„Die Argumentation der SEC ist nicht stimmig“
Alex Wehnert.
Herr Sonnenshein, Grayscale befindet sich seit Ende Juni offiziell in einem Rechtsstreit mit der SEC. Die US-Börsenaufsicht weigert sich, der Umwandlung Ihres Bitcoin Trust in einen Spot-ETF zuzustimmen. Was stimmt Sie optimistisch, dass Sie vor Gericht gegen den Regulator bestehen können?
Die Argumentation der SEC ist nicht stimmig. Im vergangenen Oktober hatte sie ja bereits Futures-basierte Bitcoin-ETFs zugelassen. Die Aufsicht ist wie jede andere US-Bundesbehörde aber dazu verpflichtet, deckungsgleiche Situationen auch kongruent zu regulieren. Unter Berufung auf Wertpapiergesetze von 1940 Futures-basierte Bitcoin-ETFs zuzulassen und mit Verweis auf Regulierungen von 1934 Spot-Vehikel abzulehnen, ist widersprüchlich und stellt einen Verstoß gegen föderales Recht dar.
Warum ist die Umwandlung Ihres Bitcoin Trust in einen ETF überhaupt so wichtig, dass Sie sich mit der mächtigen Aufsicht anlegen?
Die ETF-Struktur bietet eine ganze Reihe entscheidender Vorteile. So würde sie uns erlauben, eine breitere Masse an Marktteilnehmern zu erreichen, weil Investoren an das Produktformat gewöhnt sind und sich damit wohlfühlen. Zudem würde ein ETF einen Creation-Redemption-Mechanismus enthalten, mittels dessen je nach Nachfrageentwicklung Fondsanteile kreiert oder eingezogen werden können. Weil uns dies bisher nicht offensteht, weicht der Kurs unseres Bitcoin Trust teilweise vom Net Asset Value ab. Durch eine Umstellung auf einen ETF könnten wir den Discount zum Spotkurs wegarbitragieren und somit ungefähr 8 Mrd. Dollar an Wertschöpfung für Investoren freisetzen.
Eine Menge Geld – und doch: Liefern die jüngsten Turbulenzen am Kryptomarkt nach dem Kollaps des Stablecoin TerraUSD und der Schieflage mehrere Digital-Assets-Dienstleister der SEC nicht Munition? Die Aufsicht verweist in ihrer Argumentation ja auf die hohe Volatilität und geringe Liquidität des Bitcoin-Spotmarkts.
Die Volatilität ist ohne Zweifel hoch. Warum Futures-basierte ETFs in diesem Zusammenhang ein höheres Maß an Investorenschutz ermöglichen sollten als Spot-basierte Vehikel, erschließt sich aber weder uns noch vielen anderen Marktteilnehmern. Schließlich wirkt sich die Volatilität am Spotmarkt auch auf den Terminmarkt aus. Die Wechselkurse, die Bitcoin-Futures zugrunde liegen, basieren ja auf Daten von Kryptobörsen wie Bitstamp oder Coinbase. Was die jüngsten Marktturbulenzen betrifft: Der TerraUSD-Crash hat natürlich den gesamten Kryptomarkt unter Druck gesetzt und damit auch den Bitcoin Trust nach unten gezogen. Wir sehen aber auch in dieser Situation eine positive Entwicklung.
Inwiefern?
Zuletzt wurden viel Leverage und spekulative Elemente aus dem Markt herausgezogen. Gleichzeitig beginnen Investoren damit, die verschiedenen Stablecoins genauer zu betrachten und stärker zwischen ihren Funktionen zu differenzieren. Dies dürfte langfristig zu konstruktiveren Anlagestrategien führen. In den vergangenen acht bis zehn Jahren hat es ja immer wieder Marktbereinigungen gegeben, aus denen das Kryptosegment gestärkt hervorgegangen ist.
In Bezug auf die Reifung des Kryptomarktes galt der SEC-Vorsitzende Gary Gensler aufgrund seiner progressiven Einstellung gegenüber der Blockchain-Technologie eigentlich als Hoffnungsträger. Inwieweit sind Sie auch von ihm enttäuscht?
Natürlich sind wir enttäuscht über die Entscheidung der SEC, Spot-Bitcoin-ETFs weiterhin den Weg an den US-Markt zu versperren. Eine vorausschauende Regulierung digitaler Assets wäre jedenfalls extrem wichtig, damit die USA auch in Zukunft die Stellung als führender Finanzplatz halten können. Die Zulassung Spot-basierter Krypto-ETFs wäre dabei ein wichtiger Schritt gewesen – in Kanada sind solche Vehikel schließlich schon handelbar.
