Richtungsstreit über US-Geldpolitik
det Washington
US-Notenbankchef Jerome Powell hält an seiner insgesamt positiven Bewertung der Konjunkturaussichten fest, warnt aber dennoch vor Risiken, die von der Corona-Pandemie ausgehen. Vor einem Unterausschuss des Repräsentantenhauses, der sich mit den Folgen der Gesundheitskrise befasst, räumte Powell am Dienstag ein, dass „der Preisdruck erkennbar zugenommen hat“. Er betonte aber, dass höhere Inflation eine vorübergehende Erscheinung sei und sich die Teuerungsrate längerfristig um 2% einpendeln werde. Indes zeichnet sich in den Reihen der Fed ein Richtungsstreit über den weiteren geldpolitischen Kurs ab. Während einige Mitglieder des Offenmarktausschusses (FOMC) keine Zinserhöhungen vor 2023 erwarten, plädieren andere dafür, dass das Lenkungsgremium bereits im kommenden Jahr den Tagesgeldsatz anhebt.
Gefahr durch Delta-Mutation
Vor dem Kongressausschuss sagte Powell, dass die Wirtschaft auf Kurs für „die höchste Wachstumsrate seit Jahrzehnten“ sei. Große Bedeutung komme in diesem Zusammenhang den erfolgreichen Impfaktionen zu. Gefahren gingen aber nun von der Delta-Variante des Virus aus, die bereits 47 der 50 US-Staaten erreicht hat. Für riskant hält der Notenbankvorsitzende auch die Tatsache, dass in den USA das Tempo der Impfungen deutlich abgenommen hat. Gleichwohl lassen die insgesamt günstigen Aussichten und höhere Inflation den Zeitpunkt angemessen erscheinen, die Diskussion über eine Drosselung der breiten Anleihekäufe, das „Tapering“, zu beginnen.
Innerhalb des Notenbankvorstands gehen aber die Meinungen über das Abschmelzen der Anleihekäufe und vor allem künftige Zinserhöhungen teilweise weit auseinander. Wie aus den sogenannten Fed-Dot Plots (siehe Grafik) hervorgeht, die das FOMC viermal im Jahr zusammen mit aktualisierten Konjunkturprognosen veröffentlicht, erwarten mittlerweile 13 der 18 Teilnehmer an den Sitzungen des Lenkungsgremiums, dass die Notenbank übernächstes Jahr an der Zinsschraube drehen wird. Im März hatte die Zahl bei nur sieben gelegen. Auch glauben nun sieben Fed-Gouverneure, dass das FOMC bereits 2022 die Zügel straffer ziehen wird. Im März hatten nur vier mit einer so frühen Anhebung des Leitzinses gerechnet.
Zu jenen, die höhere Inflation für ein ernstzunehmendes Risiko halten, zählt James Bullard, Präsident der Federal Reserve von St. Louis, der dieses Jahr eines der fünf rotierenden FOMC-Mitglieder ist. „Wir sollten begrüßen, dass die Wirtschaft so schnell wächst und der Arbeitsmarkt sich so kräftig erholt“, sagt Bullard. Dies verstärke aber den Preisdruck, so der Chef des regionalen Fed-Ablegers. Er rechnet in diesem Jahr mit einer Teuerungsrate von 3%, die 2022 auf 2,5% zurückgehen werde. „Damit wäre das Kriterium erfüllt, für einige Zeit das Inflationsziel von 2% moderat überstiegen zu haben“, meint Bullard, der für zwei Zinserhöhungen im kommenden Jahr plädiert. Ehe die Fed beginnen werde, die Anleihekäufe zurückzufahren, würde der Offenmarktausschuss noch in mehreren Sitzungen hierüber beraten, sagt er.
Transparenz beim Tapering
Ganz anders schätzt Neel Kashkari, Vorsitzender der Fed Minneapolis die Lage ein. „So lange die Inflation unter Kontrolle ist, sollte Geduld angesagt sein“, sagt Kashkari. Das FOMC solle vorrangig auf Vollbeschäftigung hinarbeiten und nicht vor 2023 die Zügel straffer ziehen. Trotz des Stellenwachstums dürfe nicht vergessen werden, dass die Zahl der Beschäftigten noch um sieben Millionen unterhalb des Vorkrisenniveaus liegt.
In Sachen Tapering erwartet Kashkari, der als Inflationstaube gilt und Kollegen vorwirft, zunehmend eine „Hardliner“-Mentalität einzunehmen, „einen vorhersehbaren Abbau der Anleihekäufe“. Powell bereite die Märkte mit hoher Transparenz auf Tapering vor. Zu erwarten sei, dass die Fed hypothekenbesicherte Anleihen zuerst abstößt, ohne dabei aber die Stabilität am Häusermarkt zu gefährden.