Uwe Schroeder-Wildberg

MLP bemerkt gestiegenen Beratungs­bedarf

Die geopolitischen Spannungen und die Rückkehr der Zinsen wirft bei der Kundschaft Fragen auf, sagt Uwe Schroeder-Wildberg, Chef des Maklerkonzerns MLP, im Interview der Börsen-Zeitung.

MLP bemerkt gestiegenen Beratungs­bedarf

Thomas List

Herr Schroeder-Wildberg, wie wirken sich der Ukraine-Krieg und die wirtschaftliche Lage auf das MLP-Geschäft aus?

Schwierige Rahmenbedingungen sind für uns nichts Ungewöhnliches: Mit Herausforderungen in verschiedenen unserer Märkte sind wir seit Jahren immer wieder überzeugend zurechtgekommen und haben noch dazu gleichzeitig und mit Erfolg die strategische Weiterentwicklung des Konzerns betrieben. Aktuell spüren wir wie alle Marktteilnehmer, dass das wirtschaftliche Umfeld besonders belastet ist. In manchen Beratungsfeldern wie Finanzierung und Immobilien gibt es eine gewisse Zurückhaltung. Auf diese Risiken haben wir in den vergangenen Monaten mehrfach hingewiesen. Allerdings beteiligen wir uns nicht an der zum Teil extremen Schwarzmalerei, wie sie beispielsweise zuletzt im Immobilienmarkt erfolgte: Nach dem Boom kommt nicht der Crash, sondern eine neue Normalität. Für die gesamte MLP Gruppe gilt: Mit großer Ruhe, Klarheit und Entschlossenheit gehen wir weiter unseren Weg. Wir sind stabil und solide aufgestellt, über verschiedene Säulen hinweg. Das zahlt sich aus.

Was raten Sie Ihren Kunden angesichts der unsicheren Lage?

Pauschale Ratschläge haben nichts mit guter Beratung zu tun, stattdessen kommt es auf den Einzelfall an. Für diesen ist in solchen unsicheren Zeiten zu prüfen: Wie breit bin ich aufgestellt? Bin ich diversifiziert genug? Wer ein solches Vermögen beziehungsweise Altersvorsorge-Portfolio hat, sieht die aktuelle Situation gelassener – erst recht, wenn er über einen längeren Zeitraum denkt, in dem sich Schwankungen ausgleichen. Wichtig ist in unsicheren Zeiten aber auch eine gute Absicherung gegen existenzielle Risiken, konkret eine Berufsunfähigkeits- sowie Haftpflichtversicherung sowie eine ausreichende Absicherung der Gesundheit.

Wie sorgen Ihre Kunden denn typischerweise vor?

Typisch gibt es nicht – und das ist gut so. Die Menschen sind so individuell wie unsere Beratung. Unsere Kundinnen und Kunden zählen dabei zu den anspruchsvollsten. Sie erwarten zu Recht von uns höchste Kompetenz. Zentral ist dabei die Frage: Wie sieht meine Lebensplanung aus? Habe ich für meine lebenslangen Ausgaben auch genug lebenslange Einnahmen? Da niemand seine individuelle Lebensdauer kennt, braucht es als Basis der ergänzenden Altersvorsorge eine Lösung, die diese Planungsunsicherheit auflöst: eine private Rentenversicherung oder be­triebliche Altersversorgung. Außerdem sind mögliche Erbschaften zu berücksichtigen beziehungsweise die familiäre Situation insgesamt.

Spüren Sie angesichts der aktuellen Situation bei Ihren Kunden in der Beratung eine Verunsicherung?

Wir bemerken generell mehr Beratungsbedarf bei unseren Kunden, verbunden mit vielen Fragen. Das reicht von geopolitischen Entwicklungen und ihren Auswirkungen auf die Finanzmärkte bis hin zur jüngsten Normalisierung der Zinsen und ihren Folgen. Solche Fragen treiben auch institutionelle Investoren um, die wir über unsere Tochter Feri betreuen. Grundsätzlich gilt: Je mehr Beratungsbedarf es gibt, umso wichtiger ist ein kompetenter persönlicher Gesprächspartner. Das ist unsere Verantwortung im MLP-Konzern.

Wie läuft Ihr Immobiliengeschäft, das Sie ja in den vergangenen Jahren stark ausgebaut haben?

