Deutsche Wirtschaft kommt erst 2025 richtig in Schwung
Deutsche Wirtschaft kommt erst 2025 richtig in Schwung
BIP dürfte 2023 geschrumpft sein und 2024 nur leicht zulegen – Große Bandbreite im Konjunkturtableau zeigt Unsicherheit
Von Alexandra Baude, Frankfurt
2023 wird für die deutsche Wirtschaft zu den Jahren zählen, die eher zum Vergessen sind: Wegen der zahlreichen Krisen und Herausforderungen wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht nur im Schlussabschnitt, sondern auch im Gesamtjahr ins Minus gerutscht sein. Das Statistische Bundesamt legt am Montag die Schnellmeldung vor und Ökonomen erwarten im Schnitt einen BIP-Rückgang um 0,3% – 2022 hatte das BIP noch um 1,8% zugelegt. Im kommenden Jahr dürfte es dann wieder aufwärtsgehen, wenn auch weniger dynamisch als von Experten bislang erhofft. Dies zeigt sich auch im aktuellen Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung und des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).
Bundesverfassungsgerichtsurteil belastet
Die Medianprognose der Experten für 2024 liegt mit 0,4% um 0,2 Prozentpunkte unter dem Wert, den sie noch im Dezember vorausgesagt hatten. "Es ist denkbar, dass das kürzlich verkündete Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse zu den leicht pessimistischeren Erwartungen beigetragen hat", vermutet ZEW-Experte Alexander Glas. Außerdem könnten der zuletzt beobachtete Anstieg der Inflationsrate von 2,4% auf 3,8% nach europäischer Berechnungsmethode (HVPI) und die damit verbundenen gedämpften Erwartungen an baldige Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) eine Rolle spielen.
Experten sind sich uneins
Mit einer Spannweite der individuellen Wachstumserwartungen in Höhe von 3,8 Prozentpunkten herrsche zudem eine große Uneinigkeit unter den Experten, erklärt Glas. Für Schwung sollen der private, aber auch der staatliche Konsum sorgen. Hier erwarten die Experten ein Plus von 1,0% bzw. 0,7%. Noch aber ist die Verbraucherstimmung im Keller, sind die Konsumenten eher sparsam. Erst mit steigenden Löhnen in Verbindung zur weiter nachlassenden Inflation dürfte der Privatkonsum wieder anspringen, heißt es allenthalben. Schätzungen der Bundesbank zufolge dürften in diesem Jahr die gesamtwirtschaftlichen Tarifabschlüsse mit 5% noch einmal höher ausfallen als 2023 mit 4%. 2025 soll die Konjunktur nach der Erwartung der Experten deutlich anspringen. Sie prognostizieren ein BIP-Plus von 1,2%. Treiber des positiven Ausblicks dürfte der Außenhandel sein: Sowohl für den Import- als auch den Exportsektor werden Steigerungsraten in Höhe von 2,9% erwartet.
Für den Euroraum ergibt sich ein recht ähnliches Bild: So wurde die Prognose um 0,1 Prozentpunkte nach unten revidiert auf einen neuen Wert von 0,8%. 2025 sollen es dann plus 1,5% werden. Die Prognostiker trauen dem Eurogebiet für beide Jahre ein deutlich höheres Wachstum als dessen größter Volkswirtschaft zu.
EZB-Ziel kommt in Sicht
Der Anstieg der Inflation im Dezember schlägt sich Glas zufolge (noch) nicht in den Prognosen nieder: Im Jahresdurchschnitt 2024 wird eine Teuerungsrate von 2,8% für Deutschland vorausgesagt, das sind 0,1 Prozentpunkte mehr als zuletzt. Die für den Euroraum erwarteten 2,5% liegen 0,3 Prozentpunkte unter der vorherigen Prognose. 2025 dürfte die Jahresrate in Deutschland und im Euroraum je 2,2% betragen – damit gelinge nach Einschätzung der Experten "eine deutliche Annäherung an das Inflationsziel der EZB", so Glas.
Die Erwartungen an die kurzfristigen Zinsen sind um 0,1 Prozentpunkte auf 3,6 Punkte gestiegen. "Somit gehen die Experten trotz der Erwartung weiter sinkender Inflationsraten nicht von einer baldigen Entspannung bei der Geldpolitik aus", erklärt Glas. Die Voraussage für 2025 liegt mit 2,8 Punkten hingegen deutlich niedriger als der Wert für 2024.