Branchenkrise lastet wie Blei auf Aktie von Schaeffler
Geld oder Brief
Branchenkrise lastet wie Blei auf Schaeffler
Von Stefan Kroneck, München
Die Aktie des Auto- und Industriezulieferers Schaeffler ist in den Strudel der Branchenkrise geraten. Nach der Neuaufstellung des fränkischen Unternehmens als Folge der am 9. Oktober in Kraft getretenen Übernahme von Vitesco auch auf dem Handelsparkett büßte das Papier seit Anfang Oktober 12% ein. Am Donnerstag notierte der Titel zeitweise bei 4,20 Euro nahezu 4,6% schwächer. Auf Basis des in 945 Millionen Anteilscheine aufgeteilten Grundkapitals bringt die Firma mit Sitz in Herzogenaurach bei Nürnberg 4 Mrd. Euro auf die Waage.
Nimmt man das pro forma addierte Eigenkapital beider Konzerne zum Jahresultimo 2023 (Schaeffler: 3,9 Mrd. Euro, Vitesco: 2,9 Mrd. Euro) als Maßstab, so ist die „neue“ Schaeffler-Gruppe an der Börse deutlich unterbewertet. Das Eigenkapital liegt um 2,8 Mrd. Euro über dem Betrag, den der Kapitalmarkt dem Unternehmen aktuell zubilligt.
Flaute führt zu Bewertungsdelta
Dieses Delta ist insbesondere auf die schwierige Lage der gesamten deutschen Autoindustrie zurückzuführen. Die Schwäche vor allem von Volkswagen bekommen sämtliche Autozulieferer zu spüren. Der Absatzrückgang in China und der wachsende Wettbewerb in der Elektromobilität nagen an den Margen. Auch Schaeffler kann sich dem nicht entziehen. Autohersteller wie das Dax-Schwergewicht aus Wolfsburg und namhafte Autozulieferer bauen Tausende von Arbeitsplätzen ab.
Zur Veröffentlichung ihrer Zahlen fürs dritte Quartal gab die Konzernführung bekannt, in Europa rund 4.700 Stellen zu streichen, davon 2.800 an zehn Standorten in Deutschland. Der Vorstand reagierte damit auf die schwache Wirtschaft und die Nachfrageflaute bei Elektroautos in Deutschland. Die Anleger reagierten an jenem Tag vergrätzt auf die Nachricht. Die Aktie brach um fast ein Fünftel auf 4,12 Euro ein. Wenige Wochen zuvor hatten Schaeffler und Vitesco ihren Zusammenschluss als Zeichen der Stärke im Zeitalter der Elektromobilität gefeiert. Investoren interpretierten den Einschnitt bei den Beschäftigten als Eingeständnis des Vorstands, seine eigenen Wachstumserwartungen bei E-Fahrzeugen herunterzuschrauben.
Analysten senken Kursziele
Einige Analysten senkten daraufhin ihre Kursziele für den Titel. So z.B. die DZ Bank und die Deutsche Bank. Das genossenschaftliche Frankfurter Zentralinstitut reduzierte den „fairen“ Wert um 0,5 Euro auf 6 Euro, bestätigte aber seine Kaufempfehlung. Schaeffler sollten in den kommenden Dreimonatsabschnitten vom soliden Auftragseingang und -bestand profitierten, so die DZ Bank. Die Absatzstagnation führe tendenziell zugleich zu einem steigenden Bedarf nach Ersatzteilen bei Fahrzeugen im Bestand. Das helfe dem Unternehmen ebenso.
Skeptischer äußerte sich die „blaue“ Großbank aus der deutschen Finanzmetropole. Die Deutsche Bank, die weiter an ihrer Kaufempfehlung festhielt, senkte allerdings das Kursziel für den Wert gleich um 2 Euro oder ein Viertel auf ebenfalls 6 Euro. Im Autozulieferergeschäft habe Schaeffler „enttäuscht“, urteilten die Experten der Deutschen Bank. Die Profitabilität in diesem Geschäftsfeld habe sich weiter abgeschwächt. Das kommende Jahr werde „weiter herausfordernd“. Die „Blauen“ nannten als Gründe eine weiterhin angespannte Lage an den Endmärkten und die Kosten der Integration von Vitesco.
Performance unterdurchschnittlich
Gemessen an dem gedrückten Kursziel von 6 Euro hat die Aktie noch einen weiten Weg vor sich, diese Schwelle zu erreichen. Die Performance des Schaeffler-Papiers ist unterdurchschnittlich. Im Vergleich zum SDax, in dem die Firma gelistet ist, schneidet die Aktie schlechter ab. Der Index büßte seit Anfang Oktober „nur“ 5% ein. Das sind 7 Prozentpunkte weniger als der Anteilschein verlor. Damit sind die Schaeffler-Familie und Vorstandschef Klaus Rosenfeld noch weit von ihrem Ziel entfernt, nach der rechtlichen Verschmelzung von Vitesco auf Schaeffler mit einer einheitlichen Aktiengattung (stimmberechtigte Stammaktie) die Liquidität des Papiers zu erhöhen und damit auch die Nachfrage nach diesem bei institutionellen Investoren.
Corporate Governance reformiert
Im Zuge der Vitesco-Übernahme stellte die Schaeffler AG sämtliche bisherigen stimmrechtslosen Vorzugaktien auf stimmberechtigte Stämme um. Damit ist der Streubesitz gegenüber der Eigentümerfamilie nunmehr „gleichberechtigt“. Für die im Jahr 2015 an die Börse gegangene Schaeffler-Gruppe war das ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu zeitgemäßer Corporate Governance.
Im Vergleich zu VW sind die Mittelfranken viel weiter als der Mehrmarkenkonzern aus Wolfsburg, bei dem die Besitzer von Vorzugspapieren faktisch nichts zu melden haben. Auf den Hauptversammlungen von VW zählen nur die Stimmen der Stammaktien. Und die liegen zum großen Teil in den Händen der Unternehmerfamilien Porsche und Piëch. Schaeffler-Chefaufseher Georg Schaeffler und seine Mutter, Maria-Elisabeth Schaeffler, gingen ein Wagnis ein, von dem die VW-Eignerfamilien noch weit entfernt sind.