Fondsstandort

Warum wir für den Finanzplatz Frankfurt kämpfen

Der Brexit hat den Wettbewerb der Finanzplätze innerhalb der EU verschärft. Standortpolitik und -vermarktung sind deshalb für die Fondswirtschaft noch wichtiger geworden. Frankfurt muss für hoch qualifizierte Fachkräfte attraktiv bleiben.

Warum wir für den Finanzplatz Frankfurt kämpfen

Der Brexit hat den Wettbewerb der Finanzplätze innerhalb der EU verschärft. Standortpolitik und -vermarktung sind deshalb für die Fondswirtschaft noch wichtiger geworden. Unsere Branche ist auch in Zeiten von digitalem Wandel und Robo-Beratern im Kern ein Geschäft von Menschen für Menschen, das gilt für den Vertrieb von Fonds genauso wie für die Produktion. Ohne eine ausreichende Tiefe und Breite an qualifizierten und spezialisierten Fachkräften wird es jeder Finanzstandort im Wettbewerb schwer haben.

Der Finanzplatz Frankfurt ist aufgrund der Struktur des Fondsmarktes besonders darauf angewiesen, über ein möglichst breites Spektrum an Fachleuten zu verfügen, wie ein Vergleich mit anderen europäischen Finanzplätzen zeigt. Dabei lassen sich grob vier Gruppen von Fondsstandorten unterscheiden: Auflagestandorte, Assetmanagement-Standorte, Vertriebsstandorte und solche mit einem ausgewogenen Dienstleistungsangebot.

Standorte im Vergleich

Typische Auflagestandorte für Fonds sind Malta, Zypern, Luxemburg und Irland. Allein auf die letzten beiden Länder entfallen 9,4 Bill. Euro der insgesamt rund 20 Bill. Euro in europäischen Fonds, also knapp die Hälfte des in Europa aufgelegten Fondsvermögens. Allerdings werden dort nur die Fondshüllen zur Verfügung gestellt. Entwickelt werden die Produkte hingegen in den jeweiligen Herkunftsländern der Assetmanager, auch das Portfolio- und Risikomanagement findet in der Regel dort statt und der Vertrieb sowieso.

Weder Luxemburg noch Irland verfügen über einen nennenswerten Fondsmarkt, sprich Fondsanleger und einheimische Assetmanager. So stammen beispielsweise 21% der in Luxemburg aufgelegten Fonds von US-Anbietern, 17% von Assetmanagern aus England, jeweils 14% aus der Schweiz und Deutschland sowie 10% aus Frankreich. Die relativ wenigen Beschäftigten, die bei Fondsgesellschaften am Standort Luxemburg arbeiten, kümmern sich überwiegend um die Administration der Fonds.

Demgegenüber ist England mit 11 Bill. Euro verwaltetem Vermögen der größte Assetmanagement-Standort für Fonds und Mandate in Europa und nach den USA der zweitgrößte weltweit. Allein auf das Portfoliomanagement von Fonds entfallen 4,1 Bill. Euro. Unter den Beschäftigten in London arbeiten viele Portfoliomanager von Fondsgesellschaften, die die Anlageentscheidungen für weltweit vertriebene Fonds treffen. Zudem arbeiten viele Geschäftsführer, Risikomanager und andere Entscheidungsträger, die von Assetmanagement-Konzernen zum Beispiel für Luxemburger Fondsgesellschaften abgeordnet sind, nicht im Großherzogtum, sondern auch nach dem Brexit von ihren Büros an der Themse aus.

Anspannung nachvollziehbar

Vor diesem Hintergrund ist die Anspannung nachvollziehbar, mit der Londoner Assetmanager auf die Pläne der EU-Kommission zur Vermeidung von Briefkastenfirmen reagieren. Die Kommission will sicherstellen, dass in Fondsgesellschaften innerhalb der Europäischen Union (EU) eine ausreichende Zahl von Entscheidungsträgern tatsächlich vor Ort arbeitet, um diese bei Regelverstößen zur Verantwortung ziehen zu können. Was den heimischen Absatz angeht, ist England im Vergleich zu seiner herausragenden Bedeutung als Assetmanagement-Standort ein deutlich kleinerer Fondsmarkt als Deutschland. Die Engländer besitzen Fonds im Wert von 2 Bill. Euro, die Deutschen laut Europäischer Zentralbank (EZB) von 3,2 Bill. Euro.

