Bundesbank-Prognose

Mehr Spielraum bei den Staatsfinanzen

Mit seinen Staatsfinanzen steht Deutschland besser da als viele andere Länder. Defizit- und Schuldenquote sind auf dem Rückzug, zeigt eine neue Bundesbankprognose. Das dürfte die Debatte über eine Lockerung der Schuldenbremse weiter anheizen.

Mehr Spielraum bei den Staatsfinanzen

Mehr Spielraum bei den Staatsfinanzen

Bundesbank-Prognose sieht Defizitquote 2026 bei 1,1 Prozent und Schuldenquote bei 60,7 Prozent – Neue Argumente für Reform der Schuldenbremse

Von Stephan Lorz, Frankfurt
lz Frankfurt

Die haushaltspolitische Lage in Deutschland verbessert sich nach einer Prognose der Bundesbank immer weiter. Dies steht ganz im Gegensatz zum Eindruck, den etwa die Haushaltsdebatten im Bundestag und die Finanzklagen der Landesregierungen hinterlassen. Regelmäßig ist obendrein von Haushaltslücken und Ausgabenkürzungen die Rede. Die aktualisierte Projektion der Bundesbank dürfte insofern auch die Diskussion über die Lockerung der Schuldenbremse befeuern und den politischen Druck erhöhen, die öffentlichen Ausgaben für Investitionen zur Modernisierung der maroden Infrastruktur oder zum Anschub von Innovationen hochzufahren.

IWF und OECD drängen

Die Bundesbank geht in ihrer neuen Konjunkturprognose nämlich davon aus, dass die Defizitquote von 2,5% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2023 auf 1,8% im laufenden Jahr und 1,1% am Ende des Projektionszeitraums Ende 2026 sinken wird. Das liegt weit unter der vorgegebenen EU-Schwelle von 3% (Maastricht-Grenze). Gleichzeitig verringert sich der Prognose zufolge auch die Schuldenlast für die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden. Die Schuldenquote wird danach von 63,6% des BIP im vergangenen Jahr über 62,9% im laufenden Jahr auf 60,7% im Jahr 2026 fallen. Schon in den Jahren darauf könnte sie dann die EU-Schwelle von 60% unterschreiten.

Internationale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) und auch die Industrieländerorganisation OECD haben die Bundesregierung mit Blick auf die viel höhere Verschuldung in anderen Ländern bereits mehrfach ermuntert, etwas mehr Geld für staatliche Investitionen in die Hand zu nehmen. Frankreichs Defizit wird sich den Prognosen des IWF zufolge in den Jahren 2024 bis 2026 nämlich zwischen 5% und 4% bewegen; die Schuldenquote liegt bei über 100%. Und die USA mäandern zwischen 6% und 7% Defizit bei einer Schuldenquote von rund 130%.

Selbst die Bundesbank hatte bereits im Frühjahr 2022 einen Vorstoß zu einer investitionsfreundlicheren Schuldenbremse unternommen – mit größerer Bindungswirkung, aber größeren Defizitspielräumen. Inzwischen verlangen auch die Wirtschaftsweisen und die Arbeitsgemeinschaft der Wirtschaftsforschungsinstitute eine Reform der fiskalischen Grundgesetzbestimmung.

Steuermehreinnahmen erwartet

Ein Grund für den Rückgang der Neuverschuldung und Schuldenlast sind nach Darstellung der Bundesbank die zahlreichen krisenbezogenen Maßnahmen, die ab 2024 stark zurückgehen und ab 2025 vollständig entfallen. Die Energiepreisbremsen etwa schlagen seit Ende 2023 schon nicht mehr zu Buche. Zudem erhöhten sich die Umsatzsteuersätze auf Speisen, Erdgas und Wärme wieder, was die Einnahmen stärkt. Und 2025 entfällt die Abgabenbefreiung von Lohnkomponenten für die Inflationsausgleichsprämien. Mehreinnahmen erwartet die Bundesbank auch bei der Lkw-Maut, bei CO2-Zertifikaten und bei den gewinnabhängigen Steuern, weil in den vergangenen Jahren beschleunigte Abschreibungen möglich gewesen sind, die jetzt auslaufen.

Staat muss mehr investieren

Dass mehr Investitionen – gerade auch von privater Seite – dringend notwendig sind, zeigt die Bundesbank in ihrer am Freitag veröffentlichten Konjunkturprognose selbst auf. Die ohnehin schon niedrigen investiven Ausgaben für Erweiterungen, Ausrüstungen oder Forschung gehen danach zunächst weiter zurück, bevor sie ab dem Jahr 2025 wieder auf einen zaghaften Expansionskurs einschwenken. Grund sind die schlechte Konjunktur, der Schock der jüngsten Preisentwicklung, hohe Zinsen und weiterhin zögerliche Nachfrage. Auch die Weltlage ist instabil, so dass sich auf zehn Jahre hin keine stabilen Investitionsperspektiven abzeichnen.

Vor diesem Hintergrund müsste der Staat selbst stärker aktiv werden, um einerseits ohnehin bestehende Investitionsrückstände (Infrastruktur, Forschung, Digitalisierung, Klimatransformation und Verteidigung) wieder aufzuholen und andererseits mehr Anreize für private Investitionen zu setzen (Steuersenkungen, Abschreibungen und Finanzhilfen).

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