Inflation bremst deutsche Wirtschaft
ba Frankfurt
Für die deutsche Wirtschaft war das Jahresende doch nicht so versöhnlich wie zunächst gedacht: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist vor allem wegen der wenig kauffreudigen Verbraucher im vierten Quartal um 0,4% geschrumpft. Der Rückgang fiel damit doppelt so hoch aus wie zunächst mit −0,2% gemeldet, wobei die erste Prognose des Statistischen Bundesamts (Destatis) noch auf eine Stagnation hoffen ließ. Ökonomen zeigten sich dementsprechend enttäuscht und planen eine technische Rezession – also zwei Quartale mit schrumpfendem BIP in Folge – für das Winterhalbjahr wieder fest ein.
„Welch Schäden Inflation anrichten kann, zeigen die BIP-Details“, fasst Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, zusammen. Der private Konsum, sonst eine zuverlässige Wachstumsstütze, ist vor dem Hintergrund der hohen Teuerung und der kräftig gestiegenen Energiekosten um preis-, saison- und kalenderbereinigt 1,0% niedriger als im Vorquartal ausgefallen. Die Wiesbadener Statistiker führen die Zurückhaltung auch auf den Wegfall von Vergünstigungen wie Tankrabatt und 9-Euro-Ticket zurück. Im dritten Quartal hatten die privaten Haushalte ihren Konsum noch um 0,7% gesteigert.
Sorgenkind Bau
Zudem wurde wohl auch wegen der globalen Unsicherheiten weniger investiert als im Vorquartal: Bei den Ausrüstungen – also vor allem in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge – verzeichnete Destatis ein Minus von 3,6%. Die Bauinvestitionen nahmen wie schon in den beiden vorangegangenen Quartalen ab, und zwar um 2,9%. Hier zeigen sich nicht nur die hohen Baupreise, sondern auch die Folgen der Zinswende der Europäischen Zentralbank: in Form von kräftig gestiegenen Finanzierungskosten. Die jahrelang boomende Baubranche hat daher immer stärker mit Stornierungen von Bauvorhaben und geringer werdenden Neuaufträgen zu kämpfen. Im Gesamtjahr 2022 etwa hat das Bauhauptgewerbe zwar zu aktuellen Preisen ein Auftragsplus von 4,8% im Jahresvergleich erzielt – real, also preisbereinigt ergibt sich laut Destatis allerdings ein Auftragsrückgang um 9,6%.
„Die Nettoexporte, der Staatsverbrauch und ein großer Lageraufbau verhinderten, dass die Wirtschaft in eine tiefere Kontraktion geriet“, kommentierte ING-Chefökonom Carsten Brzeski. Die Konsumausgaben des Staates stiegen zum Vorquartal um 0,6%. Die Exporte von Waren und Dienstleistungen lagen um insgesamt 1,0% unter dem Niveau des Vorquartals. Das Minus wurde „rein rechnerisch durch einen noch stärkeren Rückgang der Importe ausgeglichen (der aber auch kein gutes Zeichen ist)“, betonte Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen mit Blick auf die um 1,3% gesunkenen Importe. Neben den weiter gestörten Lieferketten zeigen sich hier für die Wiesbadener Statistiker „vor allem die hohen Preise für Energie, die sich unter anderem im schwächeren Handel mit chemischen Produkten bemerkbar machten“.
Unter den Wirtschaftsbereichen waren denn auch die Dienstleister die einzigen, die ihre Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Vorjahr steigern konnten. Im Baugewerbe sank die preisbereinigte Bruttowertschöpfung um 6,2%, wozu neben dem Material- und Fachkräftemangel auch die kalte Witterung im Dezember beigetragen hatte, wie es beim Statistischen Bundesamt hieß. Das verarbeitende Gewerbe verzeichnete ein Minus von 1,1%. Dafür sorgten „vor allem Produktionseinbußen in jenen Industriezweigen, die besonders unter den stark gestiegenen Energiepreisen zu leiden hatten“.
Erbracht wurde die Wirtschaftsleistung zum Jahresende von rund 45,9 Millionen Erwerbstätigen mit Arbeitsort in Deutschland – ein neuer Rekordstand und 1,1% mehr als ein Jahr zuvor. Wegen Kalendereffekten und eines höheren Krankenstands wurden allerdings 1,5% weniger Arbeitsstunden je Erwerbstätiger geleistet als im vierten Quartal 2021.