EZB-Direktorin Schnabel widerspricht Kollegen
EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel hält nichts davon, auf womöglich nötige Zinserhöhungen zu verzichten und dafür im Gegenzug ein längeres Festhalten an dem erreichten Zinsniveau in Aussicht zu stellen. „Wir können die Notwendigkeit einer weiteren Straffung der Geldpolitik heute nicht gegen das Versprechen eintauschen, die Zinsen länger auf einem bestimmten Niveau zu halten“, sagte Schnabel am Donnerstag zum Auftakt einer EZB-Konferenz in Frankfurt zum Thema Inflation. Zu weiteren Zinserhöhungen und insbesondere zu einer möglichen Anhebung bei der nächsten Sitzung im September hielt sie sich aber eher bedeckt.
Mit ihren Aussagen stellt sich Schnabel gegen Einschätzungen einiger Ökonomen und auch einiger Euro-Notenbanker, die so argumentieren und daher für eine Zinserhöhungspause oder gar ein Ende der Zinsanhebungen plädieren. Sie argumentieren, dass die Inflation auch weiter gedrückt werden könne, wenn ein erreichtes, restriktives Niveau dann länger gehalten werde. Insbesondere Italiens scheidender Notenbankchef Ignazio Visco hatte sich in der jüngeren Vergangenheit derart geäußert (vgl. BZ vom 12. Juli). Anfang August hatte dann auch EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta erklärt, dass die Persistenz der Straffung wichtiger sei als das Level der Zinsen, also der Zinshöchststand (Peak).
Schnabel macht nun klar, dass sie diese Argumentation nicht teilt. „Ein solches Versprechen würde Probleme der Zeitinkonsistenz aufwerfen“, sagte sie. „Wenn die Anleger davon ausgingen, dass die Zentralbank ihr Versprechen in der Zukunft brechen könnte, wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen ändern, würden sie keinen zukünftigen Pfad der kurzfristigen Zinssätze einpreisen, der zu ausreichend restriktiven Finanzierungsbedingungen führen würde.“
Panetta hatte dagegen argumentiert, dass ein Muster von Zinserhöhungen mit anschließenden Zinssenkungen die inflationshemmende Wirkung der EZB-Politik untergraben könne, wenn sich die Renditekurve im Vorgriff darauf umkehre. Auch Goldman Sachs war in einem im Juli veröffentlichten Papier zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Leitzinspolitik, die über einen längeren Zeitraum einen niedrigen Höchststand hält, ein wünschenswerteres Straffungsmuster darstellen könnte als ein höherer Höchststand, auf den rasche Zinssenkungen folgen würden. Eine solche Leitzinspolitik sei in der Praxis jedoch schwer umzusetzen, da die Märkte dazu neigten, Zinssenkungen einzupreisen, wenn sich die Zentralbanken einem Peak nähern.
Inflation stagniert im August, Kernrate sinkt
Alle Optionen offen
Schnabel untermauerte nun, dass „eine ausreichend restriktive Geldpolitik entscheidend (sei), um die Inflation rechtzeitig wieder auf unser 2-Prozent-Ziel zu bringen“. Derzeit liegt sie bei 5,3%. Die Gesamtinflation sei zurückgegangen, was vor allem darauf zurückzuführen sei, dass frühere Schocks auf der Angebotsseite abklingen würden. „Der zugrunde liegende Preisdruck bleibt jedoch hartnäckig hoch, wobei inländische Faktoren nun die Haupttreiber der Inflation im Euroraum sind“, so Schnabel. Die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel liegt auch bei 5,3%, nach einem Rückgang im August. Zugleich räumte sie aber ein, dass sich die Wirtschaft schwächer entwickle als im Juni prognostiziert. „Es gibt jedoch nach wie vor wichtige Bereiche, die sich als widerstandsfähig erweisen, insbesondere der Arbeitsmarkt“, fügte sie hinzu.
Mit Blick auf weitere Zinserhöhungen und die anstehende September-Sitzung hielt sich Schnabel aber alle Optionen offen. Angesichts der großen Unsicherheit sprach sie sich für stark datenabhängige Entscheidungen von Sitzung zu Sitzung aus. Neben ihrem klaren Bekenntnis zu einem restriktiven und „robusten“ Kurs machte sie aber auch deutlich, dass sie mit Sorge sieht, dass an den Finanzmärkten zuletzt die Zinserwartungen aufgrund der eingetrübten Wachstumsaussichten gesunken sind. Die inflationsbereinigten Zinsen am Markt seien zuletzt über das gesamte Laufzeitspektrum zurückgegangen und lägen jetzt wieder auf dem Niveau, wo sie zur Februar-Zinssitzung gestanden hätten. „Dieser Rückgang könnte unsere Bemühungen konterkarieren, die Inflation rechtzeitig wieder auf das Zielniveau zu bringen“, warnte sie.