Die Schuldendynamik nimmt weltweit wieder Fahrt auf
Schuldendynamik nimmt weltweit wieder Fahrt auf
Der IWF warnt vor einer Verschleppung der Haushaltskonsolidierung – Zinslasten steigen stark an – Krisenhilfen sollen beendet werden
Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht mit Besorgnis, dass die Staatsdefizite und die Staatsverschuldung wieder wachsen. Das hat auch was mit Industriepolitik und mit anstehenden Wahlen zu tun. Vor allem die USA scheinen nicht an Konsolidierung zu denken.
lz Frankfurt
Die globalen Wirtschafts- und Finanzaussichten trüben sich nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) wieder ein. Die allermeisten Länder hätten nach einer kurzzeitigen Entspannung inzwischen wieder mit hoher Staatsverschuldung und überbordenden Haushaltsdefiziten zu kämpfen, schreibt die Organisation in ihrem jüngsten Fiscal Monitor anlässlich der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank. Grund seien u.a. die gestiegenen Realzinsen und die verlangsamte Konjunkturentwicklung. Nach dem Eindruck des IWF seien die Staaten immer noch zu nachlässig, wenn es um die Installation von Haushaltspuffern gehe, welche die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sicherstellen würden und auch Ausgangspunkt für bessere Wachstumsaussichten seien.
Der IWF beobachtet allgemein einen expansiveren Haushaltskurs. „Nur die Hälfte aller Volkswirtschaften haben ihre Finanzpolitik 2023 gestrafft im Vergleich zum Jahr 2022, wo es immerhin 70% gewesen sind“, schreibt der IWF. Nach wie vor lägen die öffentlichen Ausgaben (unter Ausklammerung der Zinszahlungen) in den Industrieländern um etwa 3 Prozentpunkte über dem Wert vor der Pandemie. Und auch in den Schwellenländern seien es noch 2 Prozentpunkte. Die Staatsausgaben werden nach Meinung des IWF insgesamt viel zu langsam zurückgeführt. Grund dafür sind den Ökonomen zufolge vor allem industriepolitische Maßnahmen samt Subventionen und Steueranreizen.
Auch die Staatsverschuldung ist weltweit weiter angestiegen und lag im Jahr 2023 bei 93% des BIP und damit immer noch um 9 Prozentpunkte über dem Niveau während der Pandemie. Zwar geht der IWF in den Folgejahren wieder von einer leichten Straffung aus, doch das wird der Studie zufolge nicht ausreichen, um die Verschuldungsniveaus in den meisten Ländern zu stabilisieren, weil höhere Zinslasten und eine schwache Konjunktur die Rückführung erschweren.
Kritik an USA und China
Heftig kritisiert der IWF in diesem Zusammenhang die USA und China für ihre zu expansive Haushaltspolitik. Die beiden Länder hätten maßgeblich Anteil am Anstieg der ausgewiesenen globalen Defizit- und Schuldenquoten.
Das Defizit der USA lag 2022 noch bei 4,1% des BIP, stieg auf 8,8% im vergangenen Jahr und wird nach der jüngsten IWF-Prognose auch 2024 noch bei 6,5% liegen. Auch China hat sein Defizit im gleichen Zeitraum nur unwesentlich gedrosselt von 7,5 auf 7,4%. Noch deutlicher sind die Werte bei der Staatsverschuldung, die in den USA in den Jahren 2023 bis 2024 von 120% auf 123% ansteigen dürfte; die von China wird danach – relativ gesehen – noch deutlicher zulegen von gut 77% auf 88,6%.
Der IWF hält diese Entwicklung für fatal und verweist auf den Anstieg der Zinslasten für die Staatskredite, welche die Haushalte noch weiter unter Druck setzen und das Wirtschaftswachstum schwächen würden. Zudem würden hohe und volatile Renditen von Staatsanleihen in den USA letztendlich auch „zu strengeren Finanzierungsbedingungen im Rest der Welt führen“.
Wahljahr verzerrt
An einer Haushaltskonsolidierung führt nach Meinung des IWF kein Weg vorbei, auch, weil die Ausgaben stärker auf die strukturellen Herausforderungen wie Demografie und Ökologie ausgerichtet werden müssten. Die fiskalischen „Hinterlassenschaften“ aus den Krisenzeiten wie hohe Energiesubventionen sollten daher „unverzüglich“ auslaufen. Reformen müssten in den Industriestaaten dafür sorgen, dass die sozialen Lasten nicht weiter ansteigen; und in den Schwellen- und Entwicklungsländern müssten die Steuereinnahmen erhöht werden.
Allerdings räumt der IWF ein, dass er 2024 nicht mit einem finanzpolitischen Kurswechsel rechnet, weil 2024 besonders viele Wahlen anstehen – nicht zuletzt die US-Präsidentschaftswahlen im November. Erfahrungsgemäß würden die Haushaltsdefizite in Wahljahren tendenziell um 0,4 Prozentpunkte vom BIP höher liegen als in Jahren ohne Wahlen.
Leitartikel: Deutschlands Schuldendilemma
Kommentar Seite 2