Die aktuelle Marktsituation bremst unser Wachstum in diesem für uns jungen Geschäftsfeld leicht, es dürfte aber auf Jahressicht beachtlich bleiben. Eine Immobilie ist gerade auch als Inflationsschutz weiter eine sehr gute Option in einem breiter aufgestellten Portfolio unserer Kunden. Hinzu kommt unser vergleichsweise kleiner Projektentwicklungsbereich, dieser umfasst Pflegeimmobilien und solche für altersgerechtes Wohnen. Perspektivisch gibt es aufgrund der demografischen Entwicklung einen massiven Bedarf. Aktuell stellen die einsetzende Rezession, der Zinsanstieg sowie der Baustoff- und Personalfachmangel aber auch eine Herausforderung dar. Genau gegenteilig wirkt die Normalisierung der Zinsen in unserem Bankgeschäft: Bisher mussten wir für Einlagen bei der Bundesbank Negativzinsen zahlen, jetzt erwirtschaften wir hier wieder einen guten Ergebnisbeitrag.

Wie ist Ihr Geschäft in den ersten drei Quartalen 2022 gelaufen? Was macht das Geschäft in der betrieblichen Altersvorsorge, das ja im zweiten Quartal etwas schwächelte?

Wir halten unseren langjährigen Wachstumskurs. In der betrieblichen Vorsorge wird insbesondere das Thema betriebliche Krankenversicherung zunehmend nachgefragt. Aber wir merken auch, dass die Mittelständler, die aktuell mit stark steigenden Energiepreisen und unterbrochenen Lieferketten zu kämpfen haben, derzeit nicht gerade die höchste Priorität auf die betriebliche Vorsorge legen.

Halten Sie an Ihren Geschäftsprognosen für dieses Jahr (75 bis 85 Mill. Euro Ebit) und Ihrer mittelfristigen Planung bis 2025 (100 bis 110 Mill. Euro Ebit) fest?

Ja, wir sind weiter grundlegend optimistisch für dieses Jahr und haben auch unsere Mittelfristplanung für 2025 fest im Blick. Aber natürlich gibt es auch die jüngst weiter gestiegenen Risiken in unseren Märkten. Sicherheit gibt uns, dass wir extrem breit aufgestellt und in sehr unterschiedlichen, aber insbesondere in qualitativ hochwertigen Kundensegmenten aktiv sind: Gutverdiener, Hochvermögende und institutionelle Investoren, außerdem unser Firmenkundengeschäft mit betrieblicher Vorsorge sowie Industrieversicherungen.

Wer sind Ihre wichtigsten Wettbewerber? Banken, andere Finanzvertriebe? Hat sich an der Wettbewerbslage in der letzten Zeit etwas geändert?

Im Firmen- wie auch im Privatkundengeschäft unserer Gruppe gibt es höchst unterschiedliche Konkurrenten. Durch den Erfolg im Vermögensmanagement werden die Banken immer mehr zu unseren Wettbewerbern. Daneben würde ich noch einige, aber wenige Versicherungsmakler sehen. Wir arbeiten im Auftrag der Kunden als Gesprächspartner in allen Finanzfragen. Eine MLP-Beraterin beziehungsweise ein -Berater ist persönlich zuständig für ihre Kundinnen und Kunden mit deren Familie, kann aber auch Experten hinzuziehen. Das ist ein ganz eigenes Berufsbild, das wir hierzulande etablieren. In Deutschland und Europa ist mir nichts Vergleichbares bekannt. In den USA gibt es den Independent Financial Advisor und zwei oder drei Unternehmen, die uns ähneln, aber auch nur in gewisser Weise.

Wie gewinnen Sie Neukunden?

Wir sind mit inzwischen rund 500 jungen Beraterinnen und Beratern vor allem bei Studierenden und Absolventen aktiv – übrigens auch zu Rekrutierungszwecken. Mittlerweile erreichen wir einen Großteil unserer Interessenten zunächst über das Internet.

Wenn man sich die Entwicklung Ihres Börsenkurses in den vergangenen fünf Jahren ansieht, so kommt nur begrenzt Freude auf: Anfangs 6 Euro, dann runter auf 4 Euro, im November 2021 Maximum bei 8,72 Euro, seitdem geht’s abwärts bis unter 5 Euro. Die Aktionäre scheinen nicht recht Vertrauen in die MLP-Aktie zu haben. Mancher rückt Sie wohl auch in die Nähe von Finanzierungsplattformen wie Hypoport, deren Kurs zuletzt stark eingebrochen ist?

