„Schwäche der deutschen Wirtschaft ist chronisch geworden“
„Schwäche ist chronisch geworden“
Ifo-Klima fällt − ZEW-Barometer steigt − Gegenläufige Urteile der Umfrageteilnehmer zu Lage und Erwartungen
Die Umfrageergebnisse von Ifo und ZEW liefern zum Jahresende ein gemischtes Bild: Während sich die Unternehmen reservierter als zuletzt zeigen, sind Börsianer etwas weniger pessimistisch. Die Lage- und Erwartungskomponenten der beiden Stimmungsindikatoren entwickeln sich gegenläufig.
ba Frankfurt
Börsianer und Unternehmen sind sich im Dezember uneins in der Bewertung des aktuell herausfordernden Mix aus Konjunkturschwäche, strukturellen Problemen und politischer Unsicherheit. Während sich die Stimmung auf den Chefetagen unerwartet kräftig eingetrübt hat, zeigen sich die Finanzmarktexperten etwas weniger pessimistisch mit Blick auf die kommenden Monate. Eine nachhaltige Besserung kommt derweil trotz der erneuten Zinssenkung der EZB nicht in Sicht, solange die Auslandsnachfrage schwach bleibt und die Verbraucher wegen der zunehmenden Jobsorgen lieber sparen als Geld auszugeben.
Das Barometer der ZEW-Konjunkturerwartungen ist im Dezember unerwartet um 8,3 auf 15,7 Punkte gestiegen, wie das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) mitteilte. Ökonomen hatten hingegen einen neuen Zählerstand von 6,9 erwartet. „Die vorgezogenen Neuwahlen in Deutschland mit der damit einhergehenden Erwartung auf eine investitionsfreundliche Wirtschaftspolitik sowie die Aussicht auf weitere Zinssenkungen sorgen für einen verbesserten wirtschaftlichen Ausblick“, kommentierte ZEW-Chef Achim Wambach das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 160 Analysten.
Vergangene Woche hatte die EZB das vierte Mal in diesem Jahr die Geldpolitik gelockert. „Zu dieser Einschätzung passt die Tatsache, dass die Befragten mehrheitlich eine stabile oder sinkende Inflationsrate im Euroraum erwarten.“ Die aktuelle Lage wurde erneut schwächer eingeschätzt, der Index gab um 1,7 auf −93,1 Punkte nach. Die Prognose lag hier bei −92,6 Zählern. Die Umfrageergebnisse für den Euroraum zeichnen ein ähnliches Bild wie für Deutschland: Der Erwartungsindikator legte um 4,5 auf 17,0 Punkte während das Lagebarometer um 11,2 auf −55,0 Zähler nachgab.
Hoffnung ruht auf neuer Regierung
„Während der Ifo-Geschäftsklimaindex die Hoffnungen auf eine baldige konjunkturelle Trendwende im kommenden Jahr begrub, senden die ZEW-Konjunkturerwartungen noch ein Fünkchen Hoffnung“, analysiert VP-Bank-Analyst Thomas Gitzel. „Die Hoffnungen beruhen nun auf der neuen Bundesregierung.“ Das Ifo-Geschäftsklima ist im Dezember um 0,9 auf 84,7 Punkte und damit den niedrigsten Wert seit Mai 2020 gefallen. „Die Schwäche der deutschen Wirtschaft ist chronisch geworden“, lautet das Urteil von Ifo-Chef Clemens Fuest.
Nur im Bau steigt die Stimmung
Das Ifo führt den Rückgang des wichtigsten Frühbarometers für die Konjunkturentwicklung – insbesondere auf die pessimistischeren Erwartungen – zurück. „Das ist besonders misslich, denn mangelnde Zuversicht lässt Unternehmen bei Investitionen zaudern“, warnt die DekaBank. Die aktuelle Lage hingegen wurde – auf niedrigem Niveau – etwas besser beurteilt. Unter den Branchen hat sich mit Ausnahme des Baugewerbes die Stimmung deutlich eingetrübt, allen voran in der Industrie und im Handel.
Düsternis in der Industrie
„Es gibt in der Industrie keinen Lichtblick“, sagte Ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters. „Ihre Krise hat sich verschärft.“ Egal ob Autobauer, Elektrotechnik oder Metallbranche − die Misere ziehe sich mittlerweile durch alle Bereiche. Die Auftragslage verschlechterte sich erneut und es wurden Produktionskürzungen angekündigt. „Die exportabhängige Industrie profitiert derzeit nicht vom Aufschwung anderer Länder wie den USA oder einiger Euro-Staaten“, betonte Wohlrabe. Das lasse auf eine strukturelle Krise schließen. „Die Schwäche in der Industrie strahlt auch auf die Branchen ab, die an ihr hängen“. Als Beispiele nannte der Ifo-Experte den Großhandel sowie die Transport- und Logistikbranche.
Mini-Plus wäre drin
Zum Jahresschluss könnte es Wohlrabe zufolge aber noch immer „zu einem Mini-Plus von 0,1% reichen“. Damit würde das Wachstumstempo vom Sommer gehalten. Staats- und Privatkonsum könnten erneut dazu beitragen. Das Geschäftsklima im Einzelhandel habe sich zwar etwas eingetrübt, „aber das Weihnachtsgeschäft ist wohl bislang ganz okay gelaufen“, sagte Wohlrabe. „Gerade der Konsum im Onlinehandel läuft gut.“ Es sei aber noch Luft nach oben. Die Sparquote sei nach wie vor recht hoch.
Ökonomen erwarten, dass die Wirtschaft in diesem Jahr schrumpft und die Erholung im Jahr 2025 eher mau ausfällt. Kürzlich haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute die Prognosen gesenkt − das IfW Kiel etwa rechnet mit einer Stagnation, das RWI ist mit +0,6% am optimistischsten.