wasserstoff- und Wärmeerzeugung zwingend benötigt wird: für die Integration der Erneuerbaren ins Energiesystem. Das ist die systemische Leistung der Elektrolyse.“ Das müsse in den Mittelpunkt rücken.
Zubau gefährdet
Dass sich der gelernte Landwirt und Diplom-Agraringenieur an der Diskussion beteiligt, liegt auf der Hand. Die von ihm und Heinrich Gärtner, einem Freund und Studienkollegen, 2009 gegründete Firma GP Joule ist in allen Bereichen der Energie-Wertschöpfungskette aktiv, produziert und vermarktet Wind- und Solarstrom, grünen Wasserstoff und Wärme. Petersen unterstreicht, in vielen Regionen Deutschlands seien die Stromnetze heute nicht in der Lage, die Leistung aufzunehmen. Selbst bei einem ambitionierten Stromnetzausbau werde sich diese Situation über die nächsten Jahre weiter zuspitzen. Und es fehlten nicht nur die Netze, sondern auch schlicht die Abnehmer der Energie. „Das gefährdet den Wind- und Solarkraftzubau, da nicht klar ist, ob diese Projekte überhaupt finanziert werden, wenn nicht sichergestellt werden kann, dass der Strom auch tatsächlich abgenommen oder eingespeist werden kann.“
Die Erzeugung von Strom aus Wind und Sonne sei wetterabhängig, fügt der 50 Jahre alte Unternehmer hinzu. Deshalb müsse alles, was dabei helfe, erneuerbare Energien in das Gesamtenergiesystem zu integrieren, zwischenzuspeichern und zu den Verbrauchern zu transportieren, gefördert werden. „Die Elektrolyse hat dabei einen besonders hohen Wert, da sie die Energie in Form von Wasserstoff zeitlich unabhängig nutzbar macht und die Verteilung der Energie über den Transport auf der Straße, Schiene und in Pipelines erst ermöglicht.“
Verlässlichkeit benötigt
Petersen betont, für den Wasserstoffhochlauf brauche es verlässliche Rahmenbedingungen und Investitionssicherheit, die nicht unbedingt über Investitions-Fördermittel sichergestellt werden müsse, sondern vielmehr über stabile Rahmenbedingungen oder Bürgschaften. „Wir sprechen hier von einer noch immer jungen Branche, bei der Risiken noch anders bewertet werden. Mit einem verlässlichen Rahmen und verlässlicher Finanzierung kann man die Branche sich frei entwickeln lassen. Und dann wird sie sich auch entwickeln.“
Auch mit Blick auf die aktuellen Bedingungen für einen weiteren Zubau an Wind- und Solarenergie in Deutschland äußert der GP Joule-Chef klare Vorstellungen. Um diese Energie in alle Sektoren, d.h. auch den Verkehr und die Industrie, zu bekommen, könnten zinsverbilligte Kredite helfen. „Mit diesen Mitteln sollte die Industrie und wichtige Infrastruktur unterstützt werden, um sich auf die Transformation des Energiemarktes einzustellen.“ Auch eine stringente, wirksame CO2-Bepreisung bei gleichzeitiger Sozialverträglichkeit, beispielsweise über ein Klimageld, würde helfen. Zur Vereinbarkeit von Klimaschutz und seriöser Haushaltspolitik sagt Petersen, eine starre Schuldenbremse passe generell nicht zu einem Land, das sich für die Zukunft aufstellen wolle. „Wir hinterlassen nachfolgenden Generationen vielleicht keine monetären Schulden, aber Infrastrukturschulden und einen kaum bewohnbaren Planeten.“
Umsatz erhöht
Neben dem Firmensitz in Schleswig-Holstein, dem beim Windkraft-Zubau führenden Bundesland, sowie dem zweiten Gründungssitz in Bayern ist GP Joule mit weiteren Büros im ländlichen Raum präsent, aber auch an Standorten in Hamburg, Berlin und Augsburg. Die Mitarbeiterzahl stieg seit Firmengründung vor 15 Jahren auf gut 1.000. Der Umsatz, der 2012 bei 180 Mill. Euro lag, habe sich, so Petersen, ebenso kontinuierlich erhöht, wenn auch nicht im gleichen Maße wie die Beschäftigtenzahl.
„Bei einem großen Anlagenbauer, wie wir es sind, hängt der Umsatz auch immer stark von externen Faktoren, wie beispielsweise den Solarmodulpreisen, ab“, erklärt der CEO. „Auch politische Entscheidungen haben auf einem so regulierten Markt wie dem Strommarkt einen Einfluss.“
Gestärkt durch Erlöse
Erlöse aus dem Unternehmen habe man immer zur Entwicklung neuer Geschäftsfelder wie Wärme, Wasserstoffaktivitäten oder Energievermarktung genutzt, sagt Petersen zur Frage nach der Rentabilität von GP Joule. Das sei in einem dynamischen und im Umbruch befindlichen Feld wie der Energieversorgung besonders wichtig, denn erst 20% der verbrauchten Energie in Deutschland komme aus erneuerbaren Quellen. „Da gibt es also noch viel zu tun und sehr viel Potenzial.“
Das inhabergeführte Unternehmen, zu dessen Gesellschaftern neben Petersen und Gärtner auch Alexander Lehmann, geschäftsführender Gesellschafter des baden-württembergischen Messtechnikdienstleisters Minol-Zenner, gehört, finanziert Projekte durch Eigen- und Fremdkapital. Den Kapitalmarkt nutzt GP Joule bislang nicht. Das könne sich aber zur Wachstumsfinanzierung ändern.
Viel Kapital benötigt
Zur Option eines Börsengangs sagt Petersen: „Wir schließen das nicht aus.“ Derzeit sei zwar nichts in diese Richtung geplant. Da es aber großes Wachstumspotenzial gebe und die Transformation der Energiezeugung und -verteilung großen Kapitaleinsatz erfordere, könne ein Börsengang „irgendwann in Frage kommen“.
Ausbaupläne verfolgt GP Joule in den Bereichen Energievermarktung, Großelektrolyseanlagen, Wärmenetze und Großbatteriespeicher. Insgesamt liege der Fokus auf dem deutschen Markt, erklärt der Firmenchef. Man könne aber jederzeit auch in Kanada und den USA wieder tätig werden. Für das Unternehmen, das aktuell in Irland, Frankreich, Italien und Österreich aktiv ist, sei perspektivisch zudem Skandinavien interessant. Die Region sei ein wichtiger Energielieferant für Deutschland und Europa, ihre Bedeutung werde zunehmen, so Petersen.
Expansion auch anorganisch
Wachsen könnte GP Joule ferner durch Zukäufe. „In den Bereichen, in denen wir großes Potenzial sehen, können wir uns auch ein anorganisches Wachstum vorstellen", sagt der CEO. Dort, wo man durch Beteiligungen schneller und besser Wissen und Fähigkeiten dazugewinnen könne, seien Beteiligungen eine Option. Im vergangenen Jahr beteiligte sich GP Joule an der Digitalagentur Codin IT und an Epic AI, einem Start-up für KI-Lösungen aus Flensburg. Die Anwendungsfelder für digitale und intelligente Lösungen in allen Teilen der Energie-Wertschöpfungskette seien groß, so Petersen.
Hier finden Sie alle Beiträge der Serie Zuversicht statt German Angst.
Zuletzt erschienen
Trumpf hat durch Forschung die Nase vorn (23.10)
Brüninghoff trotzt der Krise am Bau (16.10.)
BMZ Group verschreibt sich der Elektrifizierung (9.10.)