„Politischer Fokus dürfte Blue Economy ankurbeln“
Von Alex Wehnert, Frankfurt
Innerhalb der Europäischen Union liegt der Fokus von Regulatoren und Investoren stark auf grünen Anlagen – doch für eine wachsende Zahl an Marktteilnehmern ist Blau die Farbe der Hoffnung. So sieht auch der Vermögensverwalter DNB Asset Management großes Potenzial in der sogenannten Blue Economy, also der nachhaltigen und umweltfreundlichen Nutzung von Meeresressourcen für ein ökonomisches Wachstum. „Zunächst war die Blue Economy bei der EU-Taxonomie außen vor – mittlerweile hat Brüssel die ökonomische Bedeutung des Themas aber erkannt“, sagt Isabelle Juillard Thompsen, Co-Portfoliomanagerin des DNB Fund – Future Waves. „Ein wichtiger Bereich ist die Fischzucht, die für die EU zu einem wachstumsstarken Exportsektor geworden ist.“
Wichtiger Arbeitgeber
Unter anderem deshalb sei zu erwarten, dass die Blue Economy Eingang in künftige Regulierungen finde und zum Beispiel auch in der sozialen Taxonomie berücksichtigt werde. Schließlich bildeten die Ozeane laut Berechnungen der OECD die global siebtgrößte Volkswirtschaft. Viele Arbeitsplätze, insbesondere in Schwellenländern, seien daher von der Blue Economy abhängig.
Diese sei somit ein globales Anlagethema, das in einzelnen Regionen unterschiedliche Aspekte aufweise. „In Skandinavien und den nordischen Ländern stehen dabei neue Technologien und Innovationen im Mittelpunkt, in den USA vor allem Infrastrukturfragen und in den Schwellenländern die Lebensmittelwirtschaft“, führt Juillard Thompsen aus. Das Bevölkerungswachstum in den Emerging Markets sorge für einen höheren Bedarf an Proteinen, die aus den Ozeanen gewonnen werden könnten.
Bedeutung für Pharma
Das Spektrum der blauen Anlagemöglichkeiten ist nicht nur geografisch, sondern auch nach Branchen weit. „Zunächst einmal beinhaltet die Blue Economy natürlich Sektoren wie die Fischerei und Schifffahrt, doch Meeresressourcen gewinnen auch für die Biotech- und Pharmaindustrie an Bedeutung“, sagt Juillard Thompsen. Zudem seien Hochseewindparks und schwimmende Solaranlagen in den Einflussbereich der Blue Economy zu zählen, womit diese auch vom Trend zu erneuerbaren Energien profitiere. „Bisher haben wir diesen Bereich im Fonds mit 5% eher niedrig allokiert, zum Beispiel über Turbinenhersteller oder Zulieferer für Leitungssysteme. Noch haben wir aber kaum in die Energieproduzenten selbst investiert, da wir abwarten wollen, wie sich das politische Rahmenwerk und regulatorische Risiko in den kommenden fünf Jahren entwickelt“, führt die Portfoliomanagerin aus.
In den USA droht das große Klima- und Sozialprojekt der Regierung um Präsident Joe Biden indes zu scheitern, worunter Aktien aus dem Segment der erneuerbaren Energien zuletzt deutlich gelitten haben. „Allerdings hat sich bereits in der vergangenen Legislaturperiode unter Donald Trump gezeigt, dass es trotz erschwerter Bedingungen auf föderaler Ebene große Energie-Infrastrukturprojekte in den Bundesstaaten geben kann“, betont Juillard Thompsen. So existierten bereits Offshore-Windanlagen vor der Küste New Jerseys, während Kalifornien ähnliche Projekte plane. Politische Unterstützung sei zwar definitiv hilfreich, um die Energiewende zu beschleunigen – allerdings habe die Transition ohnehin begonnen und werde von starken ökonomischen Kräften vorangetrieben.
Gelegenheiten in China
Auch China verfolge eine ambitionierte Agenda, um bis 2060 Klimaneutralität zu erreichen. „Dabei stehen chinesische Unternehmen zwar im Mittelpunkt, es dürften sich aber auch Gelegenheiten für ausländische Firmen ergeben – nicht nur im Bereich der erneuerbaren Energien, sondern zum Beispiel auch in der Wasseraufbereitung“, sagt die Anlageexpertin. So seien einige japanische Anbieter sowohl in China als auch in Korea stark positioniert und besäßen hohe Wachstumschancen. Zudem gebe es auch in Bezug auf die Entsalzung von Meerwasser kleinere US-Unternehmen, die von Amerikanern mit chinesischem Hintergrund geführt würden und aufgrund guter Kontakte an der Entwicklung in der Volksrepublik partizipieren könnten. Hinzu kämen Blue Chips aus den Vereinigten Staaten wie Xylem, die sich in diesem Bereich stark positioniert hätten.
„Wir verwenden also einen sehr breiten Ansatz, der auch Süßwasser und Wasserinfrastruktur mit einbezieht“, unterstreicht Juillard Thompsen. Denn 80% der Verschmutzung gelangten durch Flüsse und Wasserstraßen in die Ozeane. Das hätten Unternehmen aus verschiedenen Industrien als Gelegenheit begriffen und Technologien entwickelt, um die Verunreinigung zu reduzieren. „Die Kreislaufwirtschaft bietet große Chancen. Das gilt einerseits in Bezug auf Plastik, andererseits investieren wir auch in Unternehmen, die sich auf das Recycling von Textilien spezialisiert haben“, sagt die Fondslenkerin. Darunter sei zum Beispiel der finnische Anbieter Spinnova und die schwedische Renewcell, die zu den wenigen Produzenten von zu 100% recycelter Baumwolle gehöre. „Das Unternehmen wächst gerade, beliefert aber bereits große Bekleidungsketten wie H&M oder Inditex“, führt Juillard Thompsen aus.
Schifffahrt im Fokus
Ebenfalls interessant sei die Wertschöpfungskette in der Schifffahrt. Schließlich würde der Großteil des internationalen Handels noch immer über die See abgewickelt, der Container-Markt sei auch in Pandemiezeiten stark gewachsen. „Die Schifffahrt stellt weiterhin den effizientesten und günstigsten Weg dar, um Güter rund um den Globus zu verfrachten“, sagt die Fondslenkerin. Nun seien Schritte zur Dekarbonisierung der Industrie nötig. Dies beinhalte die Aufbereitung von Abwasser, das auf Schiffen entstehe, sowie auch die Hafeninfrastruktur und die Entwicklung grüner Kraftstoffe. Der finnische Konzern Wärtsilä beispielsweise produziere Schiffsmotoren, die mit Biotreibstoffen kompatibel seien. „Auch die Entwicklung in Bezug auf andere Energieträger wie grünen Wasserstoff und grünes Ammoniak beobachten wir genau“, sagt Juillard Thompsen.
Inzwischen haben auch andere Assetmanager die Wachstumsaussichten der Blue Economy erkannt. „Das Investoreninteresse fällt im Verhältnis zum Potenzial des Investmentthemas aber noch gering aus“, sagt Juillard Thompsen. So setzten erst 21% der Impact-Investoren, die wiederum nur einen kleinen Teil des Gesamtmarkts repräsentierten, auf die Meereswirtschaft. Institutionen wie Entwicklungsbanken seien auf diesem Gebiet indes schon aktiver. „Der steigende politische Fokus und regulatorische Veränderungen dürften Investitionen in die Blue Economy künftig stärker ankurbeln“, prognostiziert die Portfoliomanagerin.