Deutsche Bank setzt auf vier Wachstumssektoren
Deutsche Bank setzt auf vier Wachstumssektoren
Kapitalmarktausblick: US-Aktien trotz hoher Bewertung weiter attraktiv – Infrastruktur und Rohstoffe gefragt – Stratege empfiehlt europäische Staatsanleihen
Trotz eines schwierigen Marktumfelds liefen die Aktienmärkte zuletzt rund. Die Deutsche Bank glaubt, dass das so bleiben wird. Wenn man auf die richtigen Titel und Bereiche setzt, biete das kommende Jahr einige interessante Investitionschancen. Welche das sind, erklärt das Geldhaus bei seinem Kapitalmarktausblick.
tom Frankfurt
Von Tobias Möllers, Frankfurt
Trotz einem „anspruchsvollen Marktumfeld“ sieht die Deutsche Bank für das Jahr 2025 einige Investitionschancen für Anleger. Beim Kapitalmarktausblick für das kommende Jahr warf Christian Nolting, globaler Chefanlagestratege der Deutschen Bank, zunächst einen Blick zurück. Denn langweilig waren auch die ersten fünf Jahre der Dekade nicht gerade. Mit der Pandemie, dem Impfstoff, dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, künstlicher Intelligenz und politischen Friktionen, die in diesem Jahr eine Unzahl von Wahlen rund um den Globus begleitet haben, nennt Nolting fünf Schlagworte, die die Anleger zuletzt bewegt haben und wohl auch noch weiter bewegen werden. Die Deutsche Bank geht davon aus, dass auch 2025 geprägt sein wird von technologischem Wandel, politischer Dynamik und geopolitischen Risiken wie dem Konflikt zwischen den USA und China.
Vier Wachstumssektoren
Die Märkte sind trotz all dieser Unsicherheiten in den vergangenen Jahren gut gelaufen. Und Wachstum erwartet Nolting auch für die Zukunft, wenn auch rückläufiges. Umso wichtiger ist für den Deutsche-Bank-Mann daher Produktivität als ein zusätzlicher Wachstumsmotor. Dafür seien nicht zuletzt künstliche Intelligenz und sektorüberschreitende Technologien mitentscheidend. Entscheidend sei aber vor allem auch, welche Länder und welche Sektoren dank Produktivitätszuwächsen eine entsprechende Performance bringen. Hier hat Nolting vier Wachstumssektoren ausgemacht: Der Bereich Gesundheit, eng verbunden mit Demographie, sei zwar in den vergangenen zehn Jahren bei der Performance hinter anderen Bereichen zurückgeblieben, das biete für die Zukunft aber auch Potenzial. Gerade im Healthcare-Bereich könnte KI für ein großes Produktivitätswachtsum sorgen. Zudem sei Gesundheit ein guter Stabilisator fürs Portfolio. Zweiter Wachstumssektor ist für die Deutsche Bank der Bereich Konsum. Durch den Aufstieg der Mittelschicht erwartet Nolting hier sehr starke Zuwächse in Indien, in Restasien, aber auch in China. Dagegen werde der Anteil der USA perspektivisch kleiner. Dem zuletzt überdurchschnittlich stark gelaufenen Technologiesektor attestiert Nolting auch für die Zukunft weiter hohes Wachstumspotenzial. Für die Produktivität sei Tech „das spannendste Thema“. Vierter und letzter Wachstumsbereich ist für die Deutsche Bank die eigene Branche: Finanzen. In den USA und in Europa gebe es zyklischen Rückenwind für Finanzwerte.
2024 hat enttäuscht
Nach Nolting wagte Robin Winkler, neuer Chefvolkswirt Deutschland bei der Deutschen Bank und damit Nachfolger des langjährigen Chefvolkswirts Stefan Schneider, der nun Senior Advisor für die Bereiche Deutschland und Europa ist, einen näheren Blick auf die deutsche Wirtschaft. Winkler hatte weniger gute Nachrichten im Gepäck als Nolting. Für 2025 erwartet er ein BIP-Wachstum von etwa 0,5%, für 2026 dann 1%. Angesichts der Tatsache, dass die deutsche Wirtschaft seit 2019 nicht mehr gewachsen ist, könnte man das schon als positiv verbuchen, doch bleibt sie mit diesen Prognosen weiterhin weit hinter dem Wachstumstrend der 2010er Jahre zurück. Immerhin: Die Investitionen werden sich stabilisieren und die Rezessionsgefahr ist vorerst gebannt, führt Winkler weiter aus. Das Jahr 2024 habe allerdings enttäuscht, so der Chefvolkswirt. Hier war die Deutsche Bank beim letzten Kapitalmarktausblick vor einem Jahr optimistischer gewesen. Enttäuschend sei besonders der Haushaltskonsum gewesen. Trotz hoher Einkommenszuwächse haben sich diese nicht, wie so häufig in der Vergangenheit, in höheren Konsumausgaben niedergeschlagen. Eine Kluft, die sich auch die Deutsche Bank zunächst nicht so einfach erklären kann.
