Deutscher Aktienmarkt

"Die niedrigen Bewertungen dieser Aktien sprechen für besonders interessante Kursperspektiven“

Die deutsche Wirtschaft benötigt einen Neuanfang, sagt der Fondsmanger Olgerd Eichler von MainFirst. Die bevorstehende Bundestagswahl könnte Impulse für eine Agenda „2030“ bringen. Dies eröffne gute Aussichten für deutsche Aktien, insbesondere für Small und Mid Caps.

"Die niedrigen Bewertungen dieser Aktien sprechen für besonders interessante Kursperspektiven“

Gute Aussichten für deutsche Aktien

MainFirst-Fondsmanager Olgerd Eichler sieht in den Neuwahlen die Chance für einen Wendepunkt

wrü Frankfurt

Die deutsche Wirtschaft benötigt einen Neuanfang, sagt der Fondsmanager Olgerd Eichler von MainFirst. Die bevorstehende Bundestagswahl könnte Impulse für eine Agenda „2030“ bringen. Dies eröffne gute Aussichten für deutsche Aktien, insbesondere für Small und Mid Caps. Denn diese Titel seien noch niedrig bewertet.

Schon einmal befand sich Deutschland ökonomisch in einer schweren Krise. Das war zu Beginn des Jahrtausends, insbesondere in den Jahren 2002 und 2003. Damals hat die Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder mit der Agenda 2010 eine grundlegende Reform gewagt. Diese galt vielen als erfolgreich, auch wenn sie Schröder wohl die Kanzlerschaft kostete. Die deutsche Volkswirtschaft ist wieder deutlich gewachsen, die Arbeitslosigkeit ging zurück, und der deutsche Aktienmarkt legte überdurchschnittlich stark zu. So hat zum Beispiel der Dax in den Jahren 2003 bis 2008 den US-Aktienindex S&P 500 um Längen geschlagen (siehe Grafik).

Der erfahrene Fondsmanager Olgerd Eichler von MainFirst sieht nun Parallelen zur Situation vor 20 Jahren. Auch heute stehe Deutschland vor gewaltigen Herausforderungen. "Zwar hat sich die Wirtschaft von den Folgen der Corona-Pandemie erholt, doch die Energiekrise und der Ukraine-Krieg haben Schwächen offenbart“, diagnostiziert Eichler. Das Wirtschaftswachstum sei ins Stocken geraten. In einigen Schlüsselbranchen wie der Automobil- und Chemieindustrie sinke die Industrieproduktion. Zusätzlich belaste die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern die Wettbewerbsfähigkeit.

Gleichzeitig stelle der digitale Wandel die Wirtschaft vor strukturelle Anpassungsprobleme, so der MainFirst-Experte für europäische Aktien: „Deutschland, einst Vorreiter der Ingenieurskunst, hinkt bei Schlüsseltechnologien wie künstlicher Intelligenz hinterher.“ Hinzu kämen die aktuellen geopolitischen Spannungen, die eine strategische Neuausrichtung erforderten: der Wettstreit zwischen den USA und China, der Krieg in der Ukraine und die globale Neuordnung von Handelsbeziehungen.

Auch innenpolitisch seien die Herausforderungen groß. „Steigende Inflation, soziale Ungleichheit, Migration, politische Verfehlungen und die Klimakrise polarisieren die Gesellschaft", sagt Eichler. "Viele Bürger sind unzufrieden mit dem politischen Stillstand und fordern mutige Reformen.“

Chance, Land neu auszurichten

Die Agenda 2010 bewertet Eichler als historische Reform. „Das Vorgehen war umstritten, legte aber den Grundstein für den späteren Wirtschaftsaufschwung, der Deutschland wieder zu mehr Stärke und Wettbewerbsfähigkeit verholfen hat“, urteilt Eichler. Maßnahmen seien damals unter anderem die Lockerung des Kündigungsschutzes, die Einführung der Hartz-IV-Gesetze und die Deregulierung des Arbeitsmarktes gewesen.

Heute befinde sich Deutschland wie damals in einer Phase der Unsicherheit und Orientierungslosigkeit, die entschlossenes politisches Handeln erfordere. "Allerdings war die damalige Krise vor allem hausgemacht, während die aktuellen Probleme auch in der globalen Vernetzung Deutschlands wurzeln und vielschichtiger sind“, meint Eichler.

Der Fondsmanager erklärt: „Die kommenden Wahlen bieten die Chance, das Land neu auszurichten und den Reformstau aufzulösen. Eine neue Regierung könnte die nötigen Veränderungen in den Bereichen Digitalisierung, Bürokratie und Energie vorantreiben.“ Dafür brauche es klare Ziele, mutige Entscheidungen und eine zielgerichtete Wirtschaftspolitik. „Dann kann Deutschland nicht nur seine Position als europäischer Wirtschaftsmotor zurückgewinnen, sondern auch seine globale Präsenz stärken – und erneut vom kranken Mann zum Vorbild des Aufbruchs für ganz Europa werden.“

Großes Aufholpotenzial

Insbesondere der deutsche Mittelstand würde von neuen wirtschaftspolitischen Impulsen profitieren, argumentiert der Aktienexperte: „Nicht nur könnten die Unternehmen wieder mutiger auftreten, sondern auch mehr Investitionsbereitschaft zeigen.“ Viele dieser kleinen und mittelgroßen Unternehmen böten großes Aufholpotenzial, da sie von Anlegern in der Vergangenheit links liegen gelassen wurden. „Die niedrigen Bewertungen dieser Aktien sprechen für besonders interessante Kursperspektiven“, sagt Eichler.

Da hat Eichler recht. Denn der deutsche Aktienmarkt ist niedrig und viel günstiger bewertet als der amerikanische. Das bietet natürlich Aufholpotenzial, wenn die Chance auf eine andere Wirtschaftspolitik ergriffen wird. Doch stellt sich natürlich die Frage, ob eine „Agenda 2030“ nach den Bundestagswahlen gelingen wird

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