Die jüngste Kursentwicklung ist in der Tat nicht zufriedenstellend – unsere Aktie ist Analysten zufolge deutlich unterbewertet, denn in unserem operativen Geschäft haben wir geliefert. Wir sind breit aufgestellt und seit 2014 stark gewachsen. Deshalb hatten Analysten ihre damaligen Einschätzungen auch geändert und haben ihr Kursziel im Schnitt auf inzwischen etwa 10 Euro angehoben. MLP ist komplett anders aufgestellt als Finanzierungsplattformen: Deren Kerngeschäft macht nur einen kleinen Teil unserer Beratungsaktivitäten aus. Vielmehr besteht der Vorteil unseres Geschäftsmodells gerade in der extrem breiten Aufstellung. Das gibt uns eine massive Stabilität, aber auch vielfältige Wachstumsperspektiven. Attraktiv für viele Investoren ist auch unsere Dividende, die wir noch dazu in den vergangenen Jahren fortlaufend erhöht haben. Eine Mitgliedschaft im SDax wäre natürlich auch noch hilfreich, um das Handelsvolumen in unserer Aktie zu steigern.

Welche Geschäftssegmente wollen Sie in Zukunft ausbauen?

Grundsätzlich wollen wir unserer umfassenden Kundenberatung entsprechend in allen Feldern weiter wachsen. Ein strategischer Schwerpunkt liegt im Vermögensmanagement. Bei Zukäufen steht der Indus­triemaklerbereich im Fokus. Mit der Akquisition von RVM haben wir im vergangenen Jahr die Basis für dieses neue Segment im Konzern geschaffen, weitere Zukäufe haben wir im laufenden Jahr getätigt.

Und wie geht’s da weiter?

Wir sind an weiteren Unternehmen interessiert. Dabei verfolgen wir aber einen anderen Ansatz als Private Equity & Co., die nach ein paar Jahren wieder rausgehen wollen, um ihren Schnitt zu machen. Wir hingegen sehen im Segment Industriemakler einen dauerhaften und sehr stabilen Pfeiler unseres Geschäfts. Genau das macht MLP auch für manchen verkaufswilligen Firmeninhaber besonders interessant. Aber Neuerwerbungen müssen kulturell und von der Kompetenz zu uns passen. Und nicht zuletzt muss natürlich der Preis stimmen.

Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit für Ihre Kunden/Kundinnen in Ihrem Beratungsprozess?

Nachhaltigkeit ist im Grunde die Basis unseres Geschäfts. Wir wollen Kunden gewinnen, uns durch Leistung und Zuverlässigkeit ihr Vertrauen verdienen und sie bestenfalls bis in den Ruhestand hinein begleiten. Das ist eine extrem nachhaltige Denkweise, die keine Abenteuer oder plötzlichen Strategieschwenks erlaubt.

Und wie steht es mit der Nachhaltigkeit, wie sie heute verstanden wird?

Nachhaltigkeit nach ESG-Kriterien – Umweltverträglichkeit, Sozialstandards und gute Unternehmensführung – ist für viele unserer Kunden ein wichtiges Thema. Das gilt auch im Geschäft mit Hochvermögenden und Institutionellen. Bei Feri haben wir ein eigenes Kompetenzcenter dafür aufgebaut. Dort helfen wir Hochvermögenden sowie institutionellen Investoren, ihre spezifischen Anforderungen in puncto Nachhaltigkeit in ihren Portfoliostrukturen abzubilden. Im MLP-Privatkundengeschäft werden wir das Thema in den kommenden Monaten und Jahren systematisch in jede Kundenbeziehung einbauen und uns weiter darüber differenzieren.

Was heißt das konkret?

