Bund macht weiter hohe Schulden
wf Berlin
Deutlich mehr Ausgaben als im Regierungsentwurf anvisiert gestehen die Haushälter der Ampel der Bundesregierung im nächsten Jahr im Kernhaushalt zu. Statt der ursprünglich geplanten 445,2 Mrd. Euro darf der Bund nun 31,0 Mrd. Euro mehr ausgeben. Dies beschloss der Haushaltsausschuss in der sogenannten Bereinigungssitzung für den Etat 2023. „Der Ampel gelingt mit diesem Haushalt die schwierige Balance aus Investitionen in die Zukunft und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt unseres Landes auf der einen Seite und der haushaltspolitischen Vernunft innerhalb der Schuldenbremse auf der anderen Seite“, erklärten die haushaltspolischen Sprecher der Ampel-Koalition, Dennis Rohde (SPD), Sven-Christian Kindler (Grüne) und Otto Fricke (FDP). Dies sei angesichts einer Verzehnfachung der Zinsausgaben seit den vergangenen zwei Jahren unvermeidbar. 2021 hatte der Bund nur 4 Mrd. Euro für Zinsen ausgegeben, nun plant er für 2023 mit 40 Mrd. Euro – 10 Mrd. Euro mehr als im Regierungsentwurf. Korrigiert wurde vor allem das Disagio auf Bundesanleihen.
Neben dem Kernhaushalt
Ursprünglich sollten die Ausgaben gegenüber diesem Jahr, in dem die Schuldenbremse noch ausgesetzt ist, um 10,2% zurückgehen. Tatsächlich soll das Ausgabevolumen nun nur um 3,9% sinken. Außen vor sind dabei die Hilfsmaßnahmen für die Energiepreisekrise aus dem 200 Mrd. Euro schweren, kreditfinanzierten Wirtschaftsstabilisierungsfonds, einem Sondervermögen des Bunds neben dem Kernhaushalt. Daraus dürften 2023 rund 120 Mrd. Euro fließen. Hinzu kommen rund 60 Mrd. Euro Ausgaben auf Pump aus dem Energie- und Klimafonds, auch ein Sondervermögen des Bundes, für die Transformation in der Klimawende. Die Kreditermächtigungen hatte die Ampel-Regierung kurz nach Amtsantritt noch für das Jahr 2021 verbucht.
Finanziert werden die zusätzlichen Ausgaben im Kernhaushalt über neue Schulden. Bei den Steuereinnahmen kommt der Bund nach der Steuerschätzung von Ende Oktober mit 358,1 Mrd. Euro auf 4,1 Mrd. Euro weniger, als das Bundeskabinett noch in den Regierungsentwurf einkalkuliert hatte. Dies ist eine Folge des Konjunktureinbruchs. Die Nettokreditaufnahme fällt nach dem Beschluss der Haushälter im kommenden Jahr um 28,4 Mrd. Euro höher aus und darf 45,6 Mrd. Euro erreichen. Im Sommer hatte die Regierung noch 17,2 Mrd. Euro für 2023 geplant. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kann formal gleichwohl die Schuldenbremse wieder einhalten, wie er es für das kommende Jahr versprochen hat. Wegen der schwachen Verfassung der Wirtschaft gibt die Konjunkturkomponente aber mehr Verschuldungsspielraum, den die Ampel nun voll ausschöpft. Der Bundeskredit von 10 Mrd. Euro für den Start der Aktienrente gilt als finanzielle Transaktion und wirkt neutral auf die Schuldenbremse. Lindner betonte, die krisenbedingten Ausgaben würden vom regulären Bundeshaushalt getrennt. Die Schuldenbremse werde trotz hoher Investitionen und Entlastungen für die Bürger eingehalten. „Das Ergebnis lässt sich sehen“, sagte Lindner in Berlin.
Spielraum voll genutzt
Die CDU/CSU im Bundestag zeigte sich konsterniert über die Ausgabefreudigkeit der Ampel. Die Koalition habe „jeglichen Spielraum“ der Schuldenbremse genutzt, kritisierte deren haushaltspolitischer Sprecher, Christian Haase (CDU). Er monierte besonders den Aufbau von 5000 neuen Stellen in der Bundesverwaltung. Daraus folgten dauerhafte Ausgaben. Für die Linke wandte sich deren Haushaltsexpertin Gesine Lötzsch gegen den Versuch des Finanzministeriums, unter der Hand alle Haushaltssperren für Ausgaben aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds zu streichen. Dies drehten die Haushälter aller Fraktionen jedoch zurück: Lindner muss sich die Krisenausgaben vom Ausschuss freigeben lassen.
Mehr Geld als ursprünglich geplant bewilligten die Haushälter für das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium – jeweils knapp 1 Mrd. Euro für den weltweiten Kampf gegen Hunger, humanitäre Hilfe und zivile Krisenprävention. Gestärkt wird zudem die Schiene mit 1,5 Mrd. Euro zusätzlich, davon mit 500 Mill. Euro im nächsten Jahr.
Beschluss Haushaltsausschuss zum Etat 2023 | ||
in Mill. Euro | ||
I. Ausgaben | ||
• Entwurf | 445 221 | |
Steigerung (in Prozent ggü. Soll 2022) | −10,2 | |
• Veränderung | 31 069 | |
• Ausgaben neu | 476 291 | |
Steigerung (in Prozent ggü. Soll 2022) −3,9 | ||
Investitionen | ||
• Entwurf | 58 377 | |
• Veränderung | 13 098 | |
Investitionen neu | 71 475 | |
II. Einnahmen | ||
1. Steuereinnahmen | ||
• Entwurf | 362 274 | |
• Veränderung | −4 148 | |
Steuereinnahmen neu | 358 126 | |
2. Sonstige Einnahmen | ||
• Entwurf | 65 699 | |
• Veränderung | 6 855 | |
Sonstige Einnahmen neu | 72 554 | |
3. Nettokreditaufnahme | ||
• Entwurf | 17 248 | |
• Veränderung | 28 362 | |
Nettokreditaufnahme neu | 45 610 | |
4. Nach der Schuldenregel maximal zulässige Nettokreditaufnahme | ||
• Maximal zulässige strukturelle Nettokreditaufnahme | 12 606 | |
• Abzüglich Konjunkturkomponente | −15 343 | |
• Abzüglich Saldo der finanziellen Transaktionen | −17 667 | |
• Maximal zulässige Nettokreditaufnahme | 45 616 | |
Differenzen durch Rundung möglichBörsen-Zeitung |