Konjunktur

Euro-Industrie verliert noch mehr an Schwung

Der Einkaufsmanagerindex für die Euro-Industrie deutet auf eine schrumpfende Gesamtwirtschaft hin. In Großbritannien sieht es ähnlich aus. Die US-Industrie fällt hingegen aus dem Rahmen.

Euro-Industrie verliert noch mehr an Schwung

ba Frankfurt

Die Industrie im Euroraum und in Großbritannien hat im August geschwächelt – während es in der US-Industrie noch rund läuft. Die von S&P Global für den Kontinent ermittelten Einkaufsmanagerindizes zeichnen ein trübes Konjunkturbild. Besserung ist so bald nicht in Sicht, denn die Inflationsraten sind ebenso wie die Unsicherheit hoch und die Nachfrage ist schwach.

Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Euro-Industrie ist den endgültigen Daten zufolge um 0,2 Punkte auf 49,6 gefallen. Dies ist der niedrigste Stand seit Juni 2020 und geringfügig mehr, als in der Erstschätzung ermittelt worden war. Damit verharrt der Stimmungsindikator weiter unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Werte darunter signalisieren ein Schrumpfen des Industriesektors. Die Nachfrageschwäche beruhe auf der sinkenden Kaufkraft und der hohen Inflation, hieß es bei S&P Global.

Chris Williamson, Chefökonom des Analysehauses, warnte, es werde damit „immer wahrscheinlicher, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Quartal sinkt“. Im zweiten Vierteljahr hatte das BIP noch 0,6% zugelegt. Zudem deuten für Williamson die Frühindikatoren darauf hin, „dass sich der Einbruch in den kommenden Monaten – möglicherweise deutlich – verstärken könnte, womit auch das Risiko einer Rezession gestiegen ist“. Als gute Nachricht bezeichnete Williamson „die abgeschwächten Steigerungsraten bei Einkaufs- und Verkaufspreisen, die auf die schleppende Nachfrage und ein Abklingen der Lieferkettenprobleme zurückzuführen waren. Allerdings sei die Inflationsrate im historischen Vergleich weiter hoch. Kosten und Angebot seien eine große Unbekannte für die Produktions- und Inflationsaussichten in den kommenden Monaten.

Unter den betrachteten Ländern verzeichnete nur mehr die Industrie in den Niederlanden, in Irland und Frankreich Wachstum. In Deutschland, Österreich, Griechenland und Italien ging es laut S&P Global mit beschleunigter Rate abwärts, wobei Italien diesmal Schlusslicht war. Italiens Industrieverband Confindustria zeigte sich Reuters zufolge besorgt über die steigenden Energiekosten. Drei Wochen vor der Parlamentswahl warnte Verbandspräsident Carlo Bonomi, die Unternehmen könnten es sich nicht leisten, auf eine neue Regierung zu warten, bevor sie mehr Hilfe bekämen. Das bringe das italienische Industriesystem, die Einkommen der Beschäftigten und die Arbeitsplätze in Gefahr. In einem Radio-Interview forderte er eine Deckelung des Gaspreises – „wenn nicht auf europäischer, dann auf nationaler Ebene“. Die Energiekosten in Italien gehörten ohnehin zu den höchsten in Europa. Das Statistikamt Istat meldete am Donnerstag, dass das BIP in den drei Monaten bis Juni um 1,1% statt der zuvor vermeldeten 1,0% im Quartalsvergleich zugelegt hat. Für Frankreich hingegen bestätigte Insee die Erstschätzung für das BIP-Wachstum im zweiten Quartal von 0,5%.

In der britischen Industrie ist der PMI um 4,8 auf 47,3 Zähler gefallen. Das ist der niedrigste Stand seit Mai 2020. Ökonomen hatten eine Bestätigung der Erstschätzung von 46,0 Punkten erwartet. Kunden würden zunehmend Aufträge zurückziehen oder verschieben, kommentierte S&P-Experte Rob Dobson. Er verwies auf Unsicherheit, Rezessionsgefahren, steigende Preise und Knappheiten bei Vorprodukten. Die Exportaussichten werden laut Dobson durch Brexit-Komplikationen und Überlastungen der Häfen erschwert.

Der vom Institute for Supply Management (ISM) erhobene PMI für die US-Industrie hingegen ergab den 27sten Monat in Folge eine steigende Aktivität: Der Indikator stagnierte bei 52,8 Punkten. Ökonomen hatten einen Rückgang auf 51,9 Zähler erwartet. Dabei verbesserte sich laut ISM die Liefersituation, die Preise stiegen langsamer, und die Beschäftigungslage hellte sich auf.

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