Im InterviewJames Ashley, Goldman Sachs Asset Management

„Unter den entwickelten Märkten ist derzeit Japan am attraktivsten“

An den Finanzmärkten herrschen Konjunkturhoffnungen aber auch Ängste. James Ashley, Leiter des International Strategic Advisory Teams von Goldman Sachs Asset Management, erläutert, wo aktuell Chancen für Investoren bestehen und wo Gefahren lauern.

„Unter den entwickelten Märkten ist derzeit Japan am attraktivsten“

Im Interview: James Ashley

„Unter den entwickelten Märkten ist Japan derzeit am attraktivsten“

Goldman-Stratege: In Europa ist Stock Picking gefragt – Indische Aktien bieten auch langfristig Chancen – Plädoyer für Small Caps

Die Finanzmärkte und ihr Umfeld sind derzeit durch geopolitische Krisen und die Regierungsübernahme durch Donald Trump in den USA gekennzeichnet, was für Konjunkturhoffnungen, aber auch Ängste sorgt. James Ashley, Leiter des International Strategic Advisory Teams von Goldman Sachs Asset Management, erläutert, wo aktuell Chancen für Investoren bestehen und wo Gefahren lauern.

Herr Ashley, wie beurteilen Sie 2025 das politische und ökonomische Umfeld für die Märkte?

Um es vorab in einem Satz zu sagen: Wir rechnen damit, dass sich das Wachstum fortsetzt, dass die Inflation leicht zurückgeht und dass viele der bedeutenden Notenbanken ihren Kurs der Zinssenkungen fortsetzen können. Allerdings gibt es dabei zwischen den einzelnen Regionen weite Variationen.

Inwiefern?

Was das Wirtschaftswachstum betrifft, so erkennen wir eine zunehmend stärkere Entwicklung in den USA. Für die Eurozone und in Großbritannien rechnen wir hingegen zwar mit positiven Wachstumsraten, allerdings wird der Anstieg mit weniger als 1% wiederum anämisch ausfallen. Die USA könnten wiederum 2,5% erreichen.

Und wie sieht es mit der Inflation aus?

Die Inflation wird sich als volatil erweisen, unter anderem wegen einiger Basiseffekte, aber im Allgemeinen erwarten wir, dass sich in den USA und in Europa die Inflationsraten abgesehen von der genannten Volatilität auf nachhaltiger Basis in Richtung 2% bewegen. Die Zentralbanken werden sich dabei die Lage sehr genau ansehen und Ausschau halten nach Schocks, die für höhere Inflationsraten sorgen könnten. Die Notenbanken werden sehr wahrscheinlich ihre Politik der Zinssenkungen beibehalten, aber das Ausmaß und die Geschwindigkeit dieser Politik wird von den jeweiligen Makrodaten abhängen.

Was bedeutet das für die EZB?

Es gibt in der Eurozone natürlich disinflationären Druck, verursacht durch das schwache Wachstum. Daher wird die Europäische Zentralbank höchstwahrscheinlich recht aggressiv die Zinsen senken. Dem gegenüber wird die Fed wegen des recht starken Wirtschaftswachstums sehr viel vorsichtiger sein. Aus diesen regionalen Divergenzen entstehen natürlich Chancen für Investoren. So ist beispielsweise in Japan über mehr als drei Jahrzehnte versucht worden, die Inflation zu erzeugen, die es jetzt dort gibt. Japanische Unternehmen haben jetzt eine Preissetzungsmacht, die sie für lange Zeit nicht hatten.

Wo sehen Sie vor diesem Hintergrund im laufenden Jahr Chancen für Investoren an den Aktienmärkten?

Nun, ich glaube, dass sich Chancen insbesondere ergeben in der Rotation heraus aus denjenigen Segmenten am Aktienmarkt, die 2024 eine gute Performance geboten haben. „Nach unten und nach außen“ könnte man als Losung für Investoren ausgeben: Nach unten, was die Größe der Unternehmen mit Blick auf ihre Marktkapitalisierung betrifft, während nach außen bedeutet, dass Chancen nicht nur im US-Markt bestehen, sondern ebenso in den Emerging Markets, aber auch in entwickelten Märkten wie Japan oder auch in Teilen Europas. Hinsichtlich der Chance-Risiko-Profile sehen wir derzeit bessere Chancen außerhalb der USA. So bietet der japanische Aktienmarkt strukturell, von den Bewertungen her sowie auf Basis der erfolgten Corporate-Governance-Reformen einen günstigen Einstiegszeitpunkt. In den Reihen der entwickelten Märkte ist derzeit Japan am attraktivsten.

