Unicredit "überrascht" von Gegenwind

Orcel spricht von abgestimmtem Einstieg bei der Commerzbank

Andrea Orcel hat es wieder getan. In einem provozierenden Interview bezichtigt der Unicredit-Chef die Commerzbank und die Bundesregierung von seinen Übernahmeplänen genau gewusst zu haben. Die Commerzbank dementiert.

Orcel spricht von abgestimmtem Einstieg bei der Commerzbank

Unicredit-Chef Andrea Orcel hat das Interesse an der Übernahme der Commerzbank bekräftigt. In einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zeigt sich der Manager allerdings überrascht über den Gegenwind, der ihm bei dem Vorhaben entgegenbläst. „In den vergangenen zwei, drei Jahren haben wir mit den Institutionen in Deutschland und mit dem Top-Management der Commerzbank immer wieder Gespräche geführt.“ Die Commerzbank reagierte mit einem ungewöhnlich scharfen Dementi: „Es gab vor dem Einstieg der Unicredit kein Gespräch zwischen dem Unicredit-Management mit dem Commerzbank-Management über eine mögliche Kombination in den letzten zwei Jahren.“

Orcel spricht von einer zweistelligen Zahl von Treffen, in denen es um „konkrete Inhalte“ gegangen sei. Die Commerzbank betont dagegen, dass ihr nach wie vor kein Vorschlag vorliege. Das Vorgehen, unabgestimmt eine wesentliche Position auf- und auszubauen, sei als feindlich anzusehen, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des Instituts weiter.

„Gegenseitiges Interesse“ der beiden Banken

Orcel räumt ein, dass es keine schriftlichen Vor-Vereinbarungen gegeben habe. Zugleich spricht er jedoch von einem gegenseitigen Interesse der beiden Banken. „Die Commerzbank hat Vorschläge gemacht“, zitiert ihn das Blatt. Über diese sei lange gesprochen worden. „Als dann bekannt wurde, dass die Regierung ihre Beteiligung verkaufen wollte, haben wir etwa 4% am Markt gekauft, um im Falle des Verkaufs der gesamten 16% auf insgesamt 20% zu kommen“, schildert er den umstrittenen Einstieg von Unicredit bei der Wettbewerberin.

„Wir taten das, weil wir dachten, dass der Bund das gesamte Paket auf den Markt bringen würde“, so die Version des Unicredit-Chefs. Dann habe die Bundesregierung schließlich einen deutlich kleineren Anteil veräußerte, als man in Mailand erwartet habe. Unicredit sei der einzige strategische Investor gewesen, der eingeladen worden sei, ein Angebot abzugeben. „Am Ende gaben wir das höchste Angebot von allen Bietern ab“, ergänzte Orcel. Auch der Bitte um eine weitere Erhöhung, einen kleinen Aufschlag auf den Marktpreis, sei man gefolgt.

„Sehr positiver Dialog“ mit dem Finanzministerium

Orcel spricht von einem „sehr positiven Dialog“ mit dem Finanzministerium. Dieser habe über die Finanzagentur und über die mit der Veräußerung betraute Bank J.P. Morgan stattgefunden. In diesem Zusammenhang hätten die Italiener ihr Interesse am Kauf des verbleibenden Anteils „sehr deutlich“ gemacht. Zu keinem Zeitpunkt in diesem Verfahren hat irgendjemand gesagt, wir sollten nicht weitermachen“, so der Unicredit-Chef weiter. Auch diese Darstellung weicht deutlich von der Darstellung der Bundesregierung ab, die das Vorgehen von Unicredit scharf kritisiert hat.

Orcel behauptet, dass die negative Reaktion aus Berlin für Überraschung bei Unicredit gesorgt habe. Erwartet hätte man dort eine zumindest neutrale Reaktion der Commerzbank und eine positive Reaktion der Bundesregierung: „Warum sonst hätte uns die Regierung denn ihre Anteile verkauft?“ Möglicherweise habe es Missverständnisse in der Kommunikation gegeben, so Orcel weiter. „Wir haben gehandelt, weil wir glaubten, dass sich die Position der Commerzbank geöffnet hatte und die Regierung eine zumindest nicht negative Haltung einnahm.“

Unicredit habe geliefert

Orcel nutzt das Interview unverhohlen, um bei den Investoren für die Übernahme zu werben. Dank des vor drei Jahren begonnenen Restrukturierungsprogramms fahre Unicredit in Deutschland inzwischen hohe Margen ein. In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe die Commerzbank sich schwer getan damit, die Situation ihrer Kunden, ihrer Mitarbeiter und der Aktionäre zu verbessern: „Die Ziele ihrer letzten beiden Geschäftspläne hat sie verfehlt.“ Unicredit hätte dagegen bei der HVB gezeigt, was auf dem umkämpften deutschen Bankenmarkt möglich ist: „Wir haben geliefert, was wir versprochen haben.“

Nur als Investor Fragen behandelt

Orcel bekräftigte frühere Aussagen, nach denen er die deutschen Neuwahlen abwarten möchte: „Sie können nicht rund 20 Mrd. Euro in einem Land investieren, ohne dass die Regierung ihre Zustimmung gibt.“ Gescheitert sei bislang auch der Versuch, mit der Commerzbank in einen Dialog zu kommen, wie er vor der Abgabe eines formellen Angebots üblich sei. „Wir wollen uns – ohne Investmentbanker oder andere Berater – an einen Tisch setzen und darüber diskutieren, wie wir die Commerzbank voranbringen können“, führte Orcel aus. Bisher habe Unicredit jedoch lediglich als Investor Fragen stellen können, um Transparenz über die Zahlen zu erhalten. Ein Austausch über Positionen und gemeinsame Interessen sei dagegen bislang nicht erfolgt.

Orcel äußert die Vermutung, dass dies erst möglich sein wird, wenn sich eine neue Bundesregierung zu dem Thema positioniert hat. Er hofft nach eigenen Angaben darauf, dass der Prozess im Sommer in Gang kommt. „Insgesamt sollten wir bis spätestens Ende des Jahres wissen, woran wir sind“, so der Unicredit-Chef. Sollten sich die Gesprächspartner dann nicht überzeugen lassen, werde Unicredit sich wieder zurückziehen.