Für die Zukunft erwartet Winkler, dass sich die Sparquoten wieder normalisieren, dies gelte allerdings auch für die Lohnzuwächse. Nach den jüngsten Erfahrungen in Deutschland ist der private Konsum auch in der näheren Zukunft nicht mehr der große Hoffnungsträger, während der staatliche Konsum weiter kräftig wächst. Zumindest im ersten Halbjahr 2025 bleibe die Investitionsschwäche ein Wachstumshemmnis, aber – anders als die Industrie – dürfte sich der Bau dank sinkender Zinsen wieder fangen, prognostiziert Winkler. Ein weiterer Hoffnungsschimmer ist das, was die Deutsche Bank unter „Sonstige Investitionen“ zusammenfasst: Die Ausgaben für IT und Software steigen antizyklisch an und zwar deutlich. Dies deute auf einen Strukturwandel hin. Während die inflationsbedingten Unsicherheiten in Deutschland wieder kleiner werden, bleiben aber politische Unwägbarkeiten. Für Deutschland erwartet Winkler hier frühestens für das zweite Halbjahr 2025 eine Verbesserung, nach der Bildung einer neuen Koalition. Nicht viel besser sieht es in den USA aus, wo Donald Trump in seinem neuen, alten Amt erst wieder ankommen muss. Angesichts der deutschen Abhängigkeit von den USA im Außenhandel droht hier, mit Blick auf Trumps Zollpläne, ein erhebliches Abwärtsrisiko.
„EZB sollte mehr machen“
Optimistischer zeigte sich anschließend Ulrich Stephan, der Chefanlagestratege Privatkunden der Deutschen Bank. Als Rheinländer sei er zwar notorisch optimistisch, doch machte Stephan auch an den Märkten einige Chancen aus. Von der Fed erwartet der Anlagestratege einen kleinen Zinsschritt im Dezember und im Jahr 2025 zwei weitere Senkungen. „Die EZB sollte deutlich mehr machen“, so Stephan. Hier geht die Deutsche Bank von fünf Zinsschritten bis runter auf ein Niveau von 2% aus. Die Zinsdifferenzen dürften den Dollar gegenüber dem Euro weiter stärken, so Stephan. Vor diesem Hintergrund empfiehlt er, auf Staatsanleihen in Europa zu setzen, die Potenzial für Kursgewinne böten. Unternehmensanleihen mit guter Bonität blieben ebenfalls attraktiv, während hoch bewertete Anleihen mit schwächeren Ratings von der Deutschen Bank kritisch betrachtet werden.
Die Aktienmärkte in den USA sind nach den starken Jahren 2023 und 2024 laut Stephan zwar hoch bewertet, bieten jedoch gleichzeitig überdurchschnittliche Gewinnerwartungen. Das gilt auch für Tech-Titel, angeführt von den „Magnificent Seven“. Die Gewinnentwicklungen in den USA seinen deutlich positiver und Big Tech werde auch weiterhin „höhere Gewinne als der Rest“ bringen, zudem stehe die KI-Entwicklung erst am Anfang. Auch könnten Deregulierung und Steuersenkungen wie Trump sie angekündigt hat, die Unternehmensgewinne um 4 bis 5% erhöhen. Dennoch rät Stephan zur Diversifizierung. Insgesamt zeigt sich der Deutsche-Bank-Mann „verhalten positiv“ für Aktien. Den S&P 500 sieht das Geldhaus Ende 2025 bei 6.500 Punkten, den Dax bei 20.500 Zählern. Im Vergleich zur Konjunktur habe sich der deutsche Leitindex auch zuletzt sehr gut entwickelt. Allerdings machen die Dax-Konzerne 84% ihrer Umsätze auch im Ausland.
Infrastruktur und Rohstoffe
„Anleger sollten 2025 auf reale Werte wie Infrastruktur und Rohstoffe setzen, da Elektrifizierung und Digitalisierung voranschreiten. Gleichzeitig bleibt der US-Markt mit seiner hohen Kapitalrendite und starken Unternehmensgewinnen ein globales Gravitationszentrum", erklärt der Deutsche-Bank-Mann. In Europa könne der Draghi-Plan mit Investitionen in Höhe von 800 Mrd. Euro Wachstumsimpulse freisetzen. Profiteure seien vor allem die Infrastruktur, erneuerbare Energien, Logistik und Mobilität sowie der Gesundheits- und Wohnsektor. Am Rohstoffmarkt blieben auch 2025 Industriemetalle wie Kupfer, Lithium und Kobalt, die für die Elektrifizierung wichtig sind, gefragt. Beim Öl sei dagegen der Nachfragegipfel in Sicht.
Vom Bitcoin hat der Anlagestratege erkennbar keine allzu hohe Meinung. Angesichts eines Kursplus von 160% im laufenden Jahr kommt Stephan aber immerhin zu dem Schluss: „Geld für Investitionen scheint nicht das allergrößte Problem zu sein.“