Und wie sieht es in den Aktienmärkten der Emerging Markets aus?

Hier sticht der indische Markt hervor. Zwar sind die Bewertungen relativ hoch, aber es gibt einen Grund für dieses Bewertungsniveau. Unter sämtlichen G7- und BRICS-Volkswirtschaften sehen wir nämlich gerade in Indien 2025 und deutlich darüber hinaus besondere Chancen auf ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts mit zweistelligem Prozentsatz. In den nächsten Jahren könnte das jährliche reale Wachstum dort in der Größenordnung von 6,5% liegen, bei einer Inflation von 4 bis 5%. Und die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich in Indien Wirtschaftswachstum auch am Aktienmarkt niederschlägt, was nicht für alle Länder gilt.

Wie beurteilen Sie die Lage am chinesischen Aktienmarkt?

Nun, die Bewertungen am chinesischen Aktienmarkt sind attraktiv. Daraus könnte kurzfristig eine deutliche Dynamik entstehen, die die Kurse nach oben treibt. Allerdings sind die Markterwartungen auch bereits sehr hoch. Es ist daher kaum damit zu rechnen, dass diese Erwartungen noch einmal übertroffen werden. Sollte es tatsächlich zu US-Strafzöllen kommen, würde der gesamte globale Handel abgebremst. Damit bestehen also erhebliche Risiken hinsichtlich der erwarteten Rally am chinesischen Aktienmarkt. Ich persönlich glaube, dass es durchaus Chancen in China gibt. Die Frage ist nur, wie man sich als Anleger richtig positioniert: Die asiatischen Emerging-Markets gehörten 2024 zu den Anleihemärkten mit der besten Performance, als Folge der Leitzinssenkungen. Wir gehen davon aus, dass es auch 2025 Zinssenkungen geben wird, in China und darüber hinaus in den asiatischen Emerging Markets. Daher sehen wir in diesen Anleihemärkten auch 2025 gute Chancen – mit möglicherweise mehr Potenzial als am chinesischen Aktienmarkt.

Und wo sehen Sie Chancen in den entwickelten westlichen Aktienmärkten?

Ich würde derzeit in den entwickelten Märkten für Small Caps plädieren. So bieten sich den Anlegern im US-Markt bei den kleineren Werten attraktive Bewertungen für den Einstieg. Wie gesagt, wir rechnen mit einem robusten US-Wirtschaftswachstum in der Größenordnung von 2,5% und auf lokales Wirtschaftswachstum hat man in der Regel mit Small Caps Zugriff. Unterstützt wird diese Perspektive durch die Fed, die zwar nicht sehr aggressiv senken wird, aber ihren Kurs grundsätzlich beibehält. Strafzölle, wie die Trump-Administration sie plant, haben zudem einen störenden Effekt auf große international aufgestellte Unternehmen im Gegensatz zu den kleinen, auf den einheimischen Markt ausgerichteten Gesellschaften. Zudem dürften Small Caps von den geplanten Steuersenkungen profitieren. Unser Plädoyer für Small Caps bedeutet aber nicht, dass wir für den S&P 500 negativ eingestellt wären. Wir erwarten, dass es im S&P 500 eine breitere Rally geben wird, die nicht mehr nur von den „Magnificent 7“ getragen sein wird.

Was sind Ihre Erwartungen für Europa?

