VÖB-Experten erwarten Rezession
kjo Frankfurt
In ökonomischer Hinsicht läuft es derzeit auf globaler Ebene nicht gerade rund. Diese Ansicht vertritt aktuell der Internationale Währungsfonds (IWF). Ursachen seien die hohen Inflationsraten, Energieknappheit, der weltweite Zinsanstieg, die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine, heißt es hierzu.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen erwarten die Kapitalmarktexperten des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) – hierzu zählen Vertreter der Häuser BayernLB, DekaBank, DZ Bank, Helaba, Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und der Nord/LB – für das vierte Quartal eine Entwicklung des deutschen Bruttoinlandsprodukts in einer Spanne von −1,1% bis −0,3%, also eine rückläufige Konjunkturtätigkeit. Für das Gesamtjahr 2022 bewegen sich die Prognosen der Experten in einer Spanne von 1,1% bis 1,6%, für den Euroraum in einer Bandbreite von 2,6% bis 3,2%. Für das Jahr 2023 liegt die Prognosespanne zwischen −1,9% und −0,6% für Deutschland und zwischen −1% und 0,2% für den Euroraum.
Der konjunkturelle Ausblick habe sich eindeutig eingetrübt: Die Rücklagen aus Zeiten der Corona-Lockdowns seien weitgehend aufgebraucht, die Kaufkraftverluste der privaten Haushalte würden immer offensichtlicher und die Straffung der Finanzierungskonditionen zeige Wirkung. „In Deutschland bleibt die Inflation nach wie vor hoch und der starke Handlungsdruck für die EZB bestehen. In Deutschland gilt es, eine Gasmangellage und Rationierungen bei der Energieversorgung im Winter zu vermeiden“, so die Meinung der VÖB-Experten. „Wir prognostizieren weiterhin eine zweistellige Inflationsrate für Herbst/Winter 2022, und auch 2023 wird diese sehr hoch bleiben“, führen sie fort.
Wichtiger Treiber
In Europa würden die Energiepreise ein wichtiger Treiber der Inflation bleiben. Weitere Leitzinserhöhungen erwarten die Experten für Oktober und Dezember 2022 und auch im kommenden Jahr. Zahlreiche Regierungen würden planen, die Belastungen für die Verbraucher durch staatliche Hilfspakete einzudämmen. „Potenziell können diese den Preisdruck dämpfen und die Rezession abmildern. Jedoch ist eine Rezession unumgänglich – wahrscheinlich im ersten Halbjahr 2023“, so die Prognose der Experten. So werden in der Zweimonatsbetrachtung für Deutschland hohe Teuerungsraten in einer Spanne von 9,1% bis 11% für wahrscheinlich gehalten. Bei dann nur leicht sinkender Tendenz sehen die Experten die Teuerung im Sechsmonatszeitraum in einer Spanne von 6,8% bis 9,8% und erst zum Ende der Zwölfmonatsbetrachtung auf einem vergleichsweise niedrigeren Niveau von 4,2% bis 6,5%.
An den Staatsanleihemärkten seien die Volatilitäten zuletzt nochmals gestiegen und würden sich auf sehr hohen Niveaus bewegen. Entscheidender Treiber der Renditen seien in den vergangenen Wochen die aufwärts gerichteten Zinserwartungen gewesen, die zu höheren Realrenditen geführt hätten. Das aktuelle Inflationsumfeld halte die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank Fed noch eindeutig unter Zugzwang. Das gestiegene Zinsniveau scheine zunehmend zu einem Problem für potenzielle Immobilienkäufer zu werden. Die VÖB-Kapitalmarktexperten rechnen damit, dass sich die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen über der 2-Prozent-Marke und zehnjähriger US-Treasuries zunächst bei hoher Volatilität nahe an der 4-Prozent-Marke einpendeln werden.
Abflauende Dynamik
Auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten erwartet die BayernLB, dass die spürbare Konjunkturabschwächung beiderseits des Atlantiks und eine langsam abflauende Inflationsdynamik die Renditen bei langen Laufzeiten moderat dämpfen wird. Die Bund-Zinskurve dürfte sich ihrer Einschätzung nach dabei weiter verflachen, im Bereich von drei Monaten bis zehn Jahren Laufzeit sei mit einer deutlichen Inversion der Zinskurve zu rechnen.
LBBW ist skeptisch
„Die Entwicklung der zehnjährigen Bundrendite war in den zurückliegenden vier Wochen von beachtlicher Volatilität geprägt. Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass die zehnjährige Bundrendite auf kurze Sicht noch etwas höher tendiert, zeigen wir uns skeptisch, dass diese auf Sicht von drei Monaten auf anhaltend hohem Niveau verbleibt“, meint Thomas Meißner von der LBBW. So sollten die Rentenmarktakteure seiner Ansicht nach nicht dauerhaft ausblenden können, dass die europäische Wirtschaft in eine ausgeprägte Rezession abrutscht. „Der perspektivisch nachlassende Teuerungsdruck spricht unserer Einschätzung nach ebenfalls für eine niedrigere zehnjährige Bundrendite“, so Meißner. Er geht davon aus, dass die Bund-Kurve im Bereich zwischen zwei und zehn Jahren ausgehend vom kurzen Ende deutlich invertieren wird.
Für Meißner stellt sich an den Finanzmärkten die Frage, wie lange die Notenbanken noch an der Zinsschraube drehen werden. „Derzeit bringen die Währungshüter klar zum Ausdruck, den Zinserhöhungskurs weiter entschlossen fortzuführen. Ein geldpolitisches Überschießen der Notenbanken kann im von hoher Unsicherheit geprägten Marktumfeld nicht ausgeschlossen werden“, so der Experte. Den Währungshütern dürfte seiner Meinung nach aber auch bewusst sein, dass die bisherigen Leitzinserhöhungen erst nach und nach ihre bremsende Wirkung auf die Realwirtschaft und die Inflation entfalten werden. Die EZB werde im Oktober eine weitere Zinsanhebung von 75 Basispunkten vornehmen. „Jegliches Zögern könnte der Markt als Mangel an Entschlossenheit interpretieren, was zu höheren Inflationserwartungen und schwächeren Euro-Notierungen führen dürfte“, so Meißner.
Prognosen der VÖB-Kapitalmarktexperten | ||||
Rendite 10-j. Bundesanleihe | Euro/Dollar | |||
Institut | in 2 Monaten | in 6 Monaten | in 12 Monaten | in 6 Monaten |
Aktuell: 2,34 | 0,9785 | |||
BayernLB | 2,30 | 2,20 | 2,00 | 1,04 |
DekaBank | 2,36 | 2,50 | 2,40 | 0,99 |
DZ Bank | 2,00 | 2,10 | 2,30 | 1,00 |
Helaba | 2,00 | 2,30 | 2,30 | 1,05 |
LBBW | 2,20 | 2,50 | 2,10 | 0,90 |
Nord/LB | 2,40 | 2,50 | 2,40 | 1,03 |
Durchschnitt | 2,21 | 2,35 | 2,25 | 1,00 |
Quelle: VÖB; Renditen in Prozent, Euro in DollarBörsen-Zeitung |