Wirtschaftsweiser warnt vor zweistelligen Inflationsraten
ms Frankfurt
Der scheidende Wirtschaftsweise Volker Wieland warnt vor der Gefahr zweistelliger Inflationsraten in Deutschland und mahnt die Europäische Zentralbank (EZB) zu einem entschlosseneren Vorgehen gegen den hartnäckigen Preisauftrieb. „Es ist absehbar, dass die Inflation in Deutschland noch auf absehbare Zeit sehr hoch sein wird. Wenn sich jetzt der Krieg verschärft und es zu einem Gaslieferstopp und einer Energiekrise kommt, sind auch zweistellige Inflationsraten nicht auszuschließen“, sagt Wieland im Interview der Börsen-Zeitung.
Der Ukraine-Krieg treibt die Energiepreise und befeuert damit die zuvor schon sehr hohe Inflation. Im April legte die Inflationsrate in Deutschland laut EU-harmonisierter Berechnung überraschend weiter auf 7,8% zu. Die Teuerung im Euroraum markierte im April mit 7,5% sogar erneut ein Rekordhoch, wie Eurostat am Freitag in einer ersten Schätzung mitteilte. Die EZB strebt mittelfristig eine Rate von 2,0% an.
Angesichts der Gefahr zweistelliger Inflationsraten sei es umso wichtiger, dass die EZB endlich entschlossener handle, sagt Wieland. „Es ist für mich unverständlich, warum sie bei Inflationsraten von 7 % und mehr an Null- und Negativzinsen festhält“, so der Ökonom. „Die EZB sollte rasch ihre Anleihekäufe komplett einstellen und mit Zinserhöhungen beginnen.“ Die Geldpolitik sei „immer noch völlig auf Stimulierung der Wirtschaft ausgerichtet“, sagt Wieland. „Diese EZB-Politik passt nicht mehr in die Zeit.“
Entschieden sprach sich Wieland gegen Überlegungen aus, dass die EZB bei einem Ende der Anleihekäufe ein neues Programm auflegt, das jederzeit genutzt werden könnte, um als exzessiv angesehene Zinsabstände (Spreads) zwischen den Renditen von Staatsanleihen verschiedener Euro-Länder zu vermeiden. „Die EZB braucht kein neues Programm“, sagt Wieland, der zum Monatsende freiwillig vorzeitig aus dem Sachverständigenrat ausscheidet. „In einer akuten Krise mit großer Unsicherheit können Interventionen am Staatsanleihenmarkt notwendig sein. Die EZB sollte sich aber davor hüten, in normalen Zeiten die Risikoprämien und -spreads kontrollieren und steuern zu wollen.“
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Interview Seite 7