Abrdn setzt auf Direktanlagen in Infrastruktur
Von Alex Wehnert, Frankfurt
Die Unsicherheit an den Märkten erhöht laut der Investmentgesellschaft Abrdn die Attraktivität von Infrastrukturanlagen. „Die Gesellschaft ist in hohem Maße auf Infrastruktur für funktionierende Transportsysteme, eine zuverlässige Energieproduktion und Versorgung sowie leistungsfähige digitale Netzwerke angewiesen“, sagt Roger Pim, Senior Investment Director Infrastructure bei dem Assetmanager, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Aufgrund ihrer fundamentalen Bedeutung bieten Infrastrukturlösungen langfristig stabile Erträge und damit einen hohen Schutz vor Inflation und konjunkturellen Krisen.“
Aus Sicht von Abrdn sind insbesondere Direktinvestitionen interessant. Tatsächlich schneidet der von der Analyseplattform Edhec Infra berechnete Index Infra 300, der die Entwicklung des globalen Markts für ungelistete Infrastruktur abbildet, im laufenden Jahr wesentlich robuster ab als die breiten Aktienmärkte – und zeigt gerade langfristig eine starke Performance. Abrdn legt den Fokus indes auf europäische Infrastrukturprojekte. Der Kontinent biete geografische Diversifikationsgelegenheiten über eine Vielzahl an Ländern. Auch bestehe starkes Streuungspotenzial über verschiedene Sektoren. „Gerade bei kleinen und mittelständischen Infrastrukturbetreibern sehen wir große Chancen – dabei streben wir üblicherweise Mehrheitsbeteiligungen oder gleich einen Anteil von 100% an“, führt Pim aus.
Im gelisteten Segment seien nicht genügend Investitionsgelegenheiten vorhanden, im Privatmarkt sei das Anlageuniversum dagegen ungleich breiter. „Der größte Vorteil bei Direktinvestments besteht für uns aber in der Governance“, betont Pim. „Da wir Mehrheitseigner sind, Mitglieder unseres Teams in die Verwaltungsräte entsenden, verfügen wir über ein hohes Maß an Kontrolle.“ Somit könne Abrdn effektiver mit dem Management arbeiten und die Unternehmensstrategie auch in Bezug auf Nachhaltigkeit prägen, als es durch Abstimmungen auf Hauptversammlungen möglich wäre.
Zehnjährige Kapitalbindung
„Im Public Market konzentrieren sich die Investoren in der Regel auf die nächsten Quartalsergebnisse“, sagt Pim. Dagegen seien die Infrastrukturfonds von Abrdn langfristig ausgerichtet. „Sobald wir die Mittel von Investoren eingesammelt haben, suchen wir nach langfristig attraktiven Investments, das Kapital ist über zehn Jahre gebunden“, führt der Investmentdirektor aus.
Bisher hat Abrdn zwei Fonds geschaffen, den ersten davon im Jahr 2015. Dieser habe einen stabilen Nettoertrag von 10% per annum und eine Rendite von 4,5% für die Investoren erzielt. „Mit dem zweiten Vehikel, das 2019 aufgelegt wurde, haben wir 669 Mill. Euro eingesammelt und Nettoerträge von 11% generiert“, berichtet Pim. Die Mittel seien nun vollständig investiert, Abrdn befinde sich gerade in der Funding-Phase für einen dritten Fonds.
Die Investoren seien dabei hauptsächlich Pensionskassen aus ganz Europa. „Für diese institutionellen Investoren sind langfristig stabile Returns und eine Diversifikation abseits der gelisteten Märkte attraktiv“, führt Pim aus. Denn an den Public Markets sei die Volatilität ungleich höher als im Privatsegment.
Transparenznachteile gegenüber den gelisteten Märkten sieht Abrdn nicht. „Natürlich ist es schwieriger, Informationen zu einem privaten finnischen Fernwärme-Projekt zu bekommen als zu einem gelisteten Energiekonzern“, sagt Pim. „Dementsprechend muss die Due Diligence gründlicher ausfallen.“ Der Übernahmeprozess könne bis zu zwei Jahre lang dauern, üblicherweise tätige der Assetmanager drei bis fünf Direktinvestments in Infrastruktur pro Jahr, in die durchschnittlich 50 bis 150 Mill. Euro flössen.
