„Tesla-Klasse“ der Londoner Bürotürme ist gefragt
Von Andreas Hippin, London
Die Vorliebe von Investoren aus aller Welt für Londoner Bürohochhäuser hat seit Ausbruch der Pandemie jenseits der britischen Metropole noch mehr Kopfschütteln hervorgerufen als ohnehin schon. Die City of London Corporation hat jüngst eine ganze Reihe von Neubauten abgenickt, die meisten davon im „City Cluster“ im Osten der Square Mile, wo sich bereits architektonische Wunderlichkeiten wie Norman Fosters saure Gurke (30 St Mary Axe), Richard Rogers’ Käsereibe (122 Leadenhall Street) und Rafael Vinolys Walkie Talkie (20 Fenchurch Street) drängen. Beim Verkauf des vor kurzem fertiggestellten Gebäudes 100 Bishopsgate will der kanadische Investor Brookfield nach Möglichkeit mehr erlösen als die 1,3 Mrd. Pfund, die das Hongkonger Konglomerat Lee Kum Kee 2017 für das Walkie Talkie zahlte.
Dabei gehen die Meinungen über die Zukunft der City auseinander. Barclays-Chef Jes Staley würde seine Belegschaft gerne möglichst schnell wieder aus dem Homeoffice zurückholen. „Die Zeiten, in denen morgens um 8.30 Uhr 2500 Menschen durch die Tür unseres Büros in Bishopsgate kamen und um 18.00 Uhr wieder gingen, sind meiner Meinung nach vorbei“, sagte dagegen Natwest-Chairman Howard Davies in einem Bloomberg-Interview. „Ich habe den Verdacht, dass künftig nicht mehr viele Leute fünf lange Tage im Büro verbringen werden.“ Die Leute hätten herausgefunden, wie sie Dinge auch anders erledigen könnten, „und dass so viel Zeit in der Northern Line zu verschwenden nicht unbedingt die beste Art ist, sein Leben zu leben“.
Beim Rivalen Lloyds Banking Group geht man nach umfangreichen Befragungen davon aus, dass sich vier Fünftel der Mitarbeiter für eine „hybride“ Form des Arbeitens entscheiden werden, die „Work from Home“ (WFH) mit einschließt.
Trend beschleunigt sich
Dadurch beschleunigt sich ein seit langem zu beobachtender Trend: In den vergangenen Jahrzehnten ist die Mitarbeitern zur Verfügung stehende Fläche radikal geschrumpft. Waren es dem British Council for Offices zufolge vor der Jahrtausendwende im Schnitt noch zwischen 12 und 17 Quadratmeter pro Nase, ging dieser Wert auf zuletzt 8 bis 10 Quadratmeter zurück. Und in einem Viertel der Büros waren es vor Ausbruch der Pandemie bereits weniger als 8 Quadratmeter pro Person. Einer etwas älteren Studie von Cushman & Wakefield zufolge haben Büroangestellte nur noch ein Viertel des Platzes, den sie in den 1970ern in Anspruch nehmen konnten. Die Verdichtung ist dem Bedürfnis der Arbeitgeber geschuldet, die gemieteten Flächen möglichst effizient zu nutzen.
Doch schon im Herbst könnten erneut Corona-Restriktionen verhängt werden, wenn die Zahl der Infizierten zu stark steigt. Und jederzeit könnte ein neues Virus Kontaktbeschränkungen erforderlich machen. Wer langfristig planen will, braucht für die im Büro verbleibenden Beschäftigten mehr Platz, um ihnen dort soziale Distanzierung zu ermöglichen. Man sollte deshalb nicht davon ausgehen, dass wegen des Trends zum Homeoffice in großem Umfang Flächen freiwerden. Die Immobilienexperten der UBS erwarten nicht, dass die Büroflächen um 20% bzw. 40% abnehmen werden, wenn Mitarbeiter im Schnitt ein bis zwei Tage von zu Hause arbeiten. Wahrscheinlicher ist, dass die weiter Anwesenden mehr Platz benötigen werden als zuvor. Die Verdichtung könnte sich zumindest teilweise umkehren. Und mehr Gemeinschaftsflächen könnten benötigt werden, um die gemeinsam im Büro verbrachte Zeit optimal zu nutzen. Viele Unternehmen rechnen nicht mehr mit großen Platzeinsparungen. Dem Immobilienmakler Savills zufolge wollen weniger Firmen nicht benötigte Flächen untervermieten.
Dabei zeichnet sich eine Zweiteilung des Markts ab. Während hochwertige Büros in bester Lage mit entsprechender Ausstattung wie etwa Luftfiltern und einer positiven Klimabilanz immer Mieter finden werden, wird es schwerer, Abnehmer für Altlasten in Randlagen zu finden. Der Jefferies-Immobilienexperte Mike Prew spricht von der „Tesla-Klasse“, wenn es um „grüne und saubere“ Objekte der Kategorien „A“ und „B“ geht. Lediglich ein Zehntel des Londoner Bürobestands falle in dieses Segment. Bei den leerstehenden 7% der Objekte mache sie lediglich einen Prozentpunkt aus. Ließen sich mit „C“ bewertete Gebäude noch mit vergleichsweise geringem Aufwand grüner machen, werde es für die „Trabant-Klasse“ („F“ und „G“) wesentlich teurer. Den Platzhirschen British Land und Landsec stünden erhebliche Kosten ins Haus. Der jüngsten London Office Crane Survey von Deloitte zufolge spielt die Klimabilanz für Mieter eine immer größere Rolle. Firmen aus den TMT-Branchen (Technologie, Medien und Telekommunikation) nehmen der Studie zufolge 40% des vorhandenen Platzes in Anspruch, die Finanzbranche dagegen lediglich 17%.
Mieten sind kleiner Posten
Wer sich gar nicht vorstellen kann, ins Büro zurückzukehren, sollte sich klarmachen, dass laut Immobiliengesellschaft Great Portland Estates die Mieten weniger als ein Zehntel der Gehaltskosten der City-Firmen betragen (s. Grafik). Wer sparen will, könnte die bereits ins Homeoffice ausgelagerte Arbeit noch ein Stück weiter verlagern – etwa nach Indien oder Südafrika.
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