Im Interview:Daniel Hartmann, Chefökonom Bantleon

„Das Fenster für Zinssenkungen schließt sich“

Die geplante 180-Grad-Wende in der deutschen Fiskalpolitik hat laut Bantleon-Chefökonom Daniel Hartmann Auswirkungen auf die Geldpolitik der EZB. Und auch unabhängig davon sieht er nur noch wenig Spielraum für Zinssenkungen im Euroraum – außer der Zollkonflikt zwischen den USA und der EU eskaliert.

„Das Fenster für Zinssenkungen schließt sich“

„Das Fenster für Zinssenkungen schließt sich“

Herr Hartmann, hat sich die Situation der EZB durch die expansivere Fiskalpolitik in Europa – insbesondere in Deutschland – grundlegend geändert?

Es ist eine 180-Grad-Wende in der Fiskalpolitik, die Auswirkungen für die EZB haben wird. Die Entwicklung ist ein Dämpfer für die Erwartungen an weitere Zinssenkungen. Wir sehen uns dadurch in unserer Einschätzung bestätigt, dass sich das Fenster für Zinssenkungen im zweiten Halbjahr schließt.

Welche Effekte auf Inflation und Wirtschaftswachstum erwarten Sie durch die höhere Staatsverschuldung?

Die höheren Staatsausgaben dürften das Wirtschaftswachstum Deutschlands innerhalb der kommenden zwei, drei Jahre um insgesamt rund 3% anschieben. Auch der Wachstumsausblick der Eurozone verbessert sich erheblich dadurch und auch dadurch, dass weitere EU-Staaten mehr in die Verteidigung investieren werden. Eine expansive Geldpolitik mit Leitzinsen unter 2,0%, die zeitweise an den Märkten eingepreist war, ist daher in naher Zukunft nicht nötig. Die Effekte der Fiskalpolitik auf die Inflation lassen sich aktuell nicht konkret beziffern. Es ist aber klar, die Inflationsgefahr nimmt zu. In Zeiten des demografischen Wandels und des damit verbundenen Fachkräftemangels braucht es auch nicht viel, um den Lohndruck wieder zu verstärken.

Die EZB hat ihre Stellungnahme zur Restriktivität der Geldpolitik abgeschwächt und lässt offen, wie der Zinsentscheid im April ausfällt. Steuern wir auf eine Zinspause zu?

Ich halte es aktuell für etwas wahrscheinlicher, dass die EZB eine Zinspause einlegen wird, als dass sie erneut lockert. Im Juni könnte dann eine Zinssenkung um 25 Basispunkte anstehen, bevor sich das Fenster für Zinssenkungen wie angesprochen schließt.

Wie ist Ihre Inflationsprognose? Weshalb sehen sie in der zweiten Jahreshälfte keinen Spielraum für weitere Lockerungen?

Es gib noch disinflationäre Effekte, die die Inflationsrate weiter senken werden. Diese laufen meiner Einschätzung nach jedoch in der zweiten Jahreshälfte aus. Anfang 2026 könnte die Inflation wieder steigen und sich merklich über 2% festsetzen.

Ist dann eine Zinserhöhung ein Thema?

Wenn die Pläne in der Fiskalpolitik so umgesetzt werden wie angekündigt und wir keinen Zollkrieg zwischen den USA und der EU sehen, dann erwarte ich, dass es zumindest eine Debatte über eine Zinserhöhung gibt.

Ich bin eher hoffnungsvoll, dass uns ein solcher Zollkrieg erspart bleibt, auch wenn man bei Donald Trump nie weiß, wie weit er gehen wird.

Daniel Hartmann, Chefökonom Bantleon

Da sprechen Sie ein weiteres wichtiges Thema für die EZB an: Zölle. Wie könnte sich das auf die Geldpolitik auswirken?

Es gibt zwei gegenläufige Effekte. US-Zölle gegenüber der EU würden die Wachstumsperspektiven Europas verschlechtern. Je nach Höhe der Zölle und je nachdem, welche Waren betroffen sind, könnte die EZB darauf eventuell mit einer Zinssenkung reagieren müssen. Auf der anderen Seite würden Gegenzölle der EU den Inflationsdruck in Europa verstärken.

