Konjunkturtableau

Winter­­rezession gilt als gesetzt

Die deutsche Wirtschaft steckt mitten in einer technischen Rezession und die Aufholbewegung ab dem Frühjahr dürfte nur mager ausfallen, wie das aktuelle Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung zeigt.

Winter­­rezession gilt als gesetzt

Von Alexandra Baude, Frankfurt

Nach dem doch schwächer als erwartet ausgefallenen vierten Quartal sind sich Ökonomen einig: Die deutsche Wirtschaft kommt um eine technische Rezession im Winterhalbjahr nicht herum – und auch im laufenden Jahr sind keine großen Sprünge zu erwarten. Die konjunkturellen Aussichten stellen sich allerdings als erheblich besser dar als zuletzt noch befürchtet: Allenthalben herrscht große Erleichterung, dass eine Gasmangellage ausgeblieben ist. Die Herausforderungen bleiben aber groß, obwohl der Höhepunkt bei der Inflation überschritten scheint, die Lieferkettenprobleme sich sukzessive auflösen und die Stimmung der Unternehmen und Verbraucher zuletzt besser geworden ist. Dieses durchwachsene Konjunkturbild zeigt sich auch im aktuellen Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

Für ZEW-Experte Michael Schröder ist nach dem Minus von 0,4% des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Schlussabschnitt 2022 eine sogenannte technische Rezession sehr wahrscheinlich. „Technisch bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das reale BIP in (mindestens) zwei aufeinanderfolgenden Quartalen gegenüber dem Vorquartal schrumpft, dass aber die negativen Auswirkungen für die gesamte Wirtschaft relativ gering ausfallen“, erklärt Schröder. So solle sich entsprechend den aktuellen Prognosen im Konjunkturtableau die Arbeitslosigkeit 2023 trotz erwarteter negativer BIP-Entwicklung auf einem Niveau von 5,5% bewegen – also nur unwesentlich höher als die 5,3% im vergangenen Jahr (siehe Tabelle). Für 2024 wird bereits wieder ein Rückgang auf 5,2% prognostiziert.

Belege für die anhaltende Robustheit des Arbeitsmarktes sind die entsprechenden Frühindikatoren der Bundesagentur für Arbeit (BA), des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie des Ifo-Instituts. Der Stellenindex BA-X der BA etwa stagnierte im Februar bei 127 Punkten. Die Arbeitskräftenachfrage habe zwar seit Frühsommer 2022 tendenziell leicht nachgelassen, liege „aber vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten weiter auf einem vergleichsweise hohen Niveau“, teilte die Nürnberger Behörde am Dienstag mit. In fast allen Branchen werde mehr Personal gesucht als im Vormonat. Das IAB-Barometer festigte im Februar den Aufwärtstrend und zeigt damit, dass „sich die Arbeitsmarktaussichten weiter aufhellen“, wie IAB-Experte Enzo Weber betonte. Und auch wenn das Ifo-Beschäftigungsbarometer im Februar leicht nachgegeben hat, erwartet Klaus Wohlrabe vom Ifo-Institut, dass Unternehmen angesichts des Fachkräftemangels „in vielen Branchen weiterhin auf Personalsuche bleiben“.

Auch wenn der Anstieg der Arbeitslosigkeit den Experten zufolge nur gering ausfallen dürfte, wird 2023 wohl vor allem der private Konsum für das schwache Wirtschaftswachstum verantwortlich sein. „Dabei dürfte sich vor allem der durch die relativ hohe Inflationsrate bedingte deutliche Reallohnrückgang negativ bemerkbar machen“, erwartet Schröder. Der private Konsum ist normalerweise eine zuverlässige Wachstumsstütze. Aber auch die Anlageinvestitionen dürften im laufenden Jahr schwächer ausfallen. Im Konjunkturtableau steht die Medianprognose nun bei „nur noch“ −0,3% für das Gesamtjahr 2023 nach −0,5% im vergangenen Monat, wie Schröder erklärt. Damit sind die Auguren etwas optimistischer als die Bundesbank, die ihre Wachstumserwartung im Dezember von 2,4% auf −0,5% gekappt hatte – aber pessimistischer als die Bundesregierung, die ebenso wie die EU-Kommission ein BIP-Plus der größten Euro-Volkswirtschaft von 0,2% erwartet. Für 2024 wiederum steht die Medianprognose unverändert bei 1,4%.

In Bezug auf die Inflationsentwicklung hierzulande sind die Prognosen trotz einer aktuell noch sehr hohen Inflationsrate von 8,7% etwas optimistischer geworden. Im Vormonat lag die Medianprognose für 2023 bei 7,0%, nun sind es 6,2%. Auch für das nächste Jahr ist die Inflationsprognose mit 3,0% geringer als noch vor einem Monat (3,6%). Auf die erwartete Geldpolitik scheint dies laut Schröder „derzeit noch keinen Einfluss zu haben“. Ausgehend von den momentan 3,0% bei der Hauptrefinanzierungsfazilität der Europäischen Zentralbank (EZB) erwarten die Experten eine durchschnittliche 3-Monats-Rate von 3,1% in diesem Jahr. Im nächsten Jahr soll sie nur wenig geringer sein und bei 2,8% im Jahresdurchschnitt liegen.

Mit Blick auf den gemeinsamen Währungsraum zeigten sich die Experten etwas zuversichtlicher: Die Medianprognose blieb mit 0,2% für 2023 unverändert. Für das kommende Jahr werden nun 1,5% erwartet, im vorherigen Konjunkturtableau waren es 1,2%. „Eine Rezession im Eurogebiet wird nach den vorliegenden Prognosen vermutlich nicht eintreten“, so Schröder.

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