Evergrande vergiftet Klima für Chinas Corporates
Von Norbert Hellmann, Schanghai
Im riesigen Markt für in Dollar denominierte Corporate Bonds chinesischer Emittenten nehmen die Spannungen zu. Der von einer Verschuldungskrise im Immobiliensektor ausgehende Vertrauensentzug der Investoren nährt einen zunehmend breiteren Sell-off von Dollaranleihen. Der Abverkauf betrifft längst nicht nur auf die Papiere von offensichtlich in Zahlungsnöten steckenden Immobilienentwicklern und andere Emittenten von Hochzinsanleihen, sondern auch Adressen von unzweifelhafter Bonität, die sich am oberen Ende des Ratingspektrums tummeln.
Fed schürt Nervosität
Für zusätzliches Unbehagen sorgt der neue Stabilitätsbericht der Federal Reserve, mit dem die US-Zentralbank auf Risikoquellen für das globale Finanzsystem und die US-Märkte hinweist. Diesmal finden Chinas Immobilienmarkt und die Verschuldungskrise der Bauträger explizite Erwähnung – dies belastet das Sentiment globaler Investoren bezüglich ihrer Risikoeinschätzung von Engagements mit China-Bezug. Entsprechend sieht man einen weiteren Auftrieb der Durchschnittsrendite auf chinesische Hochzinsanleihen, die am Dienstag mit 23,5% einen Rekordwert erreichte.
Wie Marktteilnehmer in Hongkong betonen, kam es außerdem zu einem ungewöhnlich kräftigen Anstieg der Risikoaufschläge von hoch gerateten Dollaranleihen um 10 bis 15 Basispunkte, nachdem der Spread gegenüber US-Regierungsbonds (Treasuries) am Montag bereits um rund 7 Basispunkte geklettert war. Bestes Beispiel sind Anleihen des chinesischen Internetkonzerns und Technologieriesen Tencent, dessen Dollarbond-Spreads nach Angaben von Bloomberg am Dienstag um 12 auf 137 Basispunkte kletterten. Das bedeutet den kräftigsten Anstieg seit Juli, als chinesische Tech-Konzerne im Zuge einer Regulierungskampagne der Regierung insbesondere am Aktienmarkt heftige Kurseinbußen erlitten. Dabei haben Adressen wie Tencent und der ebenfalls im Dollarbondmarkt präsente Rivale Alibaba eigentlich denkbar wenig mit entsprechenden Sektorrisiken zu tun, sind von Konjunkturzyklen weitgehend isoliert und müssen sich dank riesiger Cashpolster auch keine Gedanken über Liquiditätsengpässe und laufende Bedienung ihrer Anleihen machen.
Dass die Nerven blank liegen, hat natürlich unmittelbar mit dem Fortsetzungskrimi rund um Evergrandes Zinsendienst auf Dollaranleihen zu tun. Bereits am Mittwoch kommt es erneut zu einem Showdown, da eine „Gnadenfrist“ für eine Kuponzahlung über 148 Mill. Dollar abläuft. Diese war ursprünglich am 11. Oktober fällig geworden, doch der Konzern ließ sie aus. Seit September hat Evergrande eine Reihe von Kuponterminen zunächst sausen lassen, um dann aber jeweils zum Ablauf der 30-tägigen Nachreichfrist den Zinsendienst zu leisten und einem förmlichen Zahlungsausfall zu entgehen.
Ein solcher Default hätte gravierende Konsequenzen, weil er das wohl größte Schuldenrestrukturierungsverfahren in der chinesischen Wirtschaftsgeschichte auslösen und Evergrandes Dollarbondhalter stark bluten lassen würde. Nichtsdestotrotz rechnen chinesische Analysten damit, dass Evergrande auch diesmal den Kopf aus der Schlinge ziehen wird und die Kuponzahlung leistet.
Kaisa im Keller
Wenig zuversichtlich zeigt sich der Markt bezüglich des ebenfalls stark wackelnden Bauträgers Kaisa Group, der mit Dollarbondschulden über rund 14 Mrd. Dollar unterwegs ist. Am Dienstag kam es zu einer neuerlichen Ratingabstufung seitens der Agentur Fitch Rating, die Kaisas Bonitätsnote von „CCC+“ auf „CCC–“ senkte. Für Kaisa schlägt am 7. Dezember die Stunde der Wahrheit, dann muss der Konzern einen Dollarbond über 400 Mill. Dollar tilgen. Diese Anleihe notiert nach drastischen Kursverlusten in den vergangenen Wochen gegenwärtig noch bei etwa 44 Cent zum Dollar.