Erwarten Sie denn einen Zollkrieg zwischen den USA und der EU?

Ich bin eher hoffnungsvoll, dass uns ein solcher Zollkrieg erspart bleibt, auch wenn man bei Donald Trump nie weiß, wie weit er gehen wird. Ich denke, er will eine Art Deal erzielen und wir müssen schauen, was Europa ihm anbieten kann und will.

Die Zollpolitik Trumps dürfte die Inflation in den USA erheblich erhöhen. Sehen Sie dennoch Spielraum für Zinssenkungen der Fed in diesem Jahr?

Ich denke, mindestens ein bis zwei Zinssenkungen dürfte es schon geben. Es stimmt, dass die Zölle einen erheblichen Inflationsdruck auslösen können. Wir sehen aber auch, dass sich die US-Wirtschaft aktuell merklich abschwächt. Die Ängste vor Entlassungen nehmen zu, die Kündigungen im öffentlichen Sektor werden sich auf den Arbeitsmarkt auswirken und das Verbrauchervertrauen sinkt. Man sollte nicht vergessen, dass Zölle ein Einmaleffekt sind, während sich ein Abwärtstrend der Wirtschaft nachhaltig auswirken würde. Daher gehe ich davon aus, dass die Fed vielleicht schon im Mai die Zinsen senkt, um diesen Abwärtstrend zu verhindern. Unsere Indikatoren deuten zudem darauf hin, dass die US-Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte wieder an Dynamik gewinnt.

Ich setzte daher darauf, dass die Märkte auf Trump disziplinierend wirken.

Daniel Hartmann, Chefökonom Bantleon

Eine Zinspause der Fed Mitte März gilt als gesetzt. Trump dürfte das nicht gefallen. Muss man sich ernsthafte Sorgen machen, dass er die Unabhängigkeit der Fed untergraben will?

Trump modelt derzeit das ganze Land um. Dazu würde es also passen, wenn er tatsächlich versuchen würde, Fed-Chef Jerome Powell abzusetzen. Darauf würden die Finanzmärkte aber empfindlich reagieren. Die Anleiherenditen würden deutlich steigen, was für Trump wegen der hohen US-Staatsverschuldung gefährlich wäre. Ich setzte daher darauf, dass die Märkte disziplinierend wirken. Das haben sie in der Vergangenheit selbst bei Autokraten oft getan. Ein Beispiel ist die Türkei, wo Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan die Geldpolitik nicht mehr so beeinflusst wie früher.

Stichwort Staatsverschuldung: Einige Ökonomen zeigen sich anhand der expansiveren Fiskalpolitik Deutschlands besorgt, dass die Bundesrepublik als Stabilitätsanker der Eurozone verloren gehen könnte. Teilen Sie diese Sorgen?

Ich sehe das nicht so kritisch wie manche Kollegen. Ich gehe auch nicht davon aus, dass die Staatsverschuldung Deutschlands innerhalb der kommenden Jahre Richtung 90 bis 100% des BIP steigen wird. 75% halte ich für die realistische Marke, das ist noch unproblematisch. Grundsätzlich darf dieses Finanzpaket aber nicht dazu führen, dass Deutschland nun gar keine Ausgaben mehr auf den Prüfstand stellt.

Das Interview führte Martin Pirkl.

Im Interview: Daniel Hartmann

Der Chefökonom von Bantleon sieht wachsende Inflationsrisiken im Euroraum – Auch wenig Spielraum für Lockerungen der Fed in diesem Jahr

Die geplante 180-Grad-Wende in der deutschen Fiskalpolitik hat laut Bantleon-Chefökonom Daniel Hartmann Auswirkungen auf die Geldpolitik der EZB. Und auch unabhängig davon sieht er nur noch wenig Spielraum für Zinssenkungen im Euroraum – außer der Zollkonflikt zwischen den USA und der EU eskaliert.

Das Interview führte Martin Pirkl.

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