In der EU ist Frankreich der größte Assetmanagement-Standort. Die Portfoliomanager in Paris steuern die Anlageentscheidung für Fonds und Mandate mit einem Vermögen von insgesamt 5 Bill. Euro. Die Bedeutung des heimischen Absatzes von Fonds ist mit 1,8 Bill. Euro (Marktanteil laut EZB: 15%) deutlich geringer. Die französische Regierung hat die Chance des Brexits erkannt und vor einigen Jahren die Devise ausgegeben, Paris zur neuen Nummer 1 der EU-Finanzplätze zu machen. Die Politik bis hin zum Präsidenten wirbt entsprechend aktiv für Paris als Standort für Assetmanager.

Der Vertriebsstandort schlechthin ist Italien. Das Land hat einen europäischen Marktanteil von 10% und wächst überdurchschnittlich schnell, was sich nebenbei bemerkt unter anderem in der beeindruckenden Zahl von Italienern als europäische Vertriebsleiter von international tätigen Assetmanagern widerspiegelt. Allein, die einheimischen Portfoliomanager treffen lediglich für 0,5 Bill. Euro die Anlageentscheidungen, also für weniger als die Hälfte der insgesamt 1,2 Bill. Euro Fondsvermögen der Italiener. Einheimische Assetmanager kommen auf einen Anteil von 54% des Publikumsfondsmarktes.

Deutschland bietet alles

Im Neugeschäft dominieren US-Fondshäuser: Sie verzeichneten in den vergangenen drei Jahren mehr als die Hälfte aller Zuflüsse. Ein weiteres Merkmal des italienischen Marktes ist der große Anteil von Fonds, die im Ausland aufgelegt sind: Über 70% des Vermögens entfällt auf sie. Dabei spielen auch Übernahmen italienischer Assetmanager durch ausländische Fondsgesellschaften eine wesentliche Rolle. So erwarb zum Beispiel Amundi Ende 2016 Pioneer Investments von Unicredit.

Deutschland ist mit einem Fondsvermögen von 3,2 Bill. Euro der größte Markt in Europa (EZB: 27%). Er bietet alles ohne Schwerpunkt auf einzelne Dienstleistungen. In Deutschland gibt es neben Fondsauflage und Vertrieb auch einen bedeutenden Anteil heimischer Produktentwicklung, Portfolio- und Risikomanagement, auch wenn deutsche Fondsgesellschaften 30% des Vermögens an Portfoliomanager im Ausland auslagern – vor allem in England, Frankreich und den USA. Hierzulande sind Assetmanager aus 36 Ländern aktiv.

In Deutschland war die Merkel-Regierung weitgehend desinteressiert, doch mittlerweile gibt es erfreuliche Signale für mehr politisches Engagement für den Finanzplatz. Etwa, dass sich der neue Koalitionsvertrag für die Ansiedlung der EU-Geldwäschebehörde in Frankfurt ausspricht und damit die Forderung der Fondswirtschaft unterstützt. Bereits vorher hat Frankfurt dank der gemeinsamen Initiative von Politik, Verbänden und Unternehmen den Zuschlag für den Hauptsitz des International Sustai­n­ability Standards Board (ISSB) erhalten, das weltweit gültige Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen entwickeln soll.

Damit hat Frankfurt neben der EZB, der EU-Versicherungsbehörde EIOPA und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine weitere wichtige Institution gewonnen. Diesen gemeinsamen Einsatz gilt es jetzt fortzuführen. Nur so wird es gelingen, den Finanzplatz Frankfurt im Wettbewerb um die besten Talente attraktiv zu halten. Denn von der Qualität der Fachkräfte hängt die Qualität von Fonds und der Dienstleistungen entlang der Wertschöpfungskette von Adminis­tration, Produktentwicklung, Fonds- und Risikomanagement bis hin zum Vertrieb ab.