Die Entwicklung im vergangenen Jahr war geeignet, den Anlegern in Erinnerung zu rufen, dass es auf Sektorallokation und die Auswahl geeigneter Einzeltitel genauso ankommt wie auf die makroökonomischen Fundamentaldaten der Märkte. Nehmen wir den Dax als ein Beispiel. Rund 40% der gesamten Performance des Dax war auf ein einziges Indexmitglied zurückzuführen. Demgegenüber hat die deutsche Volkswirtschaft zahlreiche zyklische und strukturelle Probleme zu bewältigen und auch 2025 wird das Wachstum in Deutschland sehr gering ausfallen. Der spanische Leitindex Ibex 35 war wiederum so stark, weil in ihm viele Banken enthalten sind, deren Aktien 2024 eine gute Performance aufwiesen. Im laufenden Jahr gehen die makroökonomischen Entwicklungen der einzelnen Länder wohl deutlicher auseinander als in der Vergangenheit. Recht positiv dürften sich Spanien, Portugal und Irland entwickeln. Für Deutschland rechnen wir nur mit einem minimalen Wachstum von 0,3 bis 0,4%. Das bedeutet aber nicht, dass europäische Aktien nicht attraktiv wären.

Wieso?

Zum einen gibt es Chancen durch die anhaltenden Zinssenkungen der EZB, zum anderen gilt es, sich die Sektoren und Einzeltitel genau anzusehen.

Hat der Machtwechsel in Washington großen Einfluss auf die Märkte?

Die US-Administration verfolgt in einer Reihe von Aspekten, die für Anleger von Belang sind, eine andere Politik als Biden. Darauf haben Märkte bereits unmittelbar nach den Wahlen reagiert, am amerikanischen Aktienmarkt gab es eine signifikante Rally. Wir rechnen allerdings in den kommenden vier Jahren mit deutlich umfangreicheren und tiefgreifenden strukturellen Veränderungen über die Trump-Wahl hinaus. So befinden wir uns in einer Welt, in der erstmals seit mehreren Jahrzehnten struktureller inflationärer Druck zurückgekehrt ist.

Darüber hinaus haben die Veränderungen in der demografischen Entwicklung tiefgreifende Folgen, aber auch Themen wie die Resilienz der Lieferketten, die wiederum die Inflation antreiben.

Welche Rolle spielen dabei die geopolitischen Veränderungen für die Märkte?

Wir bewegen uns in eine sich rasch verändernde multipolare geopolitische Umwelt, was bedeutet, dass Themen wie Sicherheit und ihre Finanzierung einen wesentlich größeren Stellenwert bekommen haben. Dabei ist der Begriff der Sicherheit weit auszulegen, er umfasst Cybersicherheit, technologische Sicherheit, Fragen der Energieversorgung und weitere Aspekte.

Was bedeutet das alles für Europa?

Europa ist davon in besonderem Maße betroffen. Dies übt auf einige Länder in Europa auch deutlichen fiskalischen Druck aus, die nur über begrenzte finanzielle Möglichkeiten verfügen. Für Investoren bedeutet dies, dass Themen wie Sicherheit und Infrastruktur zu interessanten Gelegenheiten werden. Das wird noch für viele Jahre gelten. Es wachsen mit den geopolitischen Veränderungen natürlich auch die Risiken für die Anleger.

Werfen wir einen kurzen Blick auf die großen amerikanischen Technologiewerte. Wie wird es dort weitergehen, rechnen Sie mit einer Abflachung der Rally?

Wir rechnen mit einer moderaten Entwicklung der großen US-Technologiewerte. In den vergangenen drei Jahren gab es große Erwartungen hinsichtlich der Gewinne der Unternehmen, die aber auch erfüllt wurden. Daher haben sich unserer Meinung nach die Bewertungen der Unternehmen auch nicht von den Fundamentaldaten entfernt. Allerdings dürfte es den Unternehmen schwerfallen, über die nächsten ein bis zwei Jahre eine solche Entwicklung zu wiederholen.

Wo ergeben sich im laufenden Jahr Chancen an den Anleihemärkten über die bereits genannten Emerging Markets hinaus?

