GastbeitragAnlagethema im Brennpunkt (346)

Die USA haben die Wahl! Haben Anleger die Qual?

Bei den Wahlen in den USA erscheinen drei Konstellationen als möglich. Wie sich Investoren dafür positionieren sollten, erklärt unser Gastautor, Ulrich Urbahn.

Die USA haben die Wahl! Haben Anleger die Qual?

Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt (346)

Die USA haben die Wahl! Haben Anleger die Qual?

Am 5. November stehen neben der US-Präsidentschaftswahl auch das Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats zur Wahl. Der Wahlausgang wird vor allem in wenigen Swing States entschieden. Die verstärkte Nutzung der Briefwahl könnte das finale Wahlergebnis verzögern, was die Phase der Unsicherheit an den Finanzmärkten verlängern könnte.

Die potenziell starken Auswirkungen der politischen Entscheidungen auf Sektoren und Regionen sind ein wichtiger Bestandteil jeder Marktanalyse. Die US-Präsidentschaftswahlen werden dabei von vier politischen Themen bestimmt: Einwanderung, Handelspolitik, Steuern, und Deregulierung. Die Auswirkung auf die Märkte hängt stark von der Zusammensetzung der künftigen Regierung und des Kongresses ab. Derzeit haben drei Konstellationen eine nennenswerte Wahrscheinlichkeit: ein gespaltener Kongress mit einer demokratischen Präsidentin Kamala Harris, ein gespaltener Kongress mit einem republikanischen Präsidenten Donald Trump und ein kompletter Wahlsieg der Republikaner.

Harris-Politik dürfte der Bidens ähneln

Eine Präsidentin Harris mit gespaltenem Kongress dürfte der aktuellen Politik Joe Bidens ähneln. Die wirtschaftspolitischen Schwerpunkte der Harris-Regierung dürften auf Umverteilungsmaßnahmen von den besserverdienenden zu den ärmeren Bevölkerungsschichten liegen, wobei bestehende Steuererleichterungen nur teilweise beibehalten werden dürften. Jedoch sind die Demokraten auf die Unterstützung der Republikaner angewiesen, sodass viele fiskalpolitische Änderungen so nicht eintreten dürften. In diesem Szenario könnten die US-Aktienmärkte kurzfristig schwächer reagieren, während die ausländischen Aktienmärkte aufatmen dürften. Sektoren wie erneuerbare Energien, Industrie und Verteidigung könnten von einer demokratischen Regierung profitieren. Die US-Verschuldung dürfte aufgrund der Wirtschaftspolitik der Demokraten ansteigen, was den US-Dollar abschwächen dürfte – auch weil außenpolitisch unter Harris eine größere Zuverlässigkeit für die transatlantischen Partner herrschen dürfte. 

Sollten die Republikaner die Präsidentschaft und die Mehrheit im Kongress gewinnen, könnte dies eine Fortsetzung der Politik aus Trumps erster Amtszeit bedeuten. Dazu gehören die Verlängerung auslaufender Einkommenssteuerregelungen, neue Zölle auf alle Importe, Deregulierungsmaßnahmen und eine verschärfte Einwanderungspolitik. Kurzfristig könnte dies zu einer Euphorie an den US-Aktienmärkten führen, besonders in den Sektoren Finanzen, Industrie, traditionelle Energie und Small Caps. Das aktuelle makroökonomische Umfeld ist jedoch von Wachstum und Inflation geprägt. Größere Haushaltsdefizite, weniger Immigration und eine Politik der Zölle könnten mittelfristig zu niedrigerem Wirtschaftswachstum und höherem Inflationsdruck führen, was die Märkte belasten könnte. Ein solcher Wahlsieg könnte vorübergehend den US-Dollar stärken und Kryptowährungen Auftrieb verleihen. Zudem könnte Gold als sicherer Hafen an zusätzlicher Bedeutung gewinnen. Sollte Trump nicht beide US-Kammern gewinnen, würde er wohl einen noch stärkeren Fokus auf die Migrations- und Außenpolitik legen.

Robuster Multi-Asset-Ansatz

Unabhängig vom Wahlausgang ist in den kommenden Jahren mit verstärkten Spannungen zwischen den USA und China, zunehmender US-Staatsverschuldung und einer intensivierten Industriepolitik bei beiden politischen Lagern zu rechnen. Für Investoren ist es zwar essenziell, die wirtschaftlichen und investitionsbezogenen Implikationen dieser politischen Entwicklungen zu verstehen. Die Entwicklung präziser Sektorstrategien auf der Grundlage unterschiedlicher politischer Szenarien erweist sich jedoch als schwierig und war auch 2020 wenig treffsicher. Ein breiter, flexibler Multi-Asset-Ansatz, der verschiedene Szenarien einbezieht, könnte sich als robuster erweisen und dabei helfen, politische Risiken besser zu steuern.

Unser Gastautor Ulrich Urbahn ist Leiter Multi Asset Strategy & Research bei Berenberg Wealth and Asset Management.