ESG-Engagement im Visier der Trump-Behörden

Aktivisten-Richtlinie setzt Blackrock & Co. unter Druck

Vor der Hauptversammlungssaison unterbrechen Assetmanager um Blackrock Gespräche mit Unternehmen. Hintergrund ist eine Richtlinie der SEC, die Beobachter als Angriff auf ESG-Initiativen werten.

Aktivisten-Richtlinie setzt Blackrock & Co. unter Druck

Aktivisten-Richtlinie setzt Assetmanager unter Druck

US-Börsenaufsicht SEC nimmt ESG-Engagement von Vermögensverwaltern ins Visier – Blackrock und Vanguard unterbrechen Treffen mit Unternehmen

Vor der Hauptversammlungssaison unterbrechen Assetmanager um Blackrock Gespräche mit Unternehmen. Hintergrund ist eine neue Richtlinie der SEC, die Vertreter der Fondsbranche als Angriff auf ESG-Initiativen werten. Das Umfeld für Nachhaltigkeitsinvestments in den USA wird damit noch schwieriger.

Von Alex Wehnert, New York

Der nachhaltigkeitsfeindliche Kurs der US-Regierung stürzt auch große Vermögensverwalter in Verunsicherung. In der abgelaufenen Woche unterbrachen der weltgrößte Assetmanager Blackrock und die Rivalin Vanguard Gespräche mit Unternehmen, die sich vor der anstehenden Hauptversammlungssaison auf Konflikte mit Aktionären einstellen. Hintergrund sind neue Richtlinien der US-Börsenaufsicht SEC für Shareholder-Aktivisten, die Beobachter an der Wall Street als Angriff auf Investoreninitiativen für Umweltschutz, soziales Wirtschaften und gute Unternehmensführung (ESG) werten.

Kompliziertere Offenlegung

Vor der am 11. Februar veröffentlichten Neuregulierung stufte die Behörde das Vorgehen von Aktionären, die Unternehmen zu Nachhaltigkeitsmaßnahmen und der verbundenen Entlohnung von Managern befragten, nicht als „Einflussnahme“ ein – selbst wenn diese Eigner Beteiligungen von über 5% hielten. Somit mussten sie lediglich kurze Dokumente für passive Investoren ausfüllen. Nun allerdings hat die SEC die Kriterien dafür ausgeweitet, was sie als aktives oder kontrollierendes Verhalten einstuft – damit geht ein deutlich aufwendigerer Dokumentationsprozess einher. Aktionäre müssen detailliert begründen, wie sie ihre Beteiligung aufgebaut haben und welche Zwecke sie damit verfolgen. Zudem gelten für betroffene Investoren deutlich kürzere Offenlegungsfristen für Aktienkäufe und -Verkäufe. Dadurch drohen sich die gängigen Prozesse im Vorfeld der Hauptversammlungssaison enorm zu verkomplizieren.

Die SEC – die unter ihrem im Januar abgetretenen demokratischen Vorsitzenden Gary Gensler noch ambitionierte ESG-Offenlegungspflichten für Unternehmen einzuführen suchte – reiht sich somit in eine Kampagne gegen Nachhaltigkeitsinvestments ein. Die Analysten von S&P Global heben das „eng koordinierte“ Vorgehen republikanisch kontrollierter Bundesstaaten, konservativer Think Tanks und rechter Gruppen bereits seit fast drei Jahren hervor.

Stimmung trübt sich ein

Mit dem Beginn der zweiten Amtszeit von Präsident Donald Trump hat sich die Stimmung für ESG-Anlagen allerdings noch erheblich eingetrübt. Der Republikaner bezeichnet den wissenschaftlichen Konsens zum menschengemachten Klimawandel wiederholt als „Schwindel“– seine Administration arbeitet im Eiltempo daran, Nachhaltigkeitsregulierungen aus der Regierungszeit Joe Bidens zurückzufahren. In einer seiner ersten Amtshandlungen beendete Trump die Teilnahme der USA am Pariser Klimaabkommen.

Die Auswirkungen des Anti-ESG-Kurses zeigen sich im Markt bereits deutlich. Während grünen und sozialen Fonds global per auch im vergangenen Jahr weiterhin Mittel zugeströmt sind, mussten die 612 in den USA aktiven Nachhaltigkeitsvehikel laut dem Analysedienst Morningstar im vierten Quartal aggregiert Nettomittelabflüsse von 4,3 Mrd. Dollar verkraften. Die Abkehr amerikanischer Investoren von der einst als Megatrend gefeierten ESG-Anlage trägt im Zusammenspiel mit einer schwächeren Performance dazu bei, dass das Volumen der weltweit nachhaltig verwalteten Mittel im Schlussviertel 2024 um 4% auf rund 3,2 Bill. Dollar zurückgingen.

Große Wirkung entfalten dabei vor allem die Pensionsfonds republikanisch kontrollierter Bundesstaaten wie Texas und Florida. Der Texas Permanent School Fund zog Ende April des vergangenen Jahres auf einen Schlag 8,5 Mrd. Dollar aus Blackrock-Vehikeln ab.

Assetmanager knicken ein

Unter diesem Druck knicken Vermögensverwalter zunehmend ein. Blackrock unterstützte in den zwölf Monaten bis Ende Juni 2024 auf Hauptversammlungen nur 20 von 493 Aktionärsinitiativen zu Umwelt- und Sozialaspekten, die dem Assetmanager vorlagen – also gerade einmal 4%. Im Jahr 2021 waren es noch 47%. Vanguard votierte in der Hauptversammlungssaison 2024 indes mit keiner einzigen der 400 Umwelt- und Sozialinitiativen, die sie prüfte.

Vor dem Start der Hauptversammlungssaison hat Blackrock seine Gespräche mit Unternehmen inzwischen zwar wieder aufgenommen – offenbar aber mit angezogener Handbremse. „Wir befolgen die neuen Anforderungen, auch indem wir bei Beginn jedes Engagements unsere Rolle als passiver Investor hervorheben“, teilt der weltgrößte Vermögensverwalter mit. Blackrock nutze seine Interaktion mit Unternehmen „nicht aus, um öffentlich gelistete Unternehmen zu kontrollieren.“

Sorge vor breiterem Effekt

Vanguard prüft die neuen Richtlinien der SEC, um zu ermitteln, ob und welche Anpassungen an der „passiven Herangehensweise an Investment Stewardship“ ihrer Fonds nötig seien, wie der Assetmanager gegenüber der Börsen-Zeitung mitteilte. Die Transparenz gegenüber Investoren, Portfolio-Unternehmen und dem Gesetzgeber stehe im Vordergrund, Vanguard wolle „konstruktiv“ mit Politik und Regulatoren zusammenarbeiten. Derweil geht die Sorge um, dass die neue Aktivismus-Richtlinie die Manövrierfähigkeit der Fondsbranche und ihre Möglichkeiten, auf aktuelle Marktentwicklungen zu reagieren, insgesamt einschränkt. Die SEC äußerte sich bis Redaktionsschluss nicht zu einer diesbezüglichen Anfrage.

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