Großbritannien schrammt an Rezession vorbei
Großbritannien schrammt
an Rezession vorbei
Wirtschaft hievt sich im Schlussquartal über die Nulllinie
hip London
Das britische Wirtschaftswachstum hat sich zwar im zweiten Halbjahr 2024 verlangsamt. Doch an einer Rezession schrammte das Land nach der Wahl einer Labour-Regierung im Juli haarscharf vorbei. Wie das Statistikamt ONS mitteilte, expandierte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Schlussquartal um 0,1%. Im dritten Quartal stagnierte es.
Für Schatzkanzlerin Rachel Reeves ist das eine gute Nachricht. Volkswirte hatten schließlich im Schnitt mit einer Schrumpfung um 0,1% gerechnet. Es handelt sich allerdings um die Erstschätzung des BIP, die oft noch revidiert wird. Labour hat sich Wachstum auf die Fahnen geschrieben. Da sieht es gut aus, dass die Wirtschaft im Dezember um 0,4% zugelegt hat. Erwartet wurde nur ein Plus von 0,1%.
Staat als Wachstumstreiber
Der Teufel steckt jedoch im Detail. Wie die HSBC-Volkswirtin Elizabeth Martins erklärt, wurde das Wachstum in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres vom öffentlichen Sektor getrieben. Dessen Investitionen stiegen im Vergleich zum dritten Quartal um 4,0%. Ohne Staatsausgaben sei das BIP dagegen um 0,3% gesunken. In den Monaten Juli bis September sei es auf dieser Basis bereits um 0,2% zurückgegangen.
„Der private Sektor befindet sich also in der Rezession“, schrieb Martins in einer ersten Einschätzung. „Der private Konsum blieb im Schlussquartal unverändert. Die Investitionen von Unternehmen fielen im Vergleich zum vorangegangenen Dreimonatszeitraum um 3,2%. Und die Exporte gingen das dritte Quartal in Folge zurück, dieses Mal um 2,5%.“
Reichlich Ungewissheit
Reeves hatte die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber erhöht und zugleich die Schwelle, ab der sie erhoben werden, drastisch gesenkt. Das hatte für erhebliche Verstimmung gesorgt. Viele Firmen nehmen eine abwartende Haltung ein oder fahren Investitionen zurück. Die Labour-Regierung will dem „Guardian“ zufolge erst im Juni ihre industriepolitischen Vorstellungen auf den Tisch legen. Das sorgt für zusätzliche Ungewissheit.
„Die harte Arbeit für das Wachstum werden 2025 wohl eine lockerere Fiskalpolitik und weiter steigende Staatsausgaben leisten müssen“, schrieb die Volkswirtin Sonali Punhani. Sie rechnet für das laufende Jahr mit 1,4%. Damit liegt sie nur knapp unter dem Nationalen Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung (NIESR), das seine Prognose am Mittwoch von 1,2% auf 1,5% erhöhte.
Zuwanderung schönt Statistik
Die hohe Zuwanderung sorgt für ein höheres Wachstum der Gesamtwirtschaft. Sieht man sich die reale Veränderung des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf an, wird das Ausmaß der Misere deutlich. Es ist in acht der vergangenen zwölf Quartale gesunken. 2024 schrumpfte es um 0,1%. In den USA stieg es dagegen um 1,9%.