„In Europa zieht die Konjunktur an und europäische Aktien sind günstig bewertet“
Im Gespräch: Helen Windischbauer
„Europäische Aktien sind günstig bewertet“
Die Leiterin Multi-Asset Solutions bei Amundi erläutert, wo bei Aktien und Anleihen im zweiten Halbjahr besondere Chancen sind
Von Werner Rüppel, Frankfurt
Im Ausblick für die zweite Jahreshälfte empfiehlt Amundi, sich auf der Aktienseite breiter aufzustellen und nicht allein in Big Tech zu investieren. Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erläutert Multi-Asset-Leiterin Helen Windischbauer darüber hinaus, warum Anleihen historisch gute Chancen aufweisen.
Im globalen Kapitalmarktausblick rät der Vermögensverwalter Amundi, in der zweiten Jahreshälfte Aktien im Portfolio leicht überzugewichten. „Der Disinflationstrend hält an; auch wenn die Teuerung hartnäckiger ist als erwartet, werden die großen Notenbanken die Leitzinsen weiter senken beziehungsweise damit anfangen“, sagt Helen Windischbauer, Head of Multi-Asset Solutions bei Amundi Deutschland, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung in Frankfurt. „Für die USA erwarten wir zwei Leitzinssenkungen bis Jahresende, und auch die EZB dürfte ihren Leitzins in diesem Jahr noch zwei- bis dreimal senken. Wie viele Zinssenkungen erfolgen, wird dann letztlich von den Daten abhängen, aber die Richtung ist klar.“
Dabei geht Amundi von einem weiteren Rückgang der Teuerung aus. So liegt die Prognose der durchschnittlichen Inflationsrate im Jahr 2025 für die USA bei 2,4%, für die Großbritannien bei 2,2% und für die Eurozone bei 2,1%.
Beim Wachstum erwartet Amundi auf globaler Ebene eine leichte Abschwächung von 3,1% in 2024 auf 3,0% in 2025. „Das Wachstum der Weltwirtschaft bleibt robust, allerdings werden sich die einzelnen Regionen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten entwickeln“, erläutert Windischbauer. „Insgesamt liegt somit ein relativ günstiges Umfeld für Risikoanlagen wie Aktien vor. Doch haben die Märkte in einigen Regionen und Sektoren bereits vieles vorweggenommen. Dies sollten Anleger auf der Aktienseite berücksichtigen.“
Investoren sollten bei Aktien Konzentrationsrisiken vermeiden. „Gerade die großen Technologiewerte in den USA sind zum Teil relativ hoch bewertet“, erklärt Windischbauer. „Erfüllen einzelne dieser Titel die Gewinnerwartungen nicht, könnte es dort zu starken Kursrückschlägen kommen. Insgesamt gehen wir aber davon aus, dass diese Titel die Gewinnerwartungen in etwa erfüllen werden.“ Interessanter sei es, am US-Markt breit zu investieren. „Die Gewinnerwartungen des breiten US-Markts ziehen an, daher sollten Investoren die Marktbreite nicht vernachlässigen. So empfehlen wir, in die Aktien des S&P 500 gleichgewichtet zu investieren, was auch über einen entsprechenden ETF möglich ist.“
Nach Meinung von Amundi sollten Investoren in der zweiten Jahreshälfte auf Qualitätstitel und Value-Titel setzen und dabei Aktien aus Europa und aus ausgewählten Emerging Markets übergewichten. „In Europa zieht die Konjunktur an und europäische Aktien sind günstig bewertet“, sagt Windischbauer. „Wir zählen zu Europa auch UK, ein Markt, der ebenfalls günstig bewertet ist und hohe Dividendenrenditen aufweist.“ Bei den Schwellenländern rät Amundi, insbesondere indische Aktien überzugewichten. „Indien profitiert von mehreren positiven strukturellen Faktoren“, erklärt die Portfolioexpertin. „So ist die Inlandsnachfrage robust, ebenso die Investitionen. Zudem profitiert Indien auch von der globalen Neuausrichtung von Lieferketten sowie einer generell unterstützenden Notenbankpolitik.“ Für China ist Amundi neutral positioniert. Darüber hinaus sollten Anleger nach Meinung von Amundi Investments in europäischen Ländern Small Caps in Betracht ziehen. „Small und Mid Caps profitieren von niedrigeren Zinsen“, sagt Windischbauer. „Zudem sind diese Aktien derzeit günstig bewertet. Wir gehen daher von einer Renaissance dieses zuletzt vernachlässigten Segments aus.“
Anleger sollten bei Anleihen die historisch guten Chancen nutzen. „Die Leitzinssenkungen werden einen positiven Effekt auf die Kurse von Anleihen haben“, erläutert Windischbauer. „Die Zinsstrukturkurve wird sich sukzessive wieder weitgehend normalisieren.“ Vor allem rät Amundi aber zu Unternehmensanleihen. „Insbesondere dürften die Kurse von Corporates von den Zinssenkungen profitieren, dabei in erster Linie die Titel mit besserem Rating“, sagt die Portfolioexpertin. „Bei High Yields raten wir weiterhin zur Vorsicht.“ Mit Blick auf die Duration wird eine Verlängerung dieser empfohlen. In der Laufzeitenstrategie werde der Bereich von fünf bis acht Jahren langsam wieder interessant. „Deshalb setzen wir auf Steepener-Strategien im Portfolio“, so Windischbauer wörtlich.