Über dem Stand vor Kriegsausbruch
x Von Werner Rüppel, Frankfurt
Wer hätte das noch vor wenigen Monaten für möglich gehalten? Mit 15534 Punkten steht der deutsche Leitindex Dax inzwischen 6,2% über dem Niveau vor Jahresfrist als, exakt am 24. Februar 2022, Russland in die Ukraine einmarschierte. Tags zuvor hatte der Dax mit 14631 Zählern geschlossen. Doch mit Kriegsbeginn ging es für das deutsche Börsenbarometer steil abwärts. Gleichzeitig schnellten die Energiepreise steil nach oben. Hierzulande kamen Ängste auf, dass die Gasversorgung im Winter nicht mehr gewährleistet werden könne, war doch die Abhängigkeit von russischem Gas in Deutschland hoch. Die Inflationsrate stieg in zuletzt nie gekannte Höhen, so dass die Notenbanken mit Leitzinserhöhungen reagieren mussten. Sorgen vor einer schweren Rezession machten sich breit und der Dax fiel bis auf ein Tief von 11976 Punkten am 29. September.
Insgesamt war dann 2022 ein extrem schlechtes Jahr für Anleger, sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen. Da hilft dann auch kein gemischtes Portfolio aus Equities und Fixed Income, wenn beide Assetklassen in die Knie gehen. Doch warum hat der Dax seit seinem Tief im September satte 29,7% und in diesem Jahr 11,6% zugelegt? Das beruht auf guten Gründen. Die Energiepreise sind nicht weiter angestiegen, sondern haben sich sogar deutlich ermäßigt. So liegt der Preis für Öl der Sorte Brent mit rund 85 Dollar je Barrel sogar klar unter dem Niveau vor Jahresfrist von 94 Dollar je Barrel. Auch der an der Terminbörse gehandelte Gaspreis hat sich nach einem massiven Anstieg seit Kriegsbeginn inzwischen merklich ermäßigt und liegt inzwischen sogar unter dem Vorkriegsniveau (vergleiche Charts). Teurer geworden ist Energie hingegen vor allem für die Verbraucher hierzulande, die zudem auch unter dem massiven Anstieg der Teuerungsrate leiden. Dies trifft vor allem die ärmeren Bevölkerungsgruppen.
Hinzu kommt, dass die vielfach befürchtetet schwere Rezession ausgeblieben ist. Die Fundamentals und auch die Erwartungen haben sich insgesamt also merklich gebessert. „Die Gasspeicher leeren sich und sind derzeit zu 72% gefüllt. Allerdings erschreckt dies nicht mehr Politik und Wirtschaft. Eine Gasmangellage in diesem Winter ist unwahrscheinlich geworden, denn in wenigen Wochen kehrt der Frühling ein und bis dahin reichen die Bestände“, sagt denn auch Gertrud R. Traud, die Chefvolkswirtin der Helaba. „Bessere Perspektiven gibt es derzeit nicht nur beim Wetter. Zahlreiche Konjunkturindikatoren haben die Trendwende vollzogen und eine Aufwärtsbewegung im Laufe des Jahres 2023 zeichnet sich ab.“
Gewinne steigen
Wie sich die Gewinne der Dax-Unternehmen im vergangenen Jahr entwickelt haben, steht noch nicht ganz fest, wir befinden uns noch mitten in der Berichtssaison. Einen massiven Einbruch, so viel ist klar, wird es aber nicht geben. Und mit besseren Konjunkturdaten dürften die Gewinne der Dax-Werte für das Jahr 2023 und vor allem für 2024 ansteigen. Dass es den Unternehmen wieder besser geht, zeigen auch die Dividendenprognosen. Die Dax-Konzerne haben im vergangenen Jahr so viel Geld verdient wie noch nie, meinen zumindest die Analysten von LBBW und DekaBank. Und dank der steigenden Gewinne werden die führenden deutschen Unternehmen 2023 mit rund 55 Mrd. Euro eine so hohe Dividendensumme ausschütten wie noch nie zuvor. Dabei werden, so die Prognosen, die meisten Dax-Titel ihre Dividende erhöhen. Und für das kommende Jahr werden dann noch höhere Ausschüttungen erwartet.
Der Dax ist übrigens ein Performanceindex, in den die Dividenden mit einfließen. Dies gibt dem Börsenbarometer vor allem in der Dividendensaison, die jetzt ansteht, Auftrieb. Hinzu kommt, dass der Dax aktuell keinesfalls hoch bewertet ist. Nach den Berechnungen der LBBW liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis des Dax gerade einmal bei 12,5. Damit ist der Dax wesentlich preiswerter als zum Beispiel der US-Aktienmarkt bewertet. Und die Dividendenrendite des Dax beträgt auf Basis der in diesem Jahr erwarteten Ausschüttungen laut LBBW satte 3,14%.
Straffungen gehen zu Ende
Nach den deutlichen Gewinnen des Dax im bisherigen Jahresverlauf sind viele Marktteilnehmer eher skeptisch und erwarten zwischenzeitliche Rückschläge für das Börsenbarometer. Vor allem weil die EZB und die Fed weiter straffen werden. „Die Notenbanken signalisieren, dass ihnen die Trendwende bei den Inflationsraten nicht ausreicht, um den Zinserhöhungszyklus zu beenden“, sagt Traud. „Dies belastet in den nächsten Wochen weiterhin die Rentenmärkte. Die Aktienmärkte fokussieren hingegen – insbesondere in Europa – auf die zu erwartende Konjunkturerholung.“
Doch auch wenn die Notenbanken zunächst einmal weiter straffen, so ist wahrscheinlich, dass die Zinserhöhungen in diesem Jahr ein Ende haben. Danach dürften dann Zinssenkungen folgen. Dies ist ein Szenario, das zusammen mit steigenden Unternehmensgewinnen den Dax weiter nach oben treiben sollte. „Wir haben den Verlauf unserer Aktienprognosen angepasst und erwarten nunmehr im Laufe des Jahres historische Höchststände“, erklärt Traud. „Das Jahresendziel von 16000 Punkten beim Dax bleibt jedoch bestehen.“