Oft interagiere Abrdn mit städtischen Verkäufern. Die Verkaufsbereitschaft sei hoch, weil die kommunalen Budgets unter Druck stünden. Bei Investitionen an der Schnittstelle zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor sei es besonders wichtig, als verantwortungsvoller Eigentümer aufzutreten. „Die Verkäufer wollen sicherstellen, dass sie ihre Projekte in die Hände eines langfristig orientierten neuen Eigners geben“, sagt Pim. Der Kaufpreis sei also nicht allein ausschlaggebend dafür, dass es zu einem Deal komme.
Risiken gemieden
Die britische Investmentgesellschaft fokussiert sich dabei auf Kerninfrastruktur und eng damit verbundene Anlagen. „Mautstraßen, Flughäfen und Häfen sind für uns uninteressant, weil sie sehr stark von der konjunkturellen Gesamtentwicklung abhängig sind – aus unserer Sicht ist das ein zu großes Risiko“, betont Pim.
Indes sei Anlegern die Dringlichkeit von Investitionen in erneuerbare Energien durch den Krieg in der Ukraine deutlicher bewusst geworden. „Wir betreiben Teile der deutschen Energiereserve, die Regierung will die Speicher ausbauen und setzt dabei verstärkt auf Erneuerbare“, führt Pim aus. Dabei stünden auch Lösungen zur Biogas-Produktion aus Abfallmaterial im Blickfeld.
Zudem verfüge Abrdn über drei Fernwärme-Investments in Skandinavien, alle Projekte liefen auf Basis von Biomasse oder Abfallverwertung. Wenngleich die Preise für Biomasse zuletzt gestiegen seien, falle die Situation immer noch weniger angespannt aus als am Öl- und Erdgasmarkt. Die relativen Kosten der Fernwärmeanlagen lägen also niedriger als bei fossilen Projekten.
Nach eigenen Angaben ist Abrdn zudem der größte private Eigner von Solaranlagen im polnischen Markt. „Polen hinkt bei der Energiewende immer noch stark hinterher und ist sehr abhängig von der Kohleverstromung“, sagt Pim. „Umso wichtiger ist es, dort frühzeitig in alternative Energien zu investieren, da für diese großes Aufholpotenzial besteht.“ So habe der Assetmanager in Polen neun Portfolios mit insgesamt 400 zugrundeliegenden Photovoltaik-Anlagen und einem Volumen von 385 Megawatt aufgebaut.
„Durch einen Differenzkontrakt sind wir vor Marktabschwüngen geschützt, weil die Minimalpreise für unsere Energielieferungen über diesen Mechanismus für 15 Jahre festgeschrieben sind“, sagt der Investmentdirektor. Zugleich lägen die Preise für Energie aus den Abrdn-Projekten seit längerer Zeit unter den Notierungen am Spotmarkt. Damit bestünden für die polnische Regierung keine Anreize, etwas an bestehenden Subventionsmodellen zu ändern.
Grundsätzlich sollten Infrastrukturanleger eine zu große Abhängigkeit von Zuschüssen meiden oder in Segmenten aktiv sein, in denen sich die Entwicklung von Subventionen sicher vorhersagen lasse. Ein solcher Bereich sei der Glasfaserausbau. In Großbritannien und Deutschland etwa hätten die Regierungen erklärt, dass jeder Bürger ein Recht auf eine funktionale Netzanbindung besitze.
„Entsprechend haben sie Subventionsregimes eingeführt, die über unseren Investitionszeitraum nicht mehr verschwinden werden“, führt Pim aus. In Großbritannien sei es nach dieser Regelung möglich, dass ungefähr 75% der Investitionsausgaben durch Zuschüsse abgedeckt würden. Hinzu komme, dass die Betreiber der nun im Aufbau befindlichen Glasfasernetze im ländlichen Raum künftig eine Monopolstellung besäßen. Schließlich werde wohl niemand auf die Idee kommen, direkt neben einer bestehenden Glasfaserleitung noch eine zweite zu verlegen.
Chancen auf der Schiene
Auch im Transportsektor setzt Abrdn auf einen langfristigen Fokus. „In ganz Europa muss eine alternde Flotte an Dieselzügen durch Bahnen mit alternativem Antrieb ersetzt werden“, sagt Pim. So lease der Assetmanager Züge an die Deutsche Bahn, wobei die Verträge über 15 Jahre liefen. „Unabhängig davon, wie viele Passagiere per Zug reisen, erhalten wir daraus also stabile Erträge“, führt der Anlagespezialist aus. Einen Exit hat Pims Team noch nicht vollzogen. Die ersten Ausstiege kämen frühestens in drei Jahren infrage.