Aus unserer Rolle als Makler heraus wollen wir zusammen mit unseren Produktpartnern in gewisser Weise einen neuen Standard setzen. Nachhaltigkeit wird dabei ein weiterer zentraler Aspekt in unserem Partner- und Produktauswahlprozess. Dabei beziehen wir auch externe Ratings ein. Das nachhaltige Produktspek­trum, das wir vermitteln, reicht dann von der Lebens- und Krankenversicherung bis in den Bereich der Sachversicherung. Bei unserer Tochter Domcura gibt es beispielsweise heute schon Wohngebäudetarife, die im Schadenfall die Kosten für eine Renovierung mit nachhaltigen Materialien erstatten.

Inwieweit ist die EU-Taxonomie-Verordnung für Sie hilfreich? Zum Beispiel bei der Klassifizierung von Fonds?

Grundsätzlich spielt die Finanzindustrie natürlich eine zentrale Bedeutung dabei, Finanzströme in nachhaltige Anlagen zu leiten. Das steht für mich außer Frage. Aber eine Art Weltvermessung auf diese ex­trem bürokratische Art und Weise, wie sie in der Taxonomie angelegt ist, halte ich für gefährlich. Gerade der Mittelstand – das erfahren wir als größter deutscher Makler in der betrieblichen Vorsorge in unseren zahlreichen Gesprächen – sieht hier eine große Überforderung auf sich zukommen. Die Tatsache, dass die Zeitachse für die Anwendung der Richtlinie bei kleinen und mittleren Unternehmen vor kurzem doch nochmals gestreckt wurde, ändert nichts an der Notwendigkeit einer Anpassung hinsichtlich der bislang unzureichenden Praktikabilität für unseren Mittelstand.

Und das heißt?

Dass wir uns auf das „E“ in ESG konzentrieren sollten. Denn der Klimawandel stellt für die Menschheit eine besonders große, wenn nicht die größte Herausforderung dar – und die dagegen ergriffenen Maßnahmen sind objektiv messbar. Das bedeutet natürlich nicht, dass Sozialstandards unwichtig sind und auf eine gute Governance verzichtet werden kann. Aber ich sehe die Gefahr, dass in einer Zeit, in der die Welt sich gerade neu ordnet, in der wir Freiraum, Unternehmertum und Innovationen ganz besonders brauchen, uns die Bürokratie mehr und mehr die Luft abschnürt.

Wie stark belastet die Regulierung MLP? Erwarten oder erhoffen Sie sich einen Regulierungsstopp?

Mit unserer sehr breiten Aufstellung und mit einer Bank im Konzern kommt bei uns so ziemlich alles an Regulierung an. Dennoch bin ich grundsätzlich für Regulierung, für solche, die von Kompetenz geprägt ist und Qualität in unserem Markt fördert, und vor allem bin ich für eine gute Ordnungspolitik. Fakt ist aber, dass selbst die Regulierer bereits den Überblick verlieren. Politiker können kaum mehr erfassen, welche Auswirkungen einzelne Gesetze haben. Ich halte daher viel von der Idee, dass bei einem neuen Gesetz oder einer neuen Regulierung ein altes beziehungsweise eine alte abgeschafft werden muss. Das Ziel sollte sein, auf Basis einer guten Ordnungspolitik den Freiraum für Selbstverantwortung zulassen. Das ist auch mein Menschenbild.

Was erwarten Sie vom Gesetzgeber in Sachen Altersvorsorge?

Dass er die Herausforderung durch die demografische Entwicklung endlich sinnvoll angeht. Erst stockte die Weiterentwicklung der Altersvorsorge-Landschaft in Deutschland, weil Wahlkampf war – jetzt wird das Thema von den aktuellen Krisen überlagert. Nur eine Zahl, die die Herausforderung verdeutlicht: Jedes Jahr verlieren wir ca. 400000 Arbeitskräfte in Deutschland – so viele gehen mehr in Rente, als von der Schule oder Universität nachkommen. Was das für ein Umlagesystem und die Wirtschaft als Ganzes bedeutet, brauche ich nicht weiter auszuführen.

Was schlagen Sie vor?

Statt langwierig etwas Neues zu suchen, wäre es besser, das Bestehende rasch und konsequent zu verbessern. Das spart kostbare Zeit, die wir sonst für die Altersvorsorge verlieren. Konkret: Die Riester-Rente sollte endlich vereinfacht werden, zum Beispiel im Antragsverfahren. Und sie sollte von Garantieverpflichtungen befreit werden – etwas, was man bei der Aktienrente ja von Anfang an tun will.

Das Interview führte .

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