Wenn sich Europa wie erwähnt in einem recht anspruchsvollen Umfeld befindet und das Wirtschaftswachstum zwar positiv ausfällt, aber deutlich unter dem langfristigen Trend bleibt, wird dies zu desinflationären Impulsen führen. Das wiederum dürfte der EZB Spielraum geben, die Zinsen deutlich aggressiver zu senken als die Fed in den USA. Davon dürften europäische Staatsanleihen profitieren. Allerdings gilt es auch hier, auf die Details zu achten. So ist die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen mit derzeit rund 2,5% mit Blick auf die Fundamentaldaten recht hoch. Hier ist also mit einem Rückgang der Rendite zu rechnen, wodurch Bunds und besonders am kurzen Ende die für Leitzinsänderungen besonders sensiblen kurzen Bundesschatzanweisungen attraktiv erscheinen. Und wenn wir davon ausgehen, dass Sicherheit künftig eine größere Rolle spielt, dann könnten die Länder mit einer schwächeren fiskalischen Position ausweitende Spreads ihrer Staatsanleihen erleben. So erscheinen beispielsweise die italienischen Spreads als relativ eng, während es aber andererseits bei den spanischen Spreads noch eine weitere Einengung geben könnte. Chancen am langen Ende ergeben sich unserer Meinung nach auch bei US-Treasuries und bei britischen Gilts.

Wie beurteilen Sie die Spreads französischer OATs gegenüber Bundesanleihen derzeit?

Mit Blick auf die fundamentalen Makrodaten der französischen Volkswirtschaft erscheinen uns diese Spreads aktuell relativ weit zu sein. Der Markt scheint sich derzeit mehr auf die politische Unsicherheit zu fokussieren als auf die ökonomischen Gegebenheiten. Dabei ignoriert er aber einige der positiven ökonomischen Aspekte.

Für Anleger in der Eurozone sind natürlich die möglichen Verschiebungen der Währungsrelationen von großer Bedeutung, insbesondere bezogen auf das Währungspaar Euro-Dollar. Was sind in diesem Punkt Ihre Erwartungen?

Die unterschiedliche Entwicklung der Zinsniveaus auf beiden Seiten des Atlantiks spielt dabei natürlich eine große Rolle. Wir glauben, dass am Markt derzeit die Erwartungen hinsichtlich der Zurückhaltung der Fed bei weiteren Zinssenkungen durchaus realistisch sind, aber möglicherweise nicht hinsichtlich des Ausmaßes der noch bevorstehenden Zinssenkungen der EZB. Aktuell entfernen sich die Zinsniveaus in den USA und in der Eurozone also nicht mehr durch die steigenden Zinsen in den USA voneinander, sondern durch die stärker sinkenden Zinsen in Europa. Das ist möglicherweise noch nicht hinreichend am Markt eingepreist. Wir gehen also von einer Fortsetzung der Stärke des Dollar aus. Allerdings rechnen wir nicht mit starken Bewegungen, weil der Dollar mit Blick auf die Fundamentaldaten und die historische Entwicklung relativ teuer ist.

Streifen wir kurz den weiten Bereich der alternativen Assets. Wo sehen Sie hier Gelegenheiten für Investoren?

Mit Blick auf die genannten Unsicherheiten und geopolitischen Risiken hatten wir es für möglich, dass die Entwicklungen von Assetklassen, Regionen, Sektoren etc. stärker voneinander abweichen als in der Vergangenheit. Das spricht unserer Meinung nach für Anlagemöglichkeiten in Hedgefonds-Strategien. Dafür spricht auch, dass wir bisher eine von niedriger Volatilität geprägte Welt verlassen. Die nun höhere Volatilität gibt ebenfalls Hedgefonds-Strategien größere Chancen. Mit Blick auf das zunehmende Sicherheitsbedürfnis ergeben sich ohne Zweifel auch Chancen im Bereich der Infrastruktur.

Wie wird sich Ihrer Meinung nach der Goldpreis entwickeln?

Eigentlich sollten die relativ hohen Zinsen in den USA für eine eher zurückhaltende Goldnachfrage sorgen. Auf der anderen Seite geht wie erwähnt die Inflation strukturell zurück. Hinzu kommt das Bedürfnis vieler Investoren, ihr Portfolio stärker zu diversifizieren. Es gibt also gegenläufige Entwicklungen, aber per saldo steigt der Goldpreis. Wir halten es daher absolut für möglich, dass der Goldpreis über die Marke von 3.000 Dollar je Feinunze klettert. Wir sind also für den Goldpreis neutral bis moderat positiv eingestellt.

Das Interview führte Dieter Kuckelkorn. Das vollständige Interview können Sie unter www.boersen-zeitung.de lesen.

Das Interview führte Dieter Kuckelkorn. Das vollständige Interview können Sie unter www.boersen-zeitung.de lesen.