Wie sehen im Rechtsstreit mit der SEC nun die nächsten Schritte aus?
In den kommenden Wochen und Monaten werden unsere Rechtsbeistände unseren Standpunkt gegenüber dem US-Berufungsgericht für den District of Columbia zunächst einmal schriftlich argumentieren. Die SEC erhält dann die Gelegenheit, Gegenargumente vorzubringen, die wir dann noch einmal kontern dürfen. Dann dürfen auch Drittparteien mit starkem Interesse an dem Fall Stellung dazu nehmen, warum das Gericht ihrer Meinung nach in unserem Sinne urteilen sollte oder eben nicht.
Schon während der Konsultationsphase der SEC bezüglich der Einführung Spot-basierter Bitcoin-ETFs hatten Sie versucht, die Finanzmarktöffentlichkeit mit einzubeziehen.
Ja, und wir sind dankbar für die gewaltige Unterstützung der Investoren, die wir in dieser Zeit erhalten haben. Binnen 240 Tagen sind dabei mehr als 11600 Zuschriften an die SEC eingegangen, von denen über 99% eine Zustimmung gegenüber der Umwandlung des Grayscale Bitcoin Trust in einen ETF ausgedrückt haben. Wir glauben daran, mit einem ähnlich großen Zuspruch auch das Berufungsgericht überzeugen zu können.
Es folgen indes noch mündliche Verhandlungen, bei denen Sie unter anderem von Staranwalt Donald Verrilli vertreten werden, bevor das Gericht urteilt. Mit welcher Prozessdauer rechnen Sie?
Wir haben die Zeitspanne bis zu einem finalen Urteil ja schon abgekürzt, weil wir Zwischeninstanzen übersprungen haben und direkt vor das US-Berufungsgericht gezogen sind. Üblicherweise werden Prozesse auf föderaler Ebene über eine Dauer von neun Monaten bis zwei Jahren verhandelt, einen sicheren Zeitplan vorgeben kann aber niemand. Wir glauben jedenfalls an die Stärke unserer Argumente und auch unseres Rechtsteams. Donald Verrilli hat mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung kongruenter Fälle in der Vergangenheit ja mehrfach erfolgreich vor dem Obersten Gerichtshof argumentiert.
Wie lange würde die Umstellung dauern, sollten Spot-basierte Bitcoin-ETFs am Ende des Rechtsstreits tatsächlich die Zulassung erhalten?
Für Investoren würde sich der Übergang nahtlos anfühlen, der ETF wäre dann über Nyse Arca, eine Tochter der New York Stock Exchange, handelbar. Darauf haben wir mit unseren Partnern wie Bank of New York Mellon und der Beratungsgesellschaft EY in den vergangenen Monaten bereits hingearbeitet und stehen bereit, sobald die Freigabe kommt. Unsere Anleger haben sich sehr geduldig gezeigt und sollen dafür dann auch durch eine verzögerungsfreie Umstellung, den dadurch freigesetzten Wert und mittelfristig auch sinkende Verwaltungsgebühren entlohnt werden. Wie wir bereits mitgeteilt haben, wollen wir über die Zeit unsere gesamte Produktfamilie in den ETF-Mantel überführen.
Einen Exchange Traded Fund, allerdings auf Aktien und nicht auf Kryptowährungen, haben Sie bereits lanciert. Im Mai wagten Sie mit dem Future of Finance ETF auch den Sprung an die London Stock Exchange, die Borsa Italiana und die Deutsche Börse. Warum ausgerechnet jetzt die Expansion nach Europa?
Wir haben in den vergangenen anderthalb Jahren beobachtet, dass die Regulatoren in Europa und insbesondere in Deutschland ein starkes Kryptorahmenwerk schaffen. Es wäre allerdings eine verpasste Gelegenheit, die Chancen bei digitalen Assets nicht mit dem Anwendungspotenzial dezentraler Technologien in der Finanzwirtschaft zu verbinden. An dieser Schnittstelle wollen wir mit unserem ETF ansetzen und Aktien von Unternehmen abbilden, die von der zunehmenden Integration von Blockchain-Technologien ins Finanzwesen profitieren.
In Europa sind bereits einige Digital-Assets-ETFs anderer Anbieter handelbar. Wie beurteilen Sie die Konkurrenzsituation in diesem für Sie neuen Markt?
Tatsächlich gibt es für unseren Future of Finance ETF in Europa keine Konkurrenz. Denn es existiert kein anderer börsengehandelter Fonds, dessen Basisindex sich wirklich aus Pure Plays zu diesem Investmentthema zusammensetzt. Chiphersteller, die in vielen Digital-Assets-Produkten enthalten sind, lassen wir außen vor. Schließlich stellen die Lieferung an die Finanzbranche und der Digital-Assets-Trend für sie nur einen kleinen Teil des Geschäftsmodells dar. Außerdem nehmen wir keine Unternehmen wie Microstrategy oder Tesla auf, die Kryptowährungen einfach nur in ihrer Bilanz halten. Und auch Zahlungsdienstleister oder IT-Unternehmen qualifizieren sich nur, wenn sie einen signifikanten Anteil ihres Umsatzes über digitale Assets generieren.
Begrenzen Sie das Investmentuniversum Ihres ETF damit nicht zu stark?
Der Basisindex beinhaltet aktuell zwar nur 22 Werte – doch andere thematische Strategien, die Erfolgsgeschichten geschrieben haben, verfügten zu Beginn ebenfalls nur über ein kleines Anlageuniversum. Wir sehen für unser Investmentthema gewaltiges Wachstumspotenzial – damit wir dieses optimal ausschöpfen können, müssen wir den Index eben erst einmal möglichst stark fokussieren. Allerdings passen wir ihn quartalsweise an, künftig dürfte sich die Zahl der verfügbaren Titel deutlich ausweiten.
Warum haben Sie sich trotz des engen thematischen Zuschnitts für Bloomberg als Indexpartner entschieden und nicht für einen Digital-Assets-Spezialisten?
Für uns ist eines der großen Alleinstellungsmerkmale von Bloomberg das Analyseteam von Bloomberg Intelligence. Investoren dürfen nicht vergessen, dass es sich bei unserem Produkt um einen Aktien-ETF handelt. Bei der Analyse von Dividendentiteln bringt Bloomberg fraglos große Expertise mit und verfügt auch über die Ressourcen, um unsere Vorstellungen von der Anlageallokation innerhalb des neuen Produkts umzusetzen. Nach dem Start in den USA hat sich dann auch schnell gezeigt, dass unser ETF und der Basisindex auf Zuspruch stoßen.
Am europäischen ETF-Markt herrscht unterdessen ein starker Gebührenwettbewerb.
Für unseren Future of Finance ETF beträgt die Managementgebühr in Europa 70 Basispunkte, damit dürften wir die Erwartung der Investoren ziemlich genau erfüllt haben. Andere thematische Produkte bewegen sich ja in einer ähnlichen Spanne. Wenngleich wir heute relativ gut auf Marktebene liegen, könnte unsere Gesamtkostenquote über die Zeit natürlich noch sinken.
Inwieweit zielen Sie mit dem Indexfonds auf Privatanleger ab?
Welche Rolle Privatanleger für uns spielen, hängt von der jeweiligen Region ab. Wir betrachten Europa nicht als homogenen Markt, sondern realisieren die regulatorischen Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern. Und auch die Investorenpräferenzen unterscheiden sich voneinander, genauso wie die Haltung zu ETFs. In einigen Regionen konzentriert sich das Indexfonds-Geschäft stärker auf institutionelle Anleger, in anderen ist es stärker retailfokussiert. Wir wollen daher so viele Informationen wie möglich sammeln und in unseren Investmentprozess einfließen lassen, um uns in Europa wirklich gründlich aufzustellen.
Warum arbeiten Sie dabei mit der White-Label-Plattform HanETF zusammen?
Uns geht es dabei vor allem um die Vertriebsinfrastruktur. Wir verfügen in den USA sicherlich über die Ressourcen und das Rüstzeug, um robuste und den regulatorischen Ansprüchen genügende Produkte an den Markt zu bringen. Im europäischen Markt verfügen wir noch nicht über diese Expertise. Deshalb ist es für uns eben wichtig, mit Partnern wie HanETF zusammenzuarbeiten, die über dieses Fachwissen verfügen.
Planen Sie denn weitere Produktlancierungen in Europa?
Wir haben zwar noch keine konkreten Pläne für weitere Vehikel, sind aber definitiv an einem Ausbau unserer Präsenz in Europa interessiert. Wir besitzen ja den Vorteil, dass wir zu einer Gruppe verbundener Unternehmen unter dem Dach der Digital Currency Group gehören. Unsere Schwestergesellschaften sind in vielen verschiedenen Digital-Assets-Bereichen aktiv, zum Beispiel auch dem Mining oder Staking. Daraus können wir sicherlich viel Inspiration für weitere Anlageprodukte schöpfen und dann auch auf eine starke Expertise zurückgreifen.
Das Interview führte