GastbeitragWirkung der Taxonomie

Nachhaltige Transformation zwischen Realität und Regulatorik

Die EU-Taxonomie ist ein guter Ansatz, sie soll Unternehmen bei der Messung ihrer Transformationsfortschritte unterstützen, findet unsere Gastautorin. Aber neben der statischen Taxonomie müsse auch der Transitionsprozess berücksichtigt werden.

Nachhaltige Transformation zwischen Realität und Regulatorik

Gastbeitrag Bettina Storck, Leiterin Group Sustainability Management, Commerzbank

Nachhaltige Transformation zwischen Realität und Regulatorik

Nachhaltigkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Akteurinnen und Akteure aus Politik, Wirtschaft, Regulatorik oder Zivilgesellschaft müssen gemeinsam anpacken. Nur dann kann Nachhaltigkeit – auch global gesehen – zu einer andauernden Erfolgsgeschichte werden. Rückschläge sind auf einem so langen Weg programmiert – und aufgrund multipler Krisen gibt es derzeit einige.

Energiewende erhöht Unabhängigkeit

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die dadurch hervorgerufene Angebotsverknappung auf dem Gasmarkt haben dazu geführt, dass fossile Energieträger ungewollt wieder weit oben auf der Tagesordnung standen. Mittlerweile hat sich das Bild in Deutschland wieder deutlich gebessert: 56% der Stromerzeugung im Jahr 2023 stammen aus erneuerbaren Energien, während der Kohlestrom-Anteil auf rund 26% gesunken ist. Dabei ist die Energiewende nicht nur Treiber für eine klimafreundlichere Zukunft, sie generiert auch eine zunehmende Unabhängigkeit in der Energieversorgung. Das zeigt: Nachhaltigkeit ist Teil der Lösung.

Ohne belastbare Daten geht nichts

Das Beispiel Energiewende verdeutlicht auch, dass belastbare Daten ausschlaggebend sind, um die Transformation zu verstehen, zu steuern und letztendlich zu erreichen. Beim Strommix gelingt das bereits. Aber wie können wir die Transformationsfortschritte eines Unternehmens messen und von Sektor zu Sektor vergleichbar machen? Mit der EU-Taxonomie möchte die Europäische Union genau darauf eine Antwort geben. Stand heute ist dies allerdings nur teilweise gelungen.

Green Asset Ratios der Banken im niedrigen einstelligen Prozentbereich

Nun existiert zwar ein standardisiertes Regelwerk, das wissenschaftlich fundiert konkrete Vorgaben macht, wann eine Wirtschaftsaktivität als nachhaltig betrachtet werden kann. Erfasst werden derzeit allerdings nur Teile der Wirtschaft. Als wesentliche Kennzahl für die Banken definiert die EU-Taxonomie zudem die Green Asset Ratio (GAR), die die Institute erstmals 2023 in ihrer nichtfinanziellen Berichterstattung offengelegt haben. In der gesamten Branche liegt die Kennzahl im niedrigen einstelligen Prozentbereich.

Ungeeignete Kennziffer

Das Ergebnis ist nicht überraschend. Die Prüfkriterien sind sehr ambitioniert und alle erforderlichen Daten kaum zu beschaffen. Außerdem ist für die Berechnung der GAR die definierte Grundgesamtheit des potenziellen Zählers enger gefasst als die des Nenners. Das heißt, die GAR kann selbst bei ausschließlich taxonomiekonformen Assets im Zähler systematisch nicht bei 100% liegen. Damit ist sie als alleinige Kennzahl nicht geeignet, um die Nachhaltigkeit eines Kreditinstituts abschließend zu beurteilen.

Transformation bislang unberücksichtigt

Außen vor bleibt zudem der Transformationsprozess, in dem sich die meisten Unternehmen derzeit befinden. Ziel muss es sein, diejenigen Unternehmen aktiv zu begleiten, die sich glaubhaft auf den Weg in eine nachhaltige Zukunft gemacht haben. Dafür bräuchte es neben der statischen Taxonomie ein eigenständiges, möglichst schlankes Rahmenwerk für Transition Finance.

Nichtfinanzielle und finanzielle Berichterstattung nähern sich an

Trotz aller Kritik an der Taxonomie ist es richtig, dass die EU-Regulierung vorangeht und den Anspruch hat, als Rollenmodell für andere Staaten und Wirtschaftsregionen zu dienen. Denn die Herausforderungen der Transformation gehen über die Grenzen Europas hinaus. Sie gelten weltweit. Auch beim Thema ESG-Reporting will die EU vorangehen. Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird ein Wandel eingeläutet: Die bislang qualitativ geprägte Nachhaltigkeitsberichterstattung wird zunehmend quantitativ ausgerichtet. Damit wachsen nichtfinanzielle und finanzielle Berichterstattung näher zusammen.

Künftig auch ESG-Daten von mittelständischen Unternehmen

Ähnlich wie bei der EU-Taxonomie ist die Umsetzung der CSRD mit großem Aufwand verbunden. Allerdings steht ein wesentlicher Punkt auf der Haben-Seite. Mit der CSRD erweitert sich der Kreis der Unternehmen, für die umfassende ESG-Berichte obligatorisch sind, massiv. Das trifft insbesondere auf mittelständische Unternehmen zu, deren ESG-Daten derzeit noch Mangelware sind. Das wiederum heißt für Banken: Mit der CSRD haben sie künftig deutlich mehr ESG-Informationen über ihre Kunden an der Hand. Das hilft bei Geschäftsentscheidungen mit ESG-Bezug, der Weiterentwicklung von Produkten und bei der Berechnung des CO2-Fußabdrucks in den Kundenportfolios.

Banken als Motor der Transformation

Es muss Anspruch der Banken sein, ihre Kunden auf diesem Weg zu begleiten. Aber sie sind mehr als Erfüllungsgehilfen der Regulatorik, sie können der Motor der Transformation sein. Dieses Selbstverständnis von Nachhaltigkeit als Chance muss sich allerdings noch verfestigen. Eine unterstützende Regulatorik kann Impulse setzen und der Eigeninitiative der Banken einen Schub verleihen. Dafür muss eine Balance zwischen notwendiger und gleichzeitig anwendbarer Komplexität geschaffen werden.

Bettina Storck

Leiterin Group Sustainability Management, Commerzbank