Geldpolitik

Auf diese drei Faktoren kommt es bei der Fed 2023 an

Die US-Notenbank wird ihren Zinserhöhungszyklus 2023 wahrscheinlich pausieren. Mindestens drei Faktoren werden darüber entscheiden, an welchem Zeitpunkt und auf welchem Zinsniveau die Zinspause erfolgen wird.

Auf diese drei Faktoren kommt es bei der Fed 2023 an

Ein turbulentes und für die meisten Anleger auch schmerzhaftes Jahr an den globalen Finanzmärkten geht zu Ende. Ausschlaggebend für die Turbulenzen waren insbesondere die Entscheidungen der Fed und anderer wichtiger Zentralbanken, abrupte und korrelierte (wenn auch nicht koordinierte) geldpolitische Kurskorrekturen vorzunehmen. Mit diesem Vorgehen wollten sie der steilen und beunruhigend hartnäckigen Inflationskurve zuvorkommen, die auch weiterhin in den Preis- und Lohndaten sichtbar ist.

Laut der Zusammenfassung der Wirtschaftsprognosen der Fed vom Dezember gehen viele Mitglieder des Fed-Offenmarktausschusses (FOMC) davon aus, dass die Obergrenze des Leitzinskorridors im nächsten Jahr bei 5,25% liegen könnte. Ob ein projizierter Leitzins von 5,25% ausreicht, um die Preisstabilität wiederherzustellen, wird von mindestens drei Faktoren ab­hängen.

Hawkisher Schwenk

Der Kurswechsel der Fed begann auf der FOMC-Sitzung im November 2021. Dort kündigte sie an, dass das Programm zur quantitativen Lockerung (QE) reduziert und früher als erwartet beendet werden würde. Der Paradigmenwechsel wurde im März dieses Jahres mit einer ersten Anhebung des Leitzinses um 25 Basispunkte (BP) fortgesetzt. Es folgten eine Anhebung um 50 BP im Mai und die Einführung eines Programms zur quantitativen Straffung (QT), das im Sommer beginnen sollte. Im Juni erfolgte eine Anhebung um 75 BP, die dann auf drei weiteren FOMC-Sitzungen wiederholt wurde. Auf der Dezember-Sitzung konnten wir einen verringerten Zinsschritt von 50 BP beobachten, „um die kumulative Straffung der Geldpolitik [und] die Verzögerungen, mit denen sich die Geldpolitik auf Wirtschaftstätigkeit und Inflation auswirkt, zu berücksichtigen“, so der Ausschuss.

Diese kumulative Erhöhung des Leitzinses um 425 Basispunkte in einem Zeitraum von nur neun Monaten stellt den aggressivsten Zinserhöhungszyklus der Fed seit mehr als 40 Jahren dar. Die Zinserhöhungen haben zusammen mit dem QT-Programm und den Ankündigungen des Ausschusses über die erwartete künftige Entwicklung des Leitzinses zu einer erheblichen Verschärfung der finanziellen Bedingungen geführt: Die nominalen und inflationsbereinigten Anleiherenditen haben ein Niveau erreicht, das seit 15 Jahren nicht mehr gesehen wurde. Gleichzeitig haben sich die Break-even-Inflationsraten für die nächsten fünf Jahre im Allgemeinen auf einem Niveau stabilisiert, das mit dem Inflationsziel der Fed von 2% im Einklang steht. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass viele Anleger zumindest auf längere Sicht mit einer Eindämmung der US-Inflation rechnen. Der jüngste Ausblick des FOMC, der im Dezember veröffentlicht wurde, deutet in eine ähnliche Richtung. Viele Ausschussmitglieder sind der Ansicht, dass es nach mehreren weiteren Zinserhöhungen auf den ersten Sitzungen im Jahr 2023 möglich sein wird, eine Pause einzulegen. Dort könnte neu bewertet werden, ob der geldpolitische Kurs, wenn er beibehalten wird, die finanziellen Bedingungen ausreichend gestrafft hat, um die Gesamtnachfrage wieder mit dem verfügbaren Gesamtangebot in Einklang zu bringen. Ein solches Gleichgewicht würde die Rückkehr der Inflation zum langfristigen Ziel der Fed von 2% über ihren Prognosehorizont erleichtern.

Drei Schlüsselthemen

Mindestens drei Faktoren werden ausschlaggebend dafür sein, ob der in den Dezember-Konjunkturpro­gnosen der Fed angedeutete Leitzins von 5,25% ausreichen wird, um die Preisstabilität in den USA wiederherzustellen. Der erste Faktor ist das Risiko einer Diskrepanz zwischen den Prognosen der Fed und den tatsächlichen finanziellen Bedingungen. Mehrmals im Jahr 2022 – insbesondere im Anschluss an die Juli-Sitzung – haben sich die finanziellen Bedingungen tatsächlich eine Zeit lang entspannt. Die Anleger zweifelten daran, dass die Fed den Leitzins wirklich in den restriktiven Bereich drücken würde, oder zumindest daran, dass sie den Leitzins sehr lange im restriktiven Bereich halten würde. Diese Zweifel adressierte Fed-Chef Jerome Powell am 30. November: „Wir wollen die Zinsen nicht zu stark anziehen, da wir nicht damit rechnen, rasch zu einer Lockerung des Zinsniveaus überzugehen.“ Sollten sich die finanziellen Bedingungen entspannen, weil die Märkte rasche Zinssenkungen einpreisen, könnte ein Spitzen-Leitzins von 5,25% nicht ausreichen, um die Inflation auf einen Pfad zu bringen, der sie langfristig auf 2% zurückführt.

Ein zweiter entscheidender Faktor bei der Festlegung des Höchstsatzes der Fed Funds Rate in diesem Zyklus ist die erforderliche Höhe des Leitzinses, um die erwarteten Realzinsen in den restriktiven Bereich zu drücken. Gemäß der Wirtschaftsprojektionen vom Dezember erwartet der Ausschuss weiterhin, dass der langfristige neutrale Realzins bei etwa 0,5% liegt. Gleichzeitig liegt die aktuelle Rendite von fünfjährigen inflationsgeschützten Staatsanleihen (TIPS) bei etwa 1,4%. Nach diesem marktbasierten Maßstab liegen die fünfjährigen Realzinsen jetzt also über dem von der Fed geschätzten neutralen Wert. Die Fed sieht in dieser Marktbewertung wahrscheinlich ein Anzeichen dafür, dass sich ihre Politik im restriktiven Bereich bewegt. Diese Positionierung ist notwendig, um das Wachstum der Gesamtnachfrage zu verlangsamen und schließlich Ab­wärtsdruck auf die Inflation auszuüben. Allgemein gesprochen hat das Zusammenspiel aus Zinserhöhungen, Forward Guidance und QT die finanziellen Bedingungen verschärft. Wahrscheinlich wird die Fed versuchen, ihr Zinsziel im Kontext der breiteren finanziellen Bedingungen und nicht nur unter Bezugnahme auf ihre aktuelle Schätzung des neutralen Realzinssatzes zu kalibrieren.

Der dritte Faktor für die Bestimmung des Zeitpunkts und des Niveaus, auf dem der Zinserhöhungszyklus seinen Höhepunkt erreicht, ist der notwendige Anstieg der Arbeitslosigkeit in den USA. Dieser wird erforderlich sein, um den Kostendruck auf dem Arbeitsmarkt zu mindern. Dort liegt die Lohninflation (ohne Berücksichtigung der zugrunde liegenden Produktivität) deutlich über dem Niveau, das mit dem langfristigen Preisstabilitätsziel der Fed von 2% vereinbar ist. Obwohl sich die jüngsten Messwerte für die Inflation des US-Verbraucherpreisindex (CPI) in die richtige Richtung bewegen, liegt die Lohninflation auf Jahresbasis derzeit bei über 5%. Die zugrunde liegende Produktivität wächst – vorsichtig geschätzt – laut dem Bureau of Labor Statistics (BLS) um etwa 1,25%. Das bedeutet, dass sich die Lohninflation um 1 bis 2 Prozentpunkte abschwächen müsste, damit die Fed ihr Inflationsziel von 2% erreicht. Historisch gesehen ist ein Rückgang der US-Lohninflation in dieser Größenordnung nur in Rezessionen aufgetreten. Auch die Fed selbst geht in ihren Dezember-Wirtschaftsprognosen davon aus, dass die Arbeitslosenquote bis Ende 2023 auf 4,6% steigen wird. Damit läge sie etwas mehr als einen Prozentpunkt über den im September dieses Jahres durch das BLS verzeichneten 3,5%. Zum Vergleich: In den relativ milden Rezessionen von 1990 und 2001 stieg die Arbeitslosenquote um 1,3 bzw. 1,2 Prozentpunkte. Die Lohninflation verlangsamte sich um 1,0 bzw. 0,8 Prozentpunkte.

Veränderter Arbeitsmarkt

Zwar sind diese historischen Vergleiche aufschlussreich, doch es muss klar sein, dass sich der Arbeitsmarkt nach der Pandemie in grundlegender und komplexer Weise verändert hat. Zu Beginn 2023 herrscht Unsicherheit darüber, wie viel An­passung auf dem Arbeitsmarkt erforderlich sein wird, um die Lohninflation auf ein mit der Preisstabilität vereinbares Tempo zu senken.

Unter den gegenwärtigen Umständen wird es schwierig sein, selbst eine milde Rezession abzuwenden: Die Instrumente der Fed sind simpel, die Aufgabe ist komplex und es stehen schwierige Abwägungen an. Wie Powell im August 2022 in Jackson Hole andeutete, sind er und der FOMC entschlossen, dafür zu sorgen, dass die unter den früheren Vorsitzenden Paul Volcker und Alan Greenspan hart erkämpften Erfolge bei der Preisstabilität nicht zunichtege­macht werden. Dort betonte Powell zweimal, dass die Fed nicht lockerlassen wird, bis das Ziel erreicht sein wird. Ich bin sehr zuversichtlich, dass der FOMC diesem Versprechen gerecht werden wird – auch, wenn der Weg dorthin der Fed Flinkheit und Ausdauer abverlangt.

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