„Dann droht eine globale Finanzkrise“
„Dann droht eine globale Finanzkrise“
Im Interview: Moritz Kraemer
Der LBBW-Chefökonom warnt vor Angriffen Trumps auf die Fed und vor zu hohen Staatsschulden in den USA – EZB hat noch viel Spielraum für Zinssenkungen
Die EZB wird nach Einschätzungen von LBBW-Chefvolkswirt Moritz Kraemer dieses Jahr noch viermal die Zinsen senken, die Fed hingegen höchstens einmal. Letzteres würde US-Präsident Donald Trump nicht gefallen und könnte dessen Angriffe auf US-Notenbank verschärfen. Welche Folgen das haben könnte, erklärt Kraemer im Interview.
Herr Kraemer, die Zinssenkung der EZB vergangene Woche wird nicht die letzte gewesen sein. Wie viel Spielraum sehen Sie noch für weitere Lockerungen?
Wir gehen weiter als der Marktkonsens und erwarten, dass der Einlagensatz Ende 2025 bei 1,75% liegen wird. Das hängt auch damit zusammen, dass wir ein pessimistischeres konjunkturelles Bild zeichnen als andere. Ich gehe davon aus, dass Trump seine Zollankündigungen aus dem Wahlkampf umsetzt, was die Konjunktur der Eurozone stark dämpfen würde.
Zölle haben aber auch inflationäre Effekte. Sie gehen aber davon aus, dass die deflationären Auswirkungen durch eine schwächere Konjunktur überwiegen werden?
Ein Zollkrieg könnte durchaus einen inflationären Schub auslösen. Die EU hat daran aber kein Interesse, da sie viel mehr zu verlieren hat als die USA.
Im März stehen neue Projektionen der EZB an. Wird sie mal wieder die Wachstumsprognosen senken müssen?
Bis dahin ist nicht mehr viel Zeit. Es kann daher gut sein, dass bis zu den Zöllen noch keine Klarheit herrschen wird. Wenn dem so sein sollte, erwarte ich nur eine moderate Anpassung nach unten. Die jüngsten Daten fielen größtenteils enttäuschend aus. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich und Italien gab es im vierten Quartal kein Wachstum. Die Malaise breitet sich also aus.
Wie sieht es mit der Inflation aus? Da Sie vier weitere Zinssenkungen in diesem Jahr erwarten, teilen Sie offenbar den Optimismus, dass die EZB ihr Inflationsziel im Jahresverlauf nachhaltig erreicht.
Die Dienstleistungsinflation ist die Achillesferse. Wir halten aber die Annahme der EZB, dass sich das Lohnwachstum verlangsamt, für plausibel.
Trotz des demografischen Wandels, der in einigen Branchen zu einem Engpass an Arbeitskräften führt?
Ohne den demografischen Wandel hätten wir vermutlich bereits eine Stagnation bei der Lohnentwicklung. Der Arbeitsmarkt wird sich wegen des schwachen Wirtschaftswachstums in diesem Jahr eintrüben, was das Lohnwachstum dämpft.
Die Energiepreise steigen wieder. Terminkontrakte an der Amsterdamer Börse wurden vergangene Woche zu so hohen Preisen gehandelt, wie seit über einem Jahr nicht mehr. Droht dadurch ein Inflationsschub oder wird sich das bald wieder legen?
Ich erwarte nicht, dass die Energiepreise für die EZB in diesem Jahr ein größeres Thema werden. Die Nachfrage nach fossilen Energien dürfte durch die weltwirtschaftliche Lage auch nicht so hoch sein. China könnte 2025 zum ersten Mal weniger Öl nachfragen als im Vorjahr.
Energieimporte der EU werden in Dollar abgewickelt. Der wertet gegenüber dem Euro auf. Ist dieser Effekt auf die Inflation vernachlässigbar?
Vernachlässigbar ist das nicht, weil Energieimporte für die Euro-Wirtschaft wichtig sind. Zudem wird der Euro noch weiter abwerten, da das Zinsdifferential zwischen den USA und der Eurozone noch größer werden wird. Für die Fed preisen wir in diesem Jahr höchstens eine Zinssenkung ein. Die Euro-Dollar-Parität dürfte spätestens zur Jahresmitte erreicht sein.
Ich rate Trump daher: Finger weg von der Fed, das ist gefährlich! US-Staatsanleihen sind ein Safe Haven für Investoren. Das könnte er damit gefährden.
Moritz Kraemer
Maximal eine Zinssenkung der Fed würde US-Präsident Donald Trump nicht gefallen, der bereits jetzt Fed-Chef Jerome Powell verbal scharf attackiert. Muss man sich Sorgen um die Unabhängigkeit der Notenbank machen?
Trump wird versuchen, die Unabhängigkeit der Fed zu untergraben. Ihm gefällt es nicht, wenn jemand nicht das macht, was er will. Und die Fed wird ihm den Wunsch nach Zinssenkungen nicht erfüllen. 2026 läuft das Mandat von Powell aus. Dann wird Trump ihn durch jemanden ersetzen, der auf ihn hört. Man darf aber nicht vergessen, die Fed ist eine dezentrale Organisation. Über die Geldpolitik entscheidet nicht alleine der Vorsitzende des Offenmarktauschusses.
Sollten ernsthafte Zweifel an der Unabhängigkeit der Fed entstehen, erwarten Sie dann größere Turbulenzen an den Finanzmärkten?
Die Fed ist die wichtigste Institution des Weltkapitalmarktes. Ich rate Trump daher: Finger weg von der Fed, das ist gefährlich! US-Staatsanleihen sind ein Safe Haven für Investoren. Das könnte er damit gefährden. Dazu kommt dann noch die Thematik der nicht nachhaltigen Fiskalpolitik der USA seit etlichen Jahren und Trumps Pläne zur Deregulierung im Finanzsektor. Das kann alles noch sehr turbulent werden. Gerät das Vertrauen der Investoren ins Rutschen und steuert die US-Regierung dann nicht richtig gegen, dann droht eine globale Finanzkrise. Die Turbulenzen rund um die Silicon Valley Bank 2023 wären dagegen im Vergleich ein Zuckerschlecken.
Sie haben es bereits angesprochen, die ausufernde US-Fiskalpolitik ist kein neues Phänomen. Gibt es Hoffnung, dass die USA irgendwann doch einen Kurswechsel vollziehen?
Es wird so weitergehen bis entweder irgendwann die Investoren die Nerven verlieren oder bis sich der Kongress nicht mehr auf eine Anhebung der Schuldenobergrenze einigen kann und es zu einem Default kommt. Beides würde größere Verwerfungen nach sich ziehen. Trump will seine geplanten Steuersenkungen mit den Zollerhöhungen gegenfinanzieren. Diese Rechnung wird aber nicht aufgehen. Die US-Staatsverschuldung wird weiter deutlich steigen.
Wir haben derzeit ein gesellschaftliches Klima in Europa, das Populismus begünstigt und unbeliebte, aber nötige Entscheidungen erschwert.
Moritz Kraemer
Wie bewerten Sie die fiskalische Situation in Europa?
Sehr differenziert. In Frankreich und Italien ist die Fiskalpolitik beispielsweise nicht nachhaltig. In Deutschland dagegen verhindert die Schuldenbremse nötige Investitionen. Weswegen ich auch erwarte, dass die kommende Bundesregierung die Schuldenbremse reformiert für zweckgebundene Mittel. Grundsätzlich haben wir in Europa das Problem, dass die politische Manövrierfähigkeit sinkt. Das verhindert nötige Sparprogramme.
Wie das Beispiel Frankreich zeigt.
Emmanuel Macrons Pläne zur Rentenreform hatten Weitsicht. Sie haben aber auch maßgeblich zur politischen Krise in Frankreich beigetragen. Wir haben derzeit ein gesellschaftliches Klima in Europa, das Populismus begünstigt und unbeliebte, aber nötige Entscheidungen erschwert.
Das Interview führte Martin Pirkl.
Das Interview führte Martin Pirkl.