Inflationsanstieg

Goldpreis in Dollar wird kurzfristig attraktiv

Die Fed wird die deutlich gestiegenen Inflationserwartungen noch auf längere Sicht ausblenden. Das dürfte den Dollar ausbremsen – für den Goldpreis könnte sich daraus starker Rückenwind ergeben.

Goldpreis in Dollar wird kurzfristig attraktiv

Von Eugen Keller *)

Was war das doch für ein entspanntes erstes Quartal an den Finanzmärkten, obwohl die dritte Welle der Pandemie fast schon genauso heftig um sich greift wie die zweite, nur regional verlagert. In Lateinamerika sind vor allem Argentinien, Brasilien sowie Kolumbien betroffen und in Asien Indien, Pakistan und die Philippinen – ausreichend, um die globalen Zahlen der Neuinfizierungen wieder extrem nach oben zu treiben. Trotz der noch immer stark wütenden Pandemie hat sich großer Konjunkturoptimismus breitgemacht. Dies verdeutlichen die Einkaufsmanagerindizes, auch die Bloomberg-Konsens-Schätzungen und insbesondere die Prognosen des Internationalen Währungsfonds für das globale Wachstum. Die überraschend deutliche Erholung der globalen Industrie stimmt die Investoren zuversichtlich, ebenso wie ein Welthandel, der Vorkrisenniveau erreicht hat, und Frachtraten, die sich sogar vervierfacht haben. Treiber des Aufschwungs sind bislang die beiden größten Volkswirtschaften USA und China, während die Eurozone sowie Japan deutlich hinterherhinken.

Auf die Frage, was den Kurs einer Währung maßgeblich determiniert, wurden schon Ende der 1980er Jahre die Einflussfaktoren Zins und Leistungsbilanz genannt. Um den Zins näher zu bestimmen, sollten wir uns zunächst Klarheit über Wachstum und Inflation bzw. die entsprechende Forward Guidance der Zentralbanken verschaffen. In Sachen Wachstum haben die USA derzeit deutlich die Nase vorn: Der starke Fiskalimpuls mit enormen Transfers des Staates an die privaten Haushalte und die Öffnung der amerikanischen Wirtschaft haben zu einer hohen Wachstumsdynamik geführt. Dagegen sind die Eurozone und insbesondere Deutschland deutlich ins Hintertreffen geraten. Wichtigster Treiber hierzulande sind bislang die Exporte nach China und in die USA. Zu starken Nachholeffekten dürften jedoch die Hoffnung auf Öffnung und das Wirksamwerden des EU-Wiederaufbaufonds führen, gepaart mit der hohen Corona-Zwangsersparnis (laut Bloomberg in Deutschland ca. 115 Mrd. Euro).

Inflationspotenzial steigt

Auf die Frage, was Inflation treibt, fallen uns vier Faktoren ein. Als Erstes die Angebots-/Nachfragesituation: Auf das Angebot wirken Kriege, Pandemien, Naturkatastrophen und beispielsweise auch ein quer gestellter Containerriese im Suezkanal, also konkret der Bruch von Lieferketten. Auf die Nachfrage haben hingegen Geld- und Fiskalpolitik, Investitionsabsichten der Unternehmen und die Veränderung von Sparquoten einen starken Einfluss. Das in diesem Jahr deutlich höhere Inflationspotenzial ist nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, dass wir ein Zusammenspiel von beiden Seiten erleben, heißt konkret „cost push“ und „demand pull“.

Auch der zweite wichtige Faktor trägt dazu bei, dass wir kurzfristig viel Dampf auf dem Inflationskessel haben: die Rohstoffpreise, die stark gestiegen sind. Nach einer langen Durststrecke von über einem Jahrzehnt ist zuletzt so viel Dynamik aufgekommen, dass erste Investmentbanken bereits von einem neuen Superzyklus sprechen. Stark gestiegene Geldmengen lassen bei monetaristisch geprägten Analysten die Sorgen aktuell nur noch größer werden. Dieser dritte Einflussfaktor sorgt aber in erster Linie für günstige „financial conditions“ bzw. eine hohe Überschussliquidität im Finanzsektor und mithin V-förmige Anstiege bei riskanten Anlagen. Gefährlich ist die momentan stark wachsende Geldmenge unseres Erachtens nur dann, wenn sie sich auch als Nachfrage in der Realwirtschaft zeigt.

Nichtsdestotrotz bleibt das Thema Inflation ganz oben auf der Agenda. Kommt es in den nächsten beiden Monaten zu monatlichen Zuwächsen von 0,2%, dürfte die Jahresrate der US-Verbraucherpreise im Mai aufgrund von Basiseffekten auf 3,8% springen. In der Eurozone erwarten wir unter der gleichen Prämisse lediglich einen Anstieg von aktuell 1,3 auf dann 1,4%. Würde die Fed das aktuell deutlich höhere Inflationspotenzial bekämpfen, wäre dies positiv für den Dollar.

Aber die großen Zentralbanken spielen gemeinsam den Inflationsanstieg, der sich in der Eurozone erst zum Jahresende stärker zeigen wird, herunter. Fed-Gouverneur John Williams von der New York Fed sieht noch einen langen Weg, bis die Beschäftigung wieder das Vor-Pandemie-Niveau erreicht und die Inflation über vorübergehende Spitzen hinaus ansteigt. Das stärkere US-Wachstum und die deutlich höheren Inflationserwartungen – der vierte wichtige Einflussfaktor –, die unseres Erachtens absolut gerechtfertigt sind, entfalten also keine Dollar-positive Wirkung, da sie von der Fed ignoriert werden. Mit einer baldigen Anhebung des Leitzinses in den USA ist somit nicht zu rechnen.

Euro punktet langfristig

Wer die besseren Außenhandelsdaten und mithin die solidere Leistungsbilanz hat – die USA oder Euroland –, darüber gibt es keine zwei Meinungen. Klarer Punktsieg für die Gemeinschaftswährung. Ganz generell dürfte der Euro auf lange Sicht weiter die Nase vorn haben. Dafür sprechen auch Kaufkraftparität, relative Geldmengenveränderung und die zu erwartende Anpassung der Devisenreserven, die unseres Erachtens nach wie vor zu Dollar-lastig sind.

Als zusätzliche Variable sollten aber auch die aktuellen Markterwartungen in Bezug auf die Tapering-Diskussion und auf Leitzinsveränderungen in den kommenden Monaten mit in die Überlegungen einbezogen werden. Fortgesetzte Anleihekäufe, attraktive Refinanzierungsgeschäfte und Notstandszinsen werden uns auf absehbare Zeit erhalten bleiben, so das Credo der Zentralbanken, die besorgte Anleger nahezu täglich mit Beruhigungspillen versorgen. Auch für die Vereinigten Staaten ist es mittlerweile von großer Bedeutung, die ausufernde Staatsverschuldung, die inzwischen mehr als 28 Bill. Dollar und damit bereits 131% der Wirtschaftsleistung beträgt, refinanzierbar zu halten. Aus dieser Konstellation heraus erwarten wir in Richtung Jahresende eine freundliche Tendenz für die Gemeinschaftswährung gegenüber dem Greenback.

Deutlich mehr Potenzial sehen wir bei der Ersatzwährung Gold, die lange Zeit korrigiert bzw. konsolidiert hat. In Erwartung deutlich fallender Realzinsen entsteht unseres Erachtens starker Rückenwind für weiter steigende Kurse, nachdem der Goldpreis bei 1675 Dollar einen tragfähigen Doppelboden geschaffen hat. Positiv ist außerdem zu erwähnen, dass die von Bloomberg erfassten Gold-ETFs zuletzt wieder Zuflüsse verzeichnen konnten. Eine verbesserte Wertwahrnehmung bei der jüngsten Sentix-Analyse und ein zum Stillstand gekommener Positionsabbau an der CME runden das positive Bild ab. Auch der zusätzliche Diversifikationseffekt in Anbetracht hoch bewerteter Aktien spricht für das Edelmetall.

Die Zentralbanken werden die Liquiditätspumpe vorerst nicht abstellen und weiterhin für tiefe Bondrenditen sorgen. Somit bleibt Gold als alternative, aber sichere Anlage weiterhin attraktiv.

*) Eugen Keller ist Leiter der Devisen- und Rentenmarktstrategie beim Bankhaus Metzler.

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