Pest oder Cholera
Eine Überraschung war es nicht, dass die Bank of England den Leitzins angesichts des Risikos einer Rezession nicht gleich um 50 Basispunkte erhöhen wollte. Trotzdem waren nicht wenige Marktteilnehmer enttäuscht. Das Pfund wertete gegen den Dollar deutlich ab. Dabei hatte die britische Notenbank den Leitzins gerade das vierte Mal in Folge erhöht, wenn auch nur um 25 Basispunkte, und zudem auch noch konkrete Maßnahmen ergriffen, um den seit der Finanzkrise zur Konjunkturankurbelung zusammengekauften Anleihenberg endlich abzutragen.
Es mag nicht allen klar sein, aber die Old Lady of Threadneedle Street hat im laufenden Zinserhöhungszyklus gehörigen Vorsprung. Sie befindet sich bereits seit Dezember vergangenen Jahres im Straffungsmodus. Die während der Pandemie beschlossenen Lockerungen waren bereits im Februar komplett rückgängig gemacht. Im Gegensatz zu anderen Notenbanken ist da nichts mehr aufzuholen. Der Leitzins bewegt sich mit 1,00 % wieder auf dem Niveau von vor 13 Jahren. Bereits seit Februar werden ausgelaufene Staatsanleihen nicht mehr durch neue ersetzt. Nun wird eine Strategie für den Abverkauf der Bonds entwickelt. Bislang hat noch keine führende Zentralbank damit begonnen, ihre seit 2009 angesammelten Staatstitel wieder zu veräußern.
Rasant steigende Energiepreise führen allerdings dazu, dass in Großbritannien die Lebenshaltungskosten in die Höhe schießen. Das dämpft Konsum und Wachstum. Die Geldpolitiker der Bank of England haben vor diesem Hintergrund nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder halten sie sich mit weiteren Zinserhöhungen zurück und lassen damit der Inflation freien Lauf, oder sie ziehen die Zügel noch stärker an und riskieren, dass die Wirtschaft gegen die Wand fährt.
Die Briten können ihrem Schatzkanzler Rishi Sunak nur dankbar dafür sein, dass er all den Rufen nach weiteren Hilfsprogrammen für alle und jeden nicht nachgekommen ist, als sich das Ende der Pandemie abzeichnete. Hätte Sunak auf diejenigen gehört, die der Meinung sind, nach Belieben Schulden machen zu können, läge die Teuerungsrate schon jetzt ein paar Prozentpunkte höher. Denn Geld will ausgegeben werden. In Verbindung mit Lieferschwierigkeiten sorgt das für rasante Preissteigerungen.
Schön wäre ein wenig Selbstkritik der Zentralbanker gewesen, unter deren Augen die Notenpresse in den vergangenen Jahren heißlief. Aber das kann man